Kleinwasserkraft: Strom für zusätzliche 150.000 Haushalte wäre möglich

Für die Errichtung von Kleinwasserkraftwerken samt Fischaufstiegen sind Querbauwerke in Fließgewässern ideal.
Werden bestehende Dämme und Wehre laut EU-Vorgaben umgebaut, könnte man sie auch gleich energetisch nutzen.

Zusammenfassung

  • Österreich könnte durch den Umbau bestehender Querbauten 555 Millionen Kilowattstunden mehr Strom pro Jahr aus Wasserkraft gewinnen.
  • Der Ausbau von Kleinwasserkraftwerken bietet dreifachen Nutzen: Beitrag zur Energiewende, Förderung der heimischen Wirtschaft und regionale Wertschöpfung.
  • Genehmigungsverfahren für Kleinwasserkraftwerke sind oft lang und behindern die Erreichung der Ausbauziele für erneuerbare Energien.

In Österreich könnte man mit relativ geringem Aufwand 555 Millionen Kilowattstunden mehr erneuerbaren Strom pro Jahr aus Wasserkraft produzieren. Damit könnten zusätzlich 150.000 Haushalte mit Strom versorgt werden. Dazu müsste aber die Politik in die Gänge kommen, kritisiert die Interessensvereinigung Kleinwasserkraft Österreich. Sie hat am Donnerstag eine Karte mit potenziellen Beschleunigungsgebieten für den Bau von kleinen Wasserkraftwerken mit einer Leistung bis 10 Megawatt vorgelegt.

Die möglichen Stromerträge bei raschem Ausbau von Kleinwasserkraftwerken.

Die möglichen Stromerträge bei raschem Ausbau von Kleinwasserkraftwerken in Österreichs Bundesländern.

Fischaufstiegshilfen müssen installiert werden

An Fließgewässern im ganzen Land gibt es so genannte Querbauwerke, das können etwa Dämme oder Wehre sein. Sie erfüllen teilweise wichtige Schutzfunktionen, stellen aber Barrieren für Lebewesen dar. Die EU fordert gemäß ihrer Wasserrahmenrichtlinie die Wiederherstellung der Durchgängigkeit von Fließgewässern bis Ende 2027. Querbauten müssen daher u. a. mit Fischaufstiegshilfen ausgestattet werden. Wenn man sie schon umbaut, könnten viele dieser Querbauten auch gleich energetisch genutzt werden, sagt Sophie Uitz, die Landessprecherin Salzburg von Kleinwasserkraft Österreich.

Der hohen Anzahl der Querbauten stehen aktuell 4.150 Kleinwasserkraftwerke in Österreich gegenüber. "Nicht einmal 6 Prozent werden also energetisch genutzt", sagt Uitz. Gleichzeitig muss Österreich die RED III Richtlinie der EU umsetzen, die ausgewiesene Beschleunigungsgebiete für den Ausbau erneuerbarer Energien verlangt. Die Bundesländer sind hier säumig - ein Umstand, der von der Branche bereits heftig angeprangert wurde. "Die Uhr tickt", warnt Uitz. Bis 21. Mai 2025 hätten die Bundesländer bereits Beschleunigungsgebiete erfassen müssen. Bis 26. Februar 2026 müssen sie detailliert vorliegen. Passiert sei bisher nichts.

Dreifacher Nutzen durch Kraftwerke

Das sei sehr schade, sagt Uitz. Wenn man bestehende Querbauten im Rahmen der Umbauverpflichtung mit Kraftwerken ausstatten würde, könnte man "Low Hanging Fruits" ernten, also auf der Hand liegende Chancen nutzen. Laut der Interessensvereinigung erhielte man einen dreifachen Gewinn. Man würde einerseits einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten. Kleinwasserkraftwerke an Fließgewässern erzeugen über das Jahr gesehen relativ konstant grünen Strom. Das bringe Stabilität im Stromnetz.

Zweitens fördere man mit dem Bau von Kleinwasserkraftwerken die heimische Wirtschaft. Bau, Planung, Betrieb und Maschinenbau werden großteils von österreichischen Anbietern erledigt. Drittens sei die regionale Wertschöpfung enorm. Die Kraftwerke sichern Arbeitsplätze und stärken die regionale Versorgungssicherheit. Durch ihre konstante Stromversorgung seien viele "inselfähig", können also ein lokales Stromnetz auch bei einem Blackout aufrecht erhalten.

Ökologisch verträgliche Bauweise ist möglich

Aus ökologischer Sicht ließen sich Kleinwasserkraftwerke mit keinerlei schädlichem Einfluss auf die Umwelt realisieren, sagt Christoph Hauer von der Universität für Bodenkultur. Aus schutzwassertechnischer Sicht dürfen Querbauten nicht vollständig entfernt werden, es wäre auch aus Sicht des Naturschutzes wenig sinnvoll. Sedimente würden sich im Fluss verschieben, wodurch Lebensräume überdeckt oder Schadstoffe freigesetzt werden könnten. Es sei in erster Linie wichtig, natürliche Prozesse im Gewässer zu erhalten, aber Kraftwerke können ein nützliches "Nebenprodukt" sein.

Eine Herausforderung für viele Kleinwasserkraftwerke seien laut Hauer aufgrund des Klimawandels sinkende Abflussmengen. Laut Uitz, die selber zwei Kraftwerke betreibt, gebe es teilweise auch einfach größere Produktionsschwankungen zwischen trockenen Perioden und Phasen mit starken Niederschlägen.

Genehmigungsverfahren teilweise sehr lange

Grundsätzlich seien Kleinwasserkraftwerke aber wirtschaftlich darstellbar, sagt Paul Ablinger, Geschäftsführer von Kleinwasserkraft Österreich. Für Investoren seien kleine Wasserkraftwerke weiterhin interessant. Die Technik funktioniere langfristig stabil. Als größte Bedrohung der Rentabilität sieht Uitz die Bürokratie, allen voran lange Genehmigungsprozesse. "Die Verfahrensdauer ist zu lang", sagt auch Ablinger. Investoren benötigen bessere Planungssicherheit.

Ausbauziele noch in weiter Ferne

Von den Zielen im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) beim Ausbau der Wasserkraft sei Österreich noch weit entfernt. Dabei schlummere gerade in der Kleinwasserkraft noch viel Potenzial. Derzeit werden pro Jahr rund 7 Terawattstunden Strom erzeugt - genug, um rund 10 Prozent des heimischen Strombedarfs zu decken. Theoretisch könnten es noch 7 Terawattstunden zusätzlich sein. Dann müsste man allerdings auch noch bisher ungenutzte Reservoirs wie Wasserbecken für Schneekanonen energetisch nutzen und auch einige Neubauten an Stellen in Kauf nehmen, an denen bisher noch keine Querbauten existieren.

Was die Karte der Beschleunigungsgebiete im Übrigen nicht abbildet, ist das Vorhandensein geeigneter Netzanschlüsse. In entlegenen Gebieten könnte das eine oder andere Projekt an hohen Kosten für die Infrastruktur scheitern.

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