Kocher: "Lohnzurückhaltung sollte man differenziert betrachten"

Der zukünftige Nationalbankgouverneur Martin Kocher besteht auf die Unabhängigkeit seiner Institution.
In machen Bereichen können Gehälter ruhig mehr steigen, sagt der neue Nationalbank-Gouverneur. Es komme auf die Wettbewerbsfähigkeit an.

Zusammenfassung

  • Kocher betont die Bedeutung von Wettbewerbsfähigkeit, warnt vor Preisdeckeln und spricht sich für differenzierte Lohnpolitik je nach Branche aus.
  • Er fordert ein positives Zukunftsbild, sieht die Regierung und Sozialpartner in der Verantwortung und hält an der Unabhängigkeit der Nationalbank fest.
  • Zur europäischen Geldpolitik plädiert Kocher für Verlässlichkeit und warnt vor politischer Einflussnahme auf Notenbanken, insbesondere durch die US-Regierung.

Der ehemalige Wirtschaftsminister Martin Kocher tritt am Montag seinen Posten als neuer Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank an. Im Ö1 Journal zu Gast am Samstag schilderte er seine Ideen zum Bekämpfen der hohen Inflation, zum Ankurbeln der Konjunktur, zur europäischen Geldpolitik und zum Umgang mit der US-Regierung.

Angebot nicht durch Preisdeckel gefährden

Beim Kampf gegen die allgemeine Teuerung sieht Kocher die Regierung und Sozialpartner am Zug. Als Nationalbank "stehen wir beratend zur Seite. Wir wollen uns nicht aufdrängen, aber es gibt eine Reihe von Ideen". Österreich müsse alles daran setzen, wettbewerbsfähig zu bleiben. Man dürfe dabei keine Maßnahme von vornherein ausschließen, aber manche müsse man sich genau überlegen.

Preisdeckel, etwa bei Mieten, einzuführen, berge die Gefahr, das Angebot zu verschlechtern. Langfristig könnte sich das als nachteiliger herausstellen, als freie Preisentwicklungen einzudämmen. "Einen Mangel zu generieren, ist schlecht. Das hat man etwa in Ungarn bei Lebensmittelpreisdeckeln gesehen", so Kocher.

Manche Löhne dürfen ruhig mehr steigen

In der Debatte um Kosteneinsparungen dürfe es "keine heiligen Kühe geben". Bei Gehältern meint Kocher aber: "Lohnzurückhaltung sollte man differenziert betrachten." Dass Löhne in stärkerem Maße als die Inflation gestiegen seien, sei in bestimmten Bereichen angebracht gewesen, etwa bei Dienstleistungen. In Bereichen, die stärker vom internationalen Wettbewerb geprägt seien, und die stärker auf die Inflation wirken, sei ein solches Vorgehen aber hinderlich. Man müsse diese Wirtschaftsbereiche unterschiedlich behandeln.

Positives Zukunftsbild muss erzeugt werden

Im Endeffekt solle sich laut Kocher aber "niemand als Verlierer sehen". Es sei wichtig, an einem Strang zu ziehen und ein positives Zukunftsbild zu erzeugen. "Der Konsum ist gar nicht so gering, die Sparquote ist hoch, die Stimmung ist einfach schlecht." Wenn das Staatsbudget nicht in Ordnung sei, schaffe das Unsicherheit. "Gewisse Dinge von Außen werden uns weiterhin belasten, aber nach Innen sollte man Dinge in Ruhe bereinigen - die Regierung macht das ohnehin."

Die Aufgabe des Finanzministers (Markus Marterbauer, Anm.), wirtschaftliche Anreize zu setzen und dennoch Ausgaben zu kürzen, sei schwierig. Kocher beneide ihn darum nicht, vor allem wenn die Wachstumsraten in der gesamten Eurozone schwach seien.

Irgendwo zwischen "Falke" und "Taube"

Zur europäischen Geldpolitik hält Kocher einen klaren Kurs für wichtig. Zinsen zu senken und dann gleich wieder zu erhöhen, sei schlecht. "Es ist entscheidend, dass wir eine verlässliche Politik machen". Neueste Konjunkturprognosen werden im September erwartet. Dann werde sich zeigen, wohin die Reise der Europäischen Zentralbank gehe.

Er sei weder "Falke", also Anhänger einer straffen Geldpolitik, noch "Taube", also Befürworter einer expansiven Geldpolitik mit niedrigen Zinsen und billigem Geld für die Wirtschaft. "Ich sehe mich nicht in einem der beiden Lager", sagte Kocher. Statt um die Zuordnung zu einem Lager im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) gehe es ihm vor allem darum "Fakten sprechen zu lassen, es geht darum im richtigen Zeitpunkt den richtigen Zug zu machen".

US-Regierung sollte sich nicht in Fed-Belange einmischen

Noch wichtiger sei es, dass die Einmischungen der US-Regierung in die Aufgaben der Notenbank Federal Reserve ein Ende finden. "Die Unabhängigkeit von Notenbanken ist wichtig. Wenn es Sorgen um die Unabhängigkeit der Fed gibt, sind wir alle betroffen." An jeder Kritik an der Fed durch US-Präsident Donald Trump sehe man, wie rasch Börsen und Wechselkurse reagieren.

Der Dollar als globale Leitwährung werde dadurch geschwächt. "Der Euro wird an Einfluss gewinnen, aber er ist kein Ersatz für den Dollar in nächster Zeit. Es kann zu großen Risiken für die Weltwirtschaft führen, wenn das so weitergeht." Die Entwicklungen in den USA seien ein Weckruf an Europa zu mehr Einigkeit.

Politische Unabhängigkeit der Nationalbank garantiert

Was seine eigene Unabhängigkeit und die Unabhängigkeit der Oesterreichischen Nationalbank vor politischer Einmischung anbelange, sieht Kocher - der durch ein ÖVP-Ticket zum Gouverneur-Posten kommt - kein Risiko. "Ich war als Minister nie mit der Notenbank beschäftigt, daher gibt es da keinen Interessenskonflikt."

Auch, dass ÖVP-Politiker Harald Mahrer im Generalrat der Nationalbank sitze, sei nicht verwerflich. "Man sollte auf Interessenskonflikte schauen, aber Menschen auch zugestehen, dass sie sich zurücknehmen können." Die Unabhängigkeit der Nationalbank sei garantiert.

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