Raus aus der Arbeitslosigkeit - es geht!

Raus aus der Arbeitslosigkeit - es geht!
Wer lange arbeitslos ist, zweifelt an sich und allem ringsum. Der Weg zurück ins Jobleben ist schwierig – aber es gibt ihn.

Die Sicherheit ist unser oberstes Gebot", sagt Harald Lechleitner und zieht den Fahrradschlauch vom Radreifen ab. Seit März hat der ehemalige Wirt nach jahrelanger erfolgloser Jobsuche im Gastgewerbe einen Job in einem Radverleih  bekommen. Geschafft hat er das über den persönlichen Kontakt.

Sicherheit – die ist nach dem Jobverlust mit Sicherheit als Erstes weg. Auch wenn das AMS Wien dieser Tage erfreut mitteilt, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen  im Jahresvergleich  um fast die Hälfte gesunken (–48,2 Prozent) ist: Die Statistik ist dem Betroffenen herzlich egal.  AMS Wien-Chefin Claudia Finster begründet die Zahlen damit, dass stärker in "maßgeschneiderte Beschäftigungsförderungen" für Unternehmen investiert wurde, um   "auch jenen Menschen wieder eine Chance zu geben, die lange vom Arbeitsmarkt weg waren." Martin Mair von der Initiative "Aktive Arbeitslose" übt  altbekannte Kritik: Die Statistiken würden geschönt, mit ebensolchen Projekten in sozialökonomischen Betrieben und über  AMS-Kurse.

Je länger die Phase der Arbeitslosigkeit andauert, desto niedriger das  Selbstvertrauen, desto weniger werden die gesellschaftlichen Kontakte. Später kommen Schulden, Wohnungsprobleme, psychische oder physische Probleme dazu.  Alter, Krankheit, Betreuungspflichten erschweren die Jobsuche.   Unsere Recherche ergab: Die Betroffenen haben oft eine lange Odyssee an AMS-Schulungen und  Beratungen hinter sich. Lange arbeitslos zu sein trifft aber längst nicht nur die weniger gut Qualifizierten, wie das Beispiel von Frau H. zeigt: Sie  ist hoch qualifiziert, hat internationale Erfahrung – und war dennoch fast ein Jahr ohne Arbeit.

"Wir betreuen auch qualifizierte Facharbeiter, sogar einige Akademiker", bestätigt Oliver Holub, Leiter des AMS-finanzierten Projekts Verde der Beratungseinrichtung Context in Wien, die  Gruppe der Langzeitarbeitslosen quer durch alle Schichten. "Das größte Problem ist das mangelnde Selbstbewusstsein der Betroffenen", sagt Holub.  Bei Context setzt man auf die Ressourcen der Teilnehmer und Vertrauensarbeit. Seit dem Start  vergangenen September  wurden von  320 Teilnehmern 137 erfolgreich vermittelt.  Die soziale Lage wird einbezogen, man bietet  u. a. Schuldnerberatung an.

Im  AMS-geförderten Projekt Service vier des sozialökonomischen Personalservice Itworks werden Arbeitslose  an Betriebe überlassen. "Nach sechs Monaten werden sie in der Regel vom Betrieb übernommen", sagt Geschäftsführerin Gudrun Höfner.  Vermittelt werden vor allem Hilfsarbeiten. Ein erster Schritt zurück ins Arbeitsleben, der für viele eine Chance ist, wenn auch zu wenig rosigen Bedingungen: Der Kollektivvertrag BABE, der für die Überlassungszeit gelte,   sei weit schlechter als der Transitarbeitskräfte-KV, der eigentlich gelten müsse, kritisiert Martin Mair.

 

Tipps gegen die Negativspirale

Trotz schwieriger Ausgangslage sollten Jobsuchende selbst aktiv bleiben:

Hilfe annehmen Es ist keine Schande, arbeitslos zu sein.  Heulen Sie sich bei Freunden aus, schreiben Sie auf, was Sie gut können, bleiben Sie selbstbewusst. Fragen Sie Ihren AMS-Berater nach weiterführender Beratung oder investieren Sie in Coaching. Nehmen Sie Absagen nicht  persönlich, oft liegt es nicht an Ihnen.

 Betroffene treffen Sie sind nicht allein. Tauschen Sie sich mit anderen aus, besuchen Sie Selbsthilfegruppen (www.arbeitslosennetz.org).

Kontakte nutzen Die Job-Inserate in Print und Web sind die Basis für die Jobsuche. Und:  Manche Stellen werden gar nicht ausgeschrieben. Hören Sie sich deshalb bei Freunden, Bekannten, ehemalige Arbeitskollegen nach Jobs um.

"Habe mehr Selbstbewusstsein"

Raus aus der Arbeitslosigkeit - es geht!

Das CV: Nach seinem Hauptschulabschluss begann Herbert Sidlo als Bauhelfer zu arbeiten. Mehrere Jahre war er bei einer Baufirma tätig. Schließlich ging sie 2005 pleite.  Mit einem Schlag war der vermeintlich sichere Job weg.  

Die Suche:  Der heute 27-Jährige war insgesamt fünf Jahre auf Jobsuche, hatte zwischendurch Gelegenheits - und Zeitarbeitsjobs.

Der Weg zurück: „Ich habe nicht aufgegeben, bin ein positiver Mensch“, sagt Sidlo. Und er nahm Hilfe von Service 4 an, einem sozialökonomischen Projekt der Einrichtung Itworks, die ihm vom AMS Wien vermittelt wurde. Hier werden Langzeitarbeitslose nach sechswöchiger Vorbereitung an Betriebe „verliehen“, um Joberfahrung zu sammeln.  Sidlo wurde an verschiedene Betriebe überlassen, nach einem halben Jahr bei der Firma Reifen Kiefer wurde er vom Unternehmen im April übernommen. Er sagt: „Mein Selbstbewusstsein ist jetzt schon ganz anders als damals in der Arbeitslosigkeit.“ Und strahlt.

"Habe Job selbst gefunden"

Das CV: Harald Lechleitner, 53 Jahre alt, lernte im Hotel Sacher Koch. Gleich danach machte er sich selbstständig, eröffnete 1980 das erste „Vorarlberger Bierbeisl“, hatte mehrere Gastwirtschaften, zuletzt das Beisl „Auszug“ im neunten Wiener Gemeindebezirk. Irgendwann blieb die Kundschaft aus – er sperrte zu.

Die Suche: Mehrere Jahre war Lechleitner auf Jobsuche, „wie viele genau, weiß ich gar nicht mehr.“  im Gastgewerbe wollte man ihn nicht, „ich war den meisten Arbeitgebern zu alt oder sie wollten mich schwarz arbeiten lassen.“

Der Weg zurück: Vor einem Jahr kam Lechleitner in das Projekt Verde für arbeitsmarktferne Personen. „Mein Betreuer hat mich verstanden“, sagt er. Seit März arbeitet er in Vollzeit beim  Radverleih Copa Cagrana auf der Donauinsel. „Ich bin der Erste, der kommt, und der Letzte, der geht.“ Gefunden hat er den Job selbst, weil er den Betreiber  kennt. Lechleitner  rät Arbeitslosen: „Man sollte auch kleine Jobs annehmen, um im Arbeitsleben zu bleiben.“

"Orientierung war hilfreich"

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Das CV: Irmgard H. war nach vier Jahren in Dänemark in Österreich einem US-Pharmakonzern als Global Marketing Manager tätig, ehe sie der „Restrukturierung“ zum Opfer fiel. Sie spricht vier  Fremdsprachen – „in Österreich bringt internationale Erfahrung   nicht viel“, sagt sie. Gesucht würden meist Leute mit regionalem Know-how.

Die Suche: Vom Unternehmen erhielt die 43-Jährige ein Coaching über die Outplacement-Beratung DBM. „Ich wurde in keiner Phase alleingelassen“, sagt sie. Der Coach half bei  Neuorientierung,  Jobsuche und Bewerbung. „Das war sehr hilfreich, er hat mit mir meine Stärken und Schwächen und meine beruflichen Ziele analysiert, Videotrainings für die Bewerbung gemacht“, erzählt sie.  „Ich rate jedem, sich für ein paar Stunden einen Coach zu nehmen.“

Der Weg zurück: Gefunden hat Frau H. ihren neuen Job in einem kleinen Pharmaunternehmen ganz traditionell über ein Stelleninserat. Die neue Stelle tritt sie nächste Woche an.

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