Rohstoff-Knappheit: Der große Schmerz ohne Kupfer und Erz
Norddeutschlands Städte haben ein Rohstoff-Problem der kriminellen Art: Laut einem NDR-TV-Bericht melden sich immer mehr Fahrzeugbesitzer bei der Polizei, weil ihnen dreiste Diebe bei ihrem Auto über Nacht den Katalysator ausgebaut haben. Besonders ältere Pkw-Modelle, wo der mechanische Ausbau noch möglich ist, sind betroffen. Der Autofahrerclub ADAC warnt bereits landesweit vor den gut organisierten Kat-Diebesbanden.
Im Visier haben die Kriminellen das wertvolle Innenleben ihrer Beute. Katalysatoren enthalten bis zu fünf Gramm der Edelmetalle Palladium, Platin und Rhodium. Durch die Preisrallye der vergangenen Monate ist das Recycling ein gutes Geschäft. Für gebrauchte Katalysatoren werden schon mehr als 1.000 Euro bezahlt.
Lieferkette stockt
Die „Öffnungseuphorie“ nach monatelangen Corona-Lockdowns in Europa und Chinas Investitionsschub lassen die Nachfrage nach Industrie-Rohstoffen wie Kupfer, Eisenerz und Edelmetallen wie Palladium und Platin geradezu sprunghaft ansteigen. Weder die Minenbetreiber, die ihre Förderung in der Pandemie zurückfuhren und Lagerbestände abbauten, noch die wachsende Recyclingindustrie können derzeit genug Nachschub für die Industriebetriebe produzieren. Die Folge: Die globale Lieferkette stockt und die Preise klettern – angeheizt durch Rohstoff-Spekulanten an den Börsen – auf neue Rekordstände.Ein paar Beispiele:
- Kupfer
Der Kupferpreis durchbrach vor wenigen Tagen die 10.000-Dollar-Marke und hat sich binnen eines Jahres damit verdoppelt. Das Rohmaterial gilt bei Ökonomen als Indikator für den Zustand der Weltwirtschaft. Steigt der Preis, gilt dies als Zeichen für eine breite Konjunkturbelebung, der Spitzname „Dr. Kupfer“ soll das unterstreichen.
Kupfer ist nicht nur in der Industrie und am Bau unverzichtbar, sondern wird für die grüne Transformation der Wirtschaft benötigt, etwa für Elektromotoren, Kabel und Ladestationen. China kauft für seine riesigen Bauprojekte derzeit mehr als die Hälfte der globalen Kupfer-Fördermenge auf. Hauptförderland ist Chile, wo sich wegen der Streiks von Minenarbeitern der Abbau verzögert.
- Eisenerz
Der Preis für eine Tonne Eisenerz kletterte erstmals über die 200-Dollar-Marke. Der Stahlpreis ist so hoch wie seit zehn Jahren nicht mehr. Preisanstieg und Lieferengpässe treffen hier die Metall- und Autoindustrie, aber auch die Elektroindustrie besonders stark.
Die Autobauer mussten zum Teil Produktionen drosseln und Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken, Industrieriesen wie Siemens warnen vor finanziellen Einbußen. Durch den coronabedingten Rückgang der Autoverkäufe sanken zuletzt auch die wiederverwertbaren Schrottmengen.
- Palladium/Platin
Diese Edelmetalle kommen hauptsächlich in der Automobilindustrie – bei Katalysatoren – zum Einsatz. Durch den Rückgang bei Dieselmotoren werden weltweit mehr Benziner erzeugt, weshalb die Palladium-Nachfrage steigt. Allein seit Jahresbeginn hat Palladium etwa ein Fünftel an Wert gewonnen. Größter Produzent ist Russland, weshalb auch geopolitische Verwerfungen an der Preis- und Verfügbarkeitsschraube drehen.
Wie geht’s weiter?
Viele Analysten rechnen wegen des gerade erst anlaufenden Hochfahrens der Wirtschaft mit einem länger anhaltenden Preisschub. Die US-Bank Citigroup spricht gar von einem „Superzyklus“, den es zuletzt vor 20 Jahren durch den Aufstieg Chinas gegeben hat. Indizien dafür seien die Umstellung der Industrie auf grüne Technologien sowie die Industrialisierung Indiens.
Nicht alle trauen der Superzyklus-Theorie, zumal diese den Preishype selbst befeuert. Weil höhere Rohstoffpreise die Produktion verteuern, dürfte ein Inflationsanstieg folgen, den wiederum die Konsumenten mit höheren Preisen bezahlen müssen.
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