Die Studentin demonstriert, wie die App ihr nach der Reihe Partner vorschlägt, die in ihr Suchschema passen. Alter, Interessen, Suchradius und viele weitere Angaben kann sie auf der App einstellen. Dann wird ausgesiebt. Wer gefällt, bekommt ein Like, wer nicht gefällt, wird beiseitegeschoben. Matteo und noch ein paar weiteren gab sie ein „Like“.
Auch Matteo schenkte ihr eines und damit war die Chat-Funktion zur Kommunikation freigeschaltet. „Man lernt schnell andere Singles kennen. Aber mit der großen Menge wird es eigentlich nicht einfacher“, erzählt Katia. Die junge Frau überkam nach längerer Nützung das Gefühl, eine Art Männerkatalog zu bedienen, in dem sie beliebig nach dem passenden Produkt suchen kann.
„Das Ganze wirkt irgendwie so, als würde man einkaufen“, sagt sie.
Partnersuche als Shoppingkultur
Mit dieser Auffassung ist sie nicht allein. Apps und Online-Singlebörsen hätten die Partnersuche zu einer Art Shoppingkultur gemacht, sagt auch Eva Illouz. Die israelische Soziologin analysiert seit Jahrzehnten in diversen Forschungsprojekten und Büchern, inwiefern Gefühle „kommodifiziert“ werden, also Warencharakter annehmen. Auf Gewinn und Maximierung ausgerichtete Single-Börsen und Apps würden zu einer „Kommerzialisierung des Intimlebens“ führen, schreibt Illouz in „Die Wa(h)re Liebe“.
Die Partnersuche wird zu einem Markt mit den Gesetzen des Angebots und der Nachfrage, auf der Liebe wie eine Ware konsumiert wird. Eva Illouz in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung: „Das Internet hat den gesamten Markt an verfügbaren Partnern sichtbar gemacht. Auf Tinder sieht man alle möglichen Sexualpartner in einem Radius von drei Kilometern. Und wir sprechen von Partnern, die ebenso gewillt sind, sich mit einem einzulassen. Diese Möglichkeit, das ganze Angebot zu sehen, macht einen Markt zu einem Markt.“
Österreich mischt mit
Auf dem österreichischen Dating-Marktplatz wurden im vergangenen Jahr 18,4 Millionen Euro erwirtschaftet, durch Abos, kostenpflichtige Zusatzfunktionen und Werbeschaltungen. Rund eine Million Menschen sind in Österreich pro Monat auf Singlebörsen, in Vermittlungsagenturen oder auf Dating-Apps aktiv.
Nicht alle löschen bei geglückter Partnersuche ihren Account. 21 Millionen Mitgliedschaften liegen somit auf dem virtuellen Dating-Markt brach, zeigt die neueste Erhebung von singlebörsenvergleich.at, einer Agentur, die jährlich Berichte über die Amor-spielende Marktlandschaft und ihre Anbieter verfasst.
Die großen Player
Über 25.000 Anbieter hat die Agentur mit Stammsitz in Köln im deutschsprachigen Raum ausfindig gemacht. Die größten Marktanteile besitzen Partnervermittlungsagenturen wie Parship, Elitepartner und eDarling, die damit gleichzeitig in ihren Datenbanken auch die intimsten Informationen von Millionen Menschen verwalten.
Tim Schiffers, CEO der Parship Group sagt im Handelsblatt: „Die Partnersuche übers Internet ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“ Heute würde sich keiner mehr für die Verkupplungstante Internet schämen. Etwa 143 Millionen Euro Umsatz erzielt die Parship Group, die heute mehrheitlich zum Fernsehkonzern Pro Sieben Sat 1 gehört – pro Jahr. Die Umsätze werden über die zahlungspflichtigen Accounts gemacht, die Nutzer erstellen müssen, wenn sie die Datenbanken der Portale durchsuchen wollen.
Facebook will einen Teil des Kuchens
Bei dieser Marktgröße ist es nicht verwunderlich, dass auch der Online-Riese Facebook hier mitspielen will und kürzlich mit einer eigenen Dating-Funktion startete. Vorerst nur in Südamerika und in den USA, 2020 auch in Europa. Insgesamt 200 Millionen Nutzer auf Facebook sollen als Single eingetragen sein. Dass ein Bruchteil dieser den Dating Service für sich entdecken könnte, ist die berechtigte Hoffnung.
Die Partnersuche sei aber nicht erst seit Dating-Apps ein Markt, sagt Ökonom Ben Greiner von der Wirtschaftsuni Wien. Das war sie im Grunde immer schon. Vor hundert Jahren vielleicht noch mehr als heute. „Im ökonomischen Sinne ist die Suche nach einem Partner oder einer Partnerin ein Austausch, eine Transaktion. Wenn man jemanden gefunden hat, geht man eine Beziehung ein und man schließt einen Vertrag – implizit oder explizit durch Heirat.“
Viele Märkte "matchen"
Ökonomen ordnen die digitale Partnersuche im Internet sogenannten „Matching Markets“ zu. Auch Airbnb, Uber, die Aufnahme von Studierenden an Unis oder Organspenden funktionieren nach diesem Prinzip.
Der Dating-Markt ist insofern für den Wirtschaftsforscher interessant, da hier der Austausch nicht auf Preisen beruht, sondern auf gegenseitigem „Wollen“. Aber wird die Suche bei so einem riesigen Angebot nicht schwieriger? „Natürlich“, sagt Ben Greiner. „Je mehr Optionen uns zur Verfügung stehen, desto komplexer ist die Entscheidungssituation.“
Nicht ein möglicher Partner, sondern Hunderte
Anbieter wie Parship werben mit Slogans wie „Alle 11 Minuten verliebt sich ein Single über Parship“. Mit ihrer riesigen Anzahl an Singles implizieren sie nicht nur den einen möglichen Partner, sondern Hunderte. Spätestens jetzt klingt die Partnersuche im Netz aber nicht mehr romantisch, sondern nach einem anstrengenden Ausschlussverfahren.
Bei Medizinstudentin Katia zumindest steht Qualität vor Quantität. „Ich schreibe nicht mit mehr als drei Männern gleichzeitig.“
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