Ist die Digitalisierung gut oder böse?

Thomas Riegler, Digitalisierungsprofi bei der Consultingfirma PricewaterhouseCoopers, über Sinn und Zukunft der Digitalisierung.

KURIER: Wie erklären Sie Ihren Kindern Digitalisierung?

Thomas Riegler: Es ist so, dass meine Kinder mir die Digitalisierung erklären (lacht).

Und was sagen Ihre Kinder?

Sie beweisen mir, dass die Digitalisierung längst  Teil unseres Alltags ist. Die Palette reicht von Online-Überweisungen bis zu Bestellungen über Amazon und so weiter.

Was soll die Digitalisierung den Menschen bringen?

Sie soll unser Leben erleichtern, lästige Aufgaben schneller und effizienter für uns erledigen.  Damit wir wieder mehr Zeit für die Musse, für uns selbst oder im Job für strategische Überlegungen haben.

Grundsatzfrage: Digitalisierung ist….

…wenn ich Analoges wie Papier digital mache. Also wenn zum Beispiel aus einem Brief ein Mail wird. Das ist natürlich ein sehr simples Beispiel. Oder, wenn ich Prozesse automatisiere oder neue digitale Produkte und Services anbiete. Die Digitalisierung wird aber immer komplexer und entwickelt sich immer schneller.

 

Ist die Digitalisierung gut oder böse?

Thomas Riegler mit KURIER-Wirtschaftsressortleiter Wolfgang Unterhuber.

Wie digital ist eigentlich Österreich?

Digitalisierung ist zwar in aller Munde, aber wir nutzen hierzulande sowohl als Privatpersonen als auch in den Unternehmen die Möglichkeiten der Digitalisierung noch zu wenig.

Wir sind ja auch noch nicht einmal mit dem Breitbandausbau fertig….

Richtig. Aber das ist nicht nur ein österreichisches sondern ein europäisches Problem. Fakt ist: Ohne Daten und ohne die entsprechende Infrastruktur keine Digitalisierung.

Warum sind die USA und China den Europäern voraus?

China investiert hunderte Milliarden in neue Technologien, in Künstliche Intelligenz oder Plattformunternehmen. Und dann wird umgesetzt. In den USA ähnlich. Es wird hier viel privates Risikokapital investiert und umgesetzt. In Europa produzieren wir sehr viel Papier für sehr viele Strategien. Aber wir setzen wenig und viel zu langsam oder gar nicht um.

Was also tun?

Die Frage ist: Wie spezialisieren wir uns? Europa müsste eine eigene Plattform-Ökonomie entwickeln. Aber nicht mehr im Konsumentenbereich wie Amazon. Dieses Match haben wir schon verloren. Wir müssten auf den Business to business-Bereich setzen. Wir müssten etwa eigene Marktplätze z.B für den Anlagen- und Maschinenbau oder spezielle Dienstleistungen und Technologien entwickeln.

Vielen Menschen macht die Digitalisierung Angst. Verstehen Sie das?

Absolut. Deshalb ist es umso wichtiger, den Menschen die Folgen der Digitalisierung zu erklären und erlebbar zu machen. Zum Beispiel, dass wir bereit sein müssen, Neues zu lernen. Unser Bildungssystem müsste da bei den jungen Menschen schon sehr früh in Richtung Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, also den MINT-Fächern, ansetzen.  

Aber was ist mit denen, die nicht unbedingt auf der Digitalisierungswelle mitschwimmen wollen oder können?

Wir dürfen die soziale gesellschaftliche Komponente der Digitalisierung nicht übersehen. Die Menschen, die mit der Digitalisierung nicht mit können, dürfen keinesfalls abgehängt werden.

Also ist die Digitalisierung gut und nicht böse?

Das entscheiden wir Menschen. Der technologische Fortschritt ist per se ja weder gut noch schlecht. Jede Maschine und jede Künstliche Intelligenz ist ein von Menschen entwickeltes Programm. Sie hat kein menschliches Gehirn. Wir sind es, die die Algorithmen programmieren.

Stichwort Sicherheit: Macht uns die Digitalisierung nicht angreifbarer?

Ohne Daten keine Digitalisierung. Und diese Daten müssen geschützt werden. Ich bin aber immer wieder erstaunt, wie sehr die Menschen in den sozialen Netzwerken freiwillig ihre persönlichen Daten preisgeben.

Wohin geht die Reise?

Alle Arbeiten, die repetitiv sind, also sich ständig immer gleich wiederholen, werden sehr schnell von Robotern übernommen werden.

Was heißt das in der Praxis?

In Krankenhäusern werden zum Beispiel Pflege-Roboter zum Einsatz kommen, die die Patienten umbetten. Das ist Schwerstarbeit.

Das Personal wird dann verschwinden?

Dort, wo persönliche Kommunikation und emotionale Intelligenz notwendig sind, wird der Mensch sicher nicht ersetzt werden.

Können sich die Maschinen wie in Science Fiction Filmen eines Tages verselbstständigen?

Sie meinen wie im Film Terminator (lacht)? Nein. Die sogenannte Künstliche Intelligenz leistet heute gerade erst mal drei Prozent des menschlichen Gehirns. Da mache ich mir also keine Sorgen. 

Kommentare