Roboter: „Ihren Job mache jetzt ich“

Roboter: „Ihren Job mache jetzt ich“
Roboter übernehmen unsere Jobs – gleichzeitig entstehen neue Tätigkeitsbereiche für uns. Eine Chance für die Produktion in Österreich.

„Ich übernehme jetzt Ihren Job“, sagte der Roboter – schon vor 250 Jahren. Er sprach es damals zwar noch nicht aus, aber seit dieser Zeit unterstützt und ersetzt die Maschine den Menschen als Arbeitskraft. Heute sprechen wir bereits von der Industrie 4.0, dem vierten großen Entwicklungsschritt der Automatisierung. Und wie schon bei jeder der vorherigen Industrie-Epochen – der Einführung der Dampfmaschine, der Erfindung der Elektrizität bis zum Zeitalter des Computers – wird auch sie ihre Tribute fordern: Jobs. Gleichzeitig bringt sie Hoffnung, denn neue Technologien schaffen auch neue Arbeitsplätze. Schließlich braucht es Menschen mit kognitiven Fähigkeiten, die diese Maschinen, Anlagen und Roboter entwickeln, bedienen, vermarkten und verkaufen.

In der Produktion, in den Fabriken und Fertigungshallen, macht man sich das schon seit Langem zunutze. Die WIFO-Studie „Arbeitsmarktchancen durch Digitalisierung“ sah sich die Arbeitsplätze in der Sachgütererzeugung zwischen 1995 und 2015 an und fand heraus: Vor allem dort, wo Menschen in manuellen Routine-Tätigkeiten arbeiten – also etwa bei der einfachen Bedienung und Wartung von Maschinen und Anlagen – gab es ein Arbeitskräfte-Minus von 37 Prozent. Jobs, die in diesen Bereich angesiedelt sind, werden wohl auch künftig an Bedeutung einbüßen, schreiben die Autoren. Laut einer OECD-Studie hätten in Österreich zwölf Prozent der Jobs ein so hohes Automatisierungsrisiko, dass sie auf lange Sicht tatsächlich aus dem menschlichen Repertoire verschwinden könnten. Laut einer IHS-Erhebung eignen sich die Jobs von neun Prozent der Österreicher, um automatisiert zu werden.

Roboter übernehmen

Einen Rückgang an menschlicher Arbeitskraft gibt es auch beim österreichischen Fensterhersteller Hrachowina. Geschäftsführer Peter Frei erklärte vor wenigen Tagen im KURIER-Gespräch, dass auch er künftig auf noch mehr Automatisierung setzt: „Wir haben in Maschinen und Roboter investiert. Der Technologiesprung verbessert Produktionsgenauigkeit und Lieferzeiten. Seit wir mehr in die Technologie investieren, brauchen wir weniger Mitarbeiter.“ Stahlhersteller voestalpine automatisiert auch immer stärker. Das neue Werk in der Steiermark soll schon voll digitalisiert sein – nur mehr 200 Menschen werden hier arbeiten.

Bei Hrachowina freut man sich, dank der Digitalisierung weiterhin „Made in Austria“ produzieren zu können. Auch voest-Chef Wolfgang Eder erklärte beim Spatenstich: „Das ist ein positives Signal für die europäische Industrie.“ Die WIFO bestätigt in ihrer Studie, was diese Unternehmen leben: „Durch die digitalen Technologien können Produktionen in Österreich gehalten werden. Die Arbeitskosten nehmen im Verhältnis zu den Kapitalkosten einen geringeren Stellenwert ein, so kann ein Unternehmen konkurrenzfähig bleiben“, erklärt Arbeitsmarkt-Expertin Julia Bock-Schappelwein vom WIFO. Das verbessere die Wettbewerbsposition gegenüber Niedriglohnländern, darüber hinaus böten sich – vor allem für große Unternehmen – neue Chancen bei Produktinnovationen und der Erschließung neuer Märkte. Positiv für den österreichischen Standort.

Und die Mitarbeiter?

Nur: Was passiert mit den Menschen, deren Arbeitskraft fortan nicht mehr gebraucht wird? Expertin Bock-Schappelwein: „Die Digitalisierung verschiebt die Beschäftigung im Unternehmen. Schritte, die automatisiert werden können, entlasten die Menschen von anstrengender körperlicher Arbeit, sie müssen dann keine monotonen, einfachen Tätigkeiten mehr machen. Die physische Arbeit wird dann etwa durch Überwachungstätigkeiten oder Qualitätssicherung ersetzt.“ Die Inhalte der Jobs werden sich also verändern, zu den Skills, die man dann braucht, zählen neben Fachqualifikation, IT-Fähigkeiten, Kommunikations-, Problemlösungs- und Interaktions-Kompetenzen. „Also alles, was uns von den Maschinen abhebt.“

Für Niedrigqualifizierte bleibt es am Arbeitsmarkt schwierig (siehe Interview mit AMS-Chef weiter unten). Profitieren könnte durch die Automatisierung hingegen die Gruppe der Älteren, sagt Bock-Schappelwein. Da die körperlich anstrengende Arbeit wegfällt und das Arbeitsunfallrisiko sinkt, könnten sie länger arbeiten. Die besten Beschäftigungschancen werden aber wohl jene haben, die abstrakte Jobs machen können, heißt es im Buch „Überall ist Zukunft“ von Sylvia Kuba. Solche analytischen und interaktiven Nicht-Routine-Tätigkeiten machen etwa Juristen, Software-Entwickler, Ingenieurwissenschaftler oder Führungskräfte. Es sind Jobs in jenen Bereichen, die auch in der Vergangenheit den größten Zuwachs verzeichneten.

Geht uns die Arbeit aus?

Welche Jobs werden sich verändern, welche kommen – oder wird uns gar die Arbeit ausgehen? Darüber machten sich in den vergangenen Tagen kluge Köpfe beim St.-Gallen-Symposium „Beyond the end of work“ und der „Republica“ in Berlin, Gedanken. Caspar Hirschi, Professor für Geschichte in St. Gallen, besänftigte die Schwarzmaler in einem Gastbeitrag in der nzz: „Wir blicken auf 130 Jahre der maschinellen Datenverarbeitung zurück und trotz enormer Fortschritte fehlen bis heute konkrete Anhaltspunkte, dass den Menschen deswegen die Arbeit ausgehen könnte.“

„Roboter kosten überall gleich viel“

Mehr Industrie: AMS-Chef Johannes Kopf sieht die Zukunft für den Standort Österreich positiv

Roboter: „Ihren Job mache jetzt ich“

KURIER: Je mehr  die Maschinen übernehmen, desto weniger Personal ist notwendig. Macht das den Standort Österreich wieder attraktiv?
Johannes Kopf:
Tatsächlich finden wieder  Rückverlagerungen der Produktion nach Österreich statt. Weil die Frage der Personalkosten, bislang immer das Argument gegen eine Produktion im Land, unwichtiger wird. Es kann sogar sein, dass die Roboter, die woanders jemanden den Job wegnehmen, bei uns gebaut werden.

Die Digitalisierung macht wettbewerbsfähiger?
Ja. Mit steigender Automatisierung steigt die Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschafts- und Produktionsstandortes. Weil Roboter kosten überall gleich viel. Und die Frage nach qualifiziertem  Personal, das diese Roboter bedienen kann, löst man am besten in Österreich.  

Wie berechtigt ist trotzdem die Angst, dass mit dem technologischen Fortschritt Jobs verloren gehen?
Sie ist berechtigt – und zwar im großen Stil. Weil es zu einer Verlagerung von Arbeit kommt. Wir haben seit der ersten disruptiven Veränderung, der Erfindung der Dampfmaschine, immer das gleiche Szenario gesehen: viele Menschen haben jedes Mal ihre Jobs verloren. In Summe ist die Menge an bezahlter Arbeit aber immer größer geworden.

In welchem Sektor zum Beispiel?
Etwa in der Telekommunikation: 1913 gab es zwischen 3000 und 4000 Mädchen vom Amt, die die Telefonverbindung hergestellt haben. Dann hat man selbst wählen können und die Damen waren alle arbeitslos. Aber die Telekommunikation ist so viel billiger und massentauglich geworden, dass dort insgesamt viel mehr Menschen arbeiten.

Das zeigt auch die Statistik:  In den vergangenen 20 Jahren hat die Zahl der Arbeitsplätze in Österreich zugenommen. 2015 waren  471.000 Personen mehr beschäftigt als 1995 (444.000 Vollzeitäquivalente). Interessant ist, dass in stärker digitalisierten Branchen mehr Jobs entstehen als wegfallen.  
Die Digitalisierung und Automatisierung findet jetzt statt, wir stecken mittendrin. Wir haben aber steigende Beschäftigungszahlen. Auch das erste Quartal 2018 zeigt das. Meine Prognose für 2018: wir übertreffen des Vorkrisenniveaus 2008 an gesamt geleisteten Arbeitsstunden.

Stehen die Chancen für Österreich besonders gut?
Ich glaube schon, weil unsere Wettbewerbsfähigkeit steigt. Wir haben die qualifizierten Arbeitskräfte, die die Maschinen bedienen können. Aber das heißt es eben nicht für die ganze Welt: für die Näherinnen in Bangladesch kann es mit der Automatisierung auch schlecht aussehen.  
 
Wird es zu einer stärkeren Polarisierung am Arbeitsmarkt zwischen Hoch- und Niedrigqualifizierten und zwischen normalen und prekären Arbeitsverhältnissen kommen?
Damit ist leider zu rechnen. Wo uns schon bisher die Arbeit „ausgeht“ ist bei den Niedrigqualifizierten. Dort haben sich die Arbeitslosenquoten in 25 Jahren fast verdreifacht. Auch ermöglichen neue technologische Möglichkeiten nicht nur segensreiche Flexibilität. Themen wie Crowdworking oder das Outsourcen von bisher regulären Arbeitsplätzen bieten auch das Potenzial zur Prekarisierung.

Wie kann man das ausgleichen?
Im Wesentlichen durch bessere Bildung.

Das wichtigste Kriterium für die Berufswahl heute?
Umfassende Information und Beratung. Eine erfolgreiche Berufswahl wird meist dadurch getroffen, dass man die eigenen Interessen und die Arbeitsmarktchancen berücksichtigt. Die wichtigste Fähigkeit für den Arbeitsmarkt der Zukunft? Die Lernfähigkeit.

-Sandra Baierl

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