Von Ederer bis Wallraff: Architekten der Arbeit

Politikerlegende und Ex-SPD-Chef Franz Müntefering: „Arbeit wird anstrengend bleiben“
18 Experten hat Sven Rahner zur Zukunft der Arbeit befragt – sie haben Visionen, für die es sich lohnt, zu streiten.

Sven Rahner präsentiert in seinem Buch "Architekten der Arbeit" eine hohe Dichte an Kapazunder: Günter Wallraff, Kämpfer für soziale Gerechtigkeit, ist dabei. Auch Brigitte Ederer, aufgewachsen im Gemeindebau, eine von wenigen Frauen, die es in die oberste Managementetage geschafft haben, kommt zu Wort. Ebenso Zukunftsforscher Matthias Horx und Politikerlegende Franz Müntefering. 18 sind es gesamt, die der deutsche Politikwissenschaftler Rahner zur Arbeit der Zukunft interviewt hat. Deutlich wird: Es ist noch alles offen. Günter Walraff sagt: " Alles, was wir zurzeit anpacken oder unterlassen, kann das System als Ganzes beeinflussen. Es kann eine bessere Gesellschaft daraus entstehen, aber es kann auch in eine Brave New World à la Huxley oder in ein orwellsches Zeitalter hinübergleiten, dass uns Hören und Sehen vergehen wird."

Von Ederer bis Wallraff: Architekten der Arbeit
© Körber-Stiftung
KURIER: Sie haben 18 Persönlichkeiten, darunter Topmanager und Spitzenpolitiker, befragt. Wer hat Sie am meisten beeindruckt?

Sven Rahner: Diese Frage bringt mich in die Bredouille, weil das Spektrum der Entwürfe und Visionen enorm breit ist. Die entscheidende Botschaft ist, dass der zentrale Schlüssel eine umfassende Demokratisierung der Arbeitswelt ist. Im Unternehmen der Zukunft sind es Unternehmensbürger, die ihre Vorgesetzten wählen. Davon geht etwa Thomas Sattelberger aus, der als Personalchef der Deutschen Telekom Anfang 2010 mit der Einführung der ersten Frauenquote für Führungsposten in einem DAX-Unternehmen eine breite Diskussion auslöste.

Dass die Mitarbeiter ihre Vorgesetzten wählen, ist noch Zukunftsmusik.

Nein, das gibt es schon. In der Haufe-umantis AG in der Schweiz wird das praktiziert. Die Herausforderung wird darin bestehen, den fundamentalen Wandel innovationsfördernd und menschengerecht zu gestalten. Das geht nur, wenn wir wegkommen von traditionellen Bürokratien und innovationsfeindlichen Kommandostrukturen.

Sie schreiben, die Arbeit der Zukunft wird 3-D: demokratisiert, digitalisiert und diversifiziert.

Ja, denn das Internet der Dinge ist auf dem Vormarsch. Der zweite Punkt: Die Arbeitswelt wird bunt sein, denn die Vielfalt von Alter, Geschlecht und ethnischen Hintergründen wird zunehmen – alleine schon wegen der demografischen Entwicklung. Andererseits gewinnen bereits bei einigen IT-Unternehmen Freelancer-Portale als "Liquid Work" an Bedeutung: Ein System, wo alles outgesourct wird, wo Mitarbeiter wie Tagelöhner, in Konkurrenz mit anderen rund um den Globus um Arbeitspakete konkurrieren. Alle Sicherheiten, die sich die Arbeiterbewegung erkämpft hat, werden damit auf einen Schlag zunichtegemacht.

An welche Option glauben Sie?

Die Demokratisierung der Arbeitswelt ist eine Vision, für die es sich zu streiten lohnt. Unsere heutigen Visionen nach menschengerechten Arbeitsbedingungen und flexiblen Arbeitszeiten können durchaus die Realitäten von morgen werden.

War es schwierig, an die 18 Persönlichkeiten heranzukommen?

Hartnäckigkeit war erforderlich. Aber als einige dabei waren, wollten auch andere mitmachen. Die Idee zum Buch entstand ursprünglich aus einer Forschungsarbeit zum Thema Fachkräftemangel. Mir wurde klar, dass wir die Zukunft der Arbeit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreifen müssen, wo wir ohne Mut zu Visionen nicht weiterkommen werden. Ziel war es daher, die Architekten der neuen Arbeitswelt zusammenzuführen.

INFO: Sven Rahner: „Architekten der Arbeit. Positionen, Entwürfe, Kontroversen“, edition Körber-Stiftung 2014, 312 Seiten, 16 Euro

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