Wenn ich Chef wäre ...

Klaudia Maghis, 26, Consultant bei Horváth und Partners
Gestaltungsfreiheit, Prestige und Geld kommen mit dem Chefsein. Aber: Jungen wollen gar nicht mehr in die Chefetage. Warum?

Professor Wolfgang Jenewein schreibt in seinem Buch „Warum unsere Chefs plötzlich so nett zu uns sind“, dass moderne Führungskräfte „inspirierend, stärkenorientiert, positiv, vertrauensvoll und individuell“ sein sollen. Blumige Beschreibungen für einen harten Job, in dem allen voran hohe Erwartungen erfüllt werden müssen: im Chefsessel muss nicht nur man fachlich sattelfest sein, sondern sich auch besser als andere in der Branche auskennen.

Hinzu kommt: Als Chef ist man meistens exponiert. Steht im Mittelpunkt, auf Bühnen im Scheinwerferlicht, unter Beobachtung von Aufsichtsräten, der Öffentlichkeit und den eigenen Mitarbeitern. Wer sich als Laie Gedanken über Chefpositionen macht, fragt sich häufig: Wer sind die Menschen, die sich der Bewertung anderer gerne aussetzen, Kritik aushalten, Lob aber auch Kündigungen aussprechen können?

Selbstmotivation und Disziplin

Spricht man mit Organisationsberatern und Karrierecoaches über dieses Thema, bekommt man andere Perspektiven auf die Führungsrolle. Alfred Janes sagt: „Führung ist ein Kommunikationsgeschäft.“ Ein Chef müsse erkennen, in welchen Situationen er wie reagieren muss. Muss er im Gespräch zuhören oder bewerten? Braucht der Mitarbeiter eine Anweisung oder einen Hinweis? „Man muss ein hohes Maß an Selbstmotivation mitbringen, immer und jeden Tag. Dafür braucht es schon viel Selbstdisziplin“, sagt wiederum Karriere-Coach Jens Wolff.

Wenn ich Chef wäre ...

"Wer anspruchsvollere Aufgaben ausführt, hat oft mehr Gestaltungsfreiheit.“

von Karrierecoach Jens Wolff

Gestaltungsfreiheit und Flexibilität sind Werte, die besonders auf die Karriere- und Arbeitsvorstellungen der auf den Arbeitsmarkt nachrückenden Generation Y zutreffen und immer wichtiger werden. Ab 2020 werden die Millennials weltweit mehr als ein Drittel der Arbeitskräfte stellen. Die Babyboomer, ihre heutigen Chefs, nur mehr sechs Prozent. Dass sich mit dem Generationenwechsel auch die Erwartungen an Unternehmens- und Führungskulturen ändern, zeigt sich unter anderem in einer Umfrage der deutschen Karriereberatung Rundstedt.

Keine idealen Chefs

Nur 16 Prozent aller Deutschen sind mit ihrem Chef rundum zufrieden. 75 Prozent der Befragten würden, sobald sie selbst das Sagen hätten, so einiges umkrempeln – allen voran Mitarbeiter zwischen 18 und 34 Jahren. 82 Prozent von ihnen würden als Chef im Unternehmen Aufgaben neu verteilen, sich an den Stärken der Mitarbeiter orientieren und flexiblere Arbeitszeiten einführen. 47 Prozent würden zudem ihre Mitarbeiter bei wichtigen Unternehmensentscheidungen miteinbeziehen.

„Zwischen den pflichtbewussten Babyboomern und den spaß- und flexibilitätsgetriebenen Millennials ist ein großer Unterschied“, sagte Günther Tengel, Geschäftsführer des Personalberaters Amrop Jenewein kürzlich im KURIER-Gespräch. Jeder habe seine eigene Definition von Leistung oder Work-Life-Balance. „Was nicht heißt, dass die Jungen nicht ehrgeizig sind. Aber sie setzen ihre Leistungsbereitschaft bewusst in den selbst definierten Zeiten.“

Wären jüngere Menschen also die besseren Chefs? Kennen sie die Bedürfnisse der jungen Belegschaft besser?

Organisationsberater Alfred Janes sagt: „Nein“.

Wenn ich Chef wäre ...

„Führen ist ein Kommunikationsgeschäft. Ein Chef muss wissen, wann er im Gespräch zuhört, bewertet, einen Hinweis oder eine Anweisung geben muss.“

von Organisationsberater Alfred Janes

Es sei ein Irrtum zu glauben, dass junge Menschen die besseren Führungskräfte sind. Junge Neo-Chefs würden Führung oft auf die Chef-Mitarbeiter-Beziehung reduzieren. „Es geht aber nicht nur um Frau Maier und Herrn Müller“, betont Janes. „Nach meinem Verständnis vermiest man sich als Vorgesetzter die Akzeptanz, wenn man viel zu früh, viel zu individuell auf Personen zugeht. Zu allererst geht es darum, die Organisation in Richtung Zweck, Erfolg und Effizienz zu steuern.“

Nur 13 Prozent der Jungen wollen Chef werden

Wenn ich Chef wäre ...

Gute Führung ist das Verteilen von Aufgaben - die man Mitarbeiter selbstständig ausführen lässt

Bezogen auf die Ergebnisse der Rundstedt-Umfrage, glaubt Alfred Janes, dass sich diese auf das Führungsverständnis beziehen. Junge Mitarbeiter, die glauben, besser zu wissen als ihr Chef, was zu tun ist, hätten zu wenig Gestaltungsraum. Denn wer selbstständig seine Aufgaben erfüllen kann und den Rahmen seiner Entscheidungen kennt, würde nicht so denken.

Der Organisationsberater betont daher: „Man muss als Chef auch Chefs erzeugen können, denn woher sonst sollen gute Nachwuchskräfte kommen?“

Und gerade dort könnte sich für Unternehmen bald eine Lücke auftun: Laut einer Studie des Personaldienstleisters Manpower wollen nur 13 Prozent der 20 bis 34-Jährigen in ihrer Karriere in eine Führungsposition kommen.

Der KURIER hat mit drei Vertretern dieser überschaubaren Anwartschaft gesprochen und sie gefragt, warum sie an die Spitze möchten und welche Herausforderungen das mit sich bringt.

Klaudia Maghis, 26

Consultant in der Beratung Horváth und Partners

Wenn ich Chef wäre ...

Sie will Chefin werden

Viele würden, wenn sie selbst Chef wären, ganz andere Entscheidungen treffen, als ihre Vorgesetzten. Warum ist das so? „Ich glaube, man will die Rolle so gestalten, dass sie erkennbar ist, man bringt neue Impulse und  neue Denkweisen ein. Einfach den Chef zu ersetzen wäre ja auch nicht wünschenswert“, sagt Klaudia Maghis, um dann nachdenklich ein „oder?“ hinzuzufügen.

Die 26-Jährige geht sehr reflektiert mit dem Thema um – vielleicht, weil sie selbst diese Rolle anstrebt. Eines Tages Chefin zu sein, ein Team zu leiten, Entscheidungen zu treffen, ist ihr Traum. Maghis hat bereits in der Oberstufe gemerkt, dass ihr das gefallen würde.

„Ich hatte schon in der Schule den Drang, Projekte und Gruppen zu leiten. Mir war das Ergebnis des Projekts wohl immer ein  bisschen wichtiger als den anderen“, erinnert sie sich. „Ich bin immer die Extrameile  gegangen.“

Alles darauf ausgerichtet

Dieser Gedanke zieht sich wie ein roter Faden durch ihren beruflichen Werdegang: Maghis entschied sich für ein Studium an der FH in Unternehmensführung und bewarb sich  für genau ein Praktikum  –  in einem der größten Konzerne des Landes, der OMV. Sie bekam es, wurde sechs Monate später – mit 21 – übernommen und arbeitete fortan im Corporate Controlling-Team der OMV.

„In meinen Jobs hatte ich das Glück, dass sie von der Abteilung  hoch angesiedelt waren und so bin ich früh mit Führungskräften auf einer höheren Ebene in Kontakt gekommen. Die Vorstellung, so riesige Firmen leiten zu können, begeistert mich einfach.“

Vor Kurzem wechselte Klaudia Maghis in die Unternehmensberatung, arbeitet nun als Consultant bei der Managementberatung Horváth und Partners und bekommt wieder Einblicke in eine neue Unternehmenskultur. „Man ist als Mentee einem Mentor zugeteilt, der zwar von der Position höher angesiedelt ist, aber die Beziehung beruht sehr stark auf gegenseitigem Vertrauen. Es ist schon toll, wenn man dadurch direkt am Erfolg teilhat.“

Jan Zahumensky, 30

Der gebürtige Tscheche ist neuer CFO bei Mars Austria

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Der nächste große Aufstieg

Seit exakt 67 Tagen hat der erst 30-Jährige einen der höchsten und wichtigsten Posten in einem Unternehmen inne: Jan Zahumensky ist der neue Chief Financial Officer, kurz CFO, bei Mars Austria.

Direkt unterstellt sind ihm 16 Mitarbeiter, insgesamt arbeiten für die österreichische Tochter der US-Firma  Mars Inc. über 500 Mitarbeiter an drei Standorten. Die Größe der Firma und die Führungsverantwortung schrecken den jungen CFO aber nicht ab. „Mir war immer schon ganz klar: ich will Chef werden. Meine erste Führungserfahrung hatte ich mit 23 als Line-Manager.“ 

2013 kam er dann zu Mars Austria, wo er bald Leiter des Controllings wurde. Mars-Austria- CEO Andreas Dialer nennt ihn einen „hervorragend qualifizierten Finanzdirektor“ – aber wie wird man das, so jung?

„Leadership muss nicht unbedingt mit dem Alter kommen. Ich habe immer schon eine gewisse Leidenschaft dafür gespürt, Leute zu führen und zu coachen, gemeinsam Ziele zu erreichen."

Spezielle Programme helfen

„Außerdem gibt es bei Mars viele Möglichkeiten – Programme und Trainings – die einem dabei helfen, eine bessere Führungskraft zu werden.“ Über große Erwartungen an seine Person ist er sich im Klaren.

Einen guten Chef macht in seinen Augen aus, dass er eine Perspektive hat und Struktur gibt. Inspiration dafür  holt er sich vom Führungs-Guru Simon Sinek. „Er analysiert, was Erfolg bedeutet, was die Menschen antreibt und was sie wollen.“  Den CFO erfüllt sein Job, „er ist meine Leidenschaft.“ Ist man mit so viel Verantwortung eigentlich jemals nicht im Dienst?  „Wenn ich Galerien besichtige oder selbst male, kann ich ganz gut abschalten.“  

Alexandra Schweinzer, 26

Die Berufsanwärterin im Bereich Steuerberatung bei Deloitte, will Partnerin werden

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Mein Ziel: hinauf

„Ich habe das Gefühl, meinen Platz gefunden zu haben – und dann denkt man natürlich darüber nach, wo man in Zukunft eigentlich hinwill“, sagt Alexandra Schweinzer. Seit zwei Jahren arbeitet sie bei Deloitte Österreich im Bereich Steuerberatung, davor war sie bei einer internationalen Rechtsanwaltskanzlei und noch etwas davor Praktikantin in den verschiedensten Bereichen.

Nun ist die 26-Jährige angekommen. Fühlt sich wohl, kennt die Arbeitsabläufe und ihre Stärken. „Mein Ziel ist, dass ich Partnerin werde.“ Selbstbewusst und ohne zu zögern, spricht sie diesen Gedanken aus. Sie brauche eben ein Ziel vor Augen, meint sie. Alexandra Schweinzer ist damit eine der 13 Prozent aus der Studie, die sich vorstellen können, im Job eine Führungsposition anzunehmen. Mehr Verantwortung und Druck, weniger Freizeit – wie kann das für einen jungen Menschen reizvoll sein?

„Ich bin grundsätzlich ein sehr leistungsorientierter und ehrgeiziger Mensch. Ich kann mich mit meiner beruflichen Tätigkeit gut identifizieren und  mir durchaus vorstellen, das die nächsten Jahre zu machen.“

Mehr Frauen bitte

Sie findet, es sollten sich ruhig mehr Frauen Führungsrollen zutrauen, nicht nur „fleißig arbeiten und hoffen“. Sie müssten  Leistungshonorierung schon auch einfordern. Trotz aller Idealvorstellungen kennt sie auch die Distanz, die zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter existiert und wie schwierig es ist, Aufgaben abzugeben und auf das Können von Mitarbeiterin zu vertrauen.

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