Eine echte Krise
Eine fehlende Wand in einem Flugzeug ist unbestritten eine Krise. Wobei das Wort inflationär verwendet wird, mahnt PR-Expertin Michaela Hebein. Zunächst müsse man bewerten, ob es sich tatsächlich um eine Krise handelt. Per Definition sind das nicht-erwartete, schwer zu bewältigende Ereignisse, die stark einschränkend oder sogar existenzbedrohend sind. Wie eben bei Boeing.
Für PR-Beraterin Silvia Grünberger ist die Prävention ein wichtiger Teil der Krisenkommunikation: „Vorab muss man mögliche Krisenfälle durchdacht haben und Kommunikationspläne in der Schublade bereithalten.“ Denn in Krisenzeiten kommt einiges auf Unternehmen zu. Große Medienaufmerksamkeit und eine unzufriedene Öffentlichkeit etwa. „Anders als bei internen Krisen hat man hier eine andere Bühne und Dynamik. Das muss bedacht werden“, sagt auch Michaela Hebein.
Daher stellt sich zuerst die Frage: Wer darf reden? Denn Untertauchen ist keine Option. Das gilt besonders für das Management: „Ein Krisenfall ist Chefsache“, so Grünberger. Sofern Vorsitzende verfügbar sind, müssen sie sich auch zu Wort melden – möglichst schnell sogar. Von Boeing-Chef Dave Calhoun hörte man zunächst nichts. Stattdessen war Jennifer Homendy, Vorsitzende der US-amerikanischen Transportsicherheitsbehörde öfter präsent. Sie versicherte in Interviews, dass das US-Luftfahrtsystem das sicherste der Welt sei. Der „Goldstandard für Sicherheit“ gar.
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Erst fünf Tage nach dem Vorfall meldete sich Boeing-Chef Calhoun zu Wort. Mit glasigen Augen und zitternder Stimme mahnte er seine Mitarbeiter, dass bei Flugsicherheit jedes Detail zählt: „Wie ihr, habe ich Kinder und Enkelkinder. Solche Dinge sind wichtig. Wir werden uns dieser Sache im ersten Schritt nähern, indem wir unseren Fehler eingestehen.“
Einen möglichen Grund für die Hinauszögerung seiner Stellungnahme bietet Michaela Hebein: „Während einer Krise weiß man zunächst sehr wenig über den Vorfall.“ Und eine Grundregel der Krisenkommunikation ist: Nur das ansprechen, was zu hundert Prozent belegbar ist. Immerhin will man Vertrauen zurückgewinnen und „mit vorschnellen Aussagen, die sich als falsch herausstellen könnten, fällt das schwer.“
Was aber auf keinen Fall bedeutet, dass man schweigen sollte, betont Silvia Grünberger. Wenn man Fragen nicht beantworten kann, sollte man transparent zugeben, dass es aktuell nicht genug Informationen dazu gibt.
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Sorry, oder so …
In der PR gibt es die alte Regel, dass CEOs nur gute Nachrichten überbringen. Die Schlechten würden Unternehmenssprecher übernehmen. Das funktioniert aber nicht immer. Bei Entschuldigungen kommt es beispielsweise selten gut an, wenn der Pressesprecher vorgeschoben wird. „Damit es einen Wert hat, muss das Management sprechen“, bestätigt Hebein.
Noch schlechter komme aber eine schlechte Entschuldigung an, wie der Modekonzern Zara am eigenen Leib erfahren musste. Ihre jüngste Kampagne bestand aus in weißem Plastik eingewickelten Mannequins, die laut Kritikern an Bilder von Verstorbenen aus dem Gaza-Konflikt erinnerten. Zara zog die Kampagne nach heftigen Boykotten wieder zurück.
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In ihrer Stellungnahme wurde betont, dass die Bilder einen künstlerischen Prozess darstellen sollten: „Leider fühlten sich einige Kunden durch diese Bilder angegriffen und sahen in ihnen etwas, das weit von dem entfernt war, was bei der Erstellung beabsichtigt gewesen ist. Zara bedauert dieses Missverständnis.“ Auf die Aussage folgte noch mehr Kritik. „Sorry, dass ihr euch aufregt, ist keine Entschuldigung“, heißt es auf sozialen Plattformen.
Aus dem Grund sollte man laut Expertinnen Verantwortung übernehmen: „Das Wegschieben von Verantwortung behindert die künftige Kommunikation mit Zielgruppen“, erklärt Hebein. Außerdem bleibe ein schlechter Umgang mit Krisenfällen länger in Erinnerung. Grünberger: „Ziel ist es, die Reputation wiederherzustellen. Wenn es dann heißt ‘Chapeau, wie die Firma damit umgangen ist‘, hat man das Beste aus der Situation gemacht.“
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