Die Alarmglocken schrillen. Das Transportgewerbe sucht Mitarbeiter und findet zu wenige. In den nächsten zehn Jahren rechnet Alexander Klacska, WKO-Bundesspartenobmann für Transport und Verkehr, 25 Prozent der Beschäftigten zu verlieren und 20.000 Stellen nicht besetzen zu können. Geschuldet wäre das der Demografie. Geburtenschwache Jahrgänge lösen geburtenstarke ab. Doch das Interesse an der Branche scheint allgemein getrübt.
Ein österreichisches Phänomen ist das nicht – auch das Ausland ist leergefischt. 745.000 offene Stellen erwartet man europaweit bis 2028 im Lkw-Bereich. Im Wettbewerb um Arbeitskräfte aus Drittstaaten habe Österreich aber nicht geschafft, sich in der Schlange anzustellen, sondern die Türen zugemacht, kritisiert Klacska.
Man muss also auch für Einheimische attraktiver werden. Für die Jungen, die den Beruf kaum mehr ins Auge fassen. Und für Frauen, die bis heute maximal zwei Prozent der heimischen Lkw-Lenker ausmachen, schätzt der Obmann. Auch wenn mittlerweile jeder zehnte Lkw-Führerschein von einer Frau gemacht wird.
Klacska und Branchenkollegen werden deshalb nicht müde, die Vorzüge des Lkw-Fahrens zu betonen. Da soll es einige geben, auch weil sich das Berufsfeld in manchen Teilen sehr zum Positiven verändert hat.
Lkw-Fahren: Ein Nine-to-five-Job?
Wochenlang auf internationalen Straßen unterwegs, die Familie kaum zu Gesicht bekommen – dieses Bild soll veraltet sein. „In Österreich gibt es das Thema Fernverkehrsromantik eigentlich nicht mehr“, sagt Klacska. Denn bei der kompletten Menge an Gütern, die auf Österreichs Straßen transportiert wird (Transit inklusive) haben 70 Prozent unter 150 Kilometer zurückzulegen. Die Hälfte sogar weniger als 50 Kilometer. „Das österreichische Kennzeichen ist, dass wir im Regional- und Zustellverkehr tätig sind.“
Wer abends im eigenen Bett statt im Truck schlafen will, dem stünde diese Möglichkeit offen. „Ein geregeltes Leben wie am Bankenschalter oder in Bürojobs“, fasst der Obmann zusammen. Und somit ideal mit Betreuungspflichten vereinbar. Ob das in der Praxis wirklich so gelebt wird?
Im Gespräch mit vier Lenkerinnen (siehe Geschichte unten) lässt sich heraushören, dass diese Planbarkeit möglich ist. Nur eben nicht überall. Es sind der enorme Zeitdruck und die Entlohnung, die dem geregelten Berufsalltag oft einen Strich durch die Rechnung machen, berichtet Markus Petritsch von der Gewerkschaft vida. Die Entlohnung wäre vor Jahren „stehen geblieben“ und liegt in der ersten Gehaltsstufe bei rund 2.000 Euro brutto.
Durch Tagesgelder und Überstunden ließe sich ein ordentliches Gehalt von bis zu 3.000 Euro netto herausholen, aber die sind wie das Trinkgeld für den Kellner und rechnen sich nicht auf die Pension. Das weiß die Branche und zieht nach. Zahlt häufig über dem Kollektivvertrag. Manche Betriebe übernehmen bei Anfängern und Quereinsteigern sogar die Kosten für den Führerschein.
Vor allem die reguläre Frächterei, die Spedition und Abfallwirtschaft wären positive Vorbilder in der Branche. „Sie zahlen deutlich mehr, man ist jeden Abend daheim, hat maximale Arbeitszeiten von zehn, zwölf Stunden. Die täglichen Touren sind durchgetaktet und man ist keinen Disponenten ausgesetzt, die spontan neue Aufträge verteilen“, erklärt Petritsch.
Mehr Solidarität gewünscht – aber nicht unter den Fahrern
Schwarze Schafe, die zu wenig zahlen und unrealistische Lieferzeiten abverlangen, gibt es trotzdem. „Aber das spricht sich rum“, so Petritsch. Denn man tauscht sich aus, der Zusammenhalt unter den Kolleginnen und Kollegen ist groß. „Das sieht man selten in anderen Branchen“, so Petritsch.
Eine Solidarität, die man sich auch von der Außenwelt wünschen würde. Das Image vom König der Straßen ist Vergangenheit. Heute würde – auch aufgrund der notwendigen Reduktion von CO2-Emissionen – kritisiert, dass zu viele Lkw auf der Straße sind. Sie die Städte versperren und die Umwelt verpesten, beobachtet Petritsch und findet das, wie so viele in der Branche, schade.
„Es ist ein irrsinnig wichtiger Beruf“, sagt er. Die Schiene legt im Güterverkehr zwar an Bedeutung zu. Mehr als zwei Drittel werden aber immer noch über Österreichs Straßen transportiert und die Versorgung sichergestellt. Gab es in der Pandemie dafür noch Applaus, ist dieser mittlerweile verhallt, sagt Alexander Klacska: „Aber wir arbeiten auch im Stillen weiter.“
Der KURIER hat nachgefragt:
Wie geregelt und flexibel ist Lkw-Fahren wirklich und bleibt genügend Zeit für die Familie? Vier Lenkerinnen berichten
Nach Hause fährt Helena Kovacic (linkes Bild oben) nur auf Besuch. Ihre tatsächlichen vier Wände sind der Lkw, von Montag bis Freitag. Rund 3.000 Kilometer legt sie in dieser Zeit mit ihrem 40-Tonner zurück. Transportiert für „Pircher & Pircher" (Tochterunternehmen der Förster Group) quer durch Österreich und ins umliegende Ausland alles, was Räder hat: vom Stapler bis zum Golfclub-Rasenmäher . Insgesamt 15 Jahre sitzt sie schon hinterm Steuer eines Schwertransporters, war sogar Teil der ATV-Serie „Trucker Babes“.
Als Kovacic mit zwanzig Jahren ins Geschäft einstieg, war es noch eine Männerdomäne. Ungute Sprüche waren an der Tagesordnung, sie musste darum kämpfen, akzeptiert zu werden. Ein Relikt, denn heute sind Frauen im Lkw zwar selten, aber „ganz normal“ und wertgeschätzt – etwas, das auch die anderen Lenkerinnen bestätigen, mit denen der KURIER gesprochen hat. Für ihre Familie pausierte Helena Kovacic dennoch einige Jahre. Kinder großziehen und Lkw-Fahren wäre unmöglich, sagt sie. Außer in speziellen Bereichen. Etwa in jenem von Alexandra Calcai (rechtes Bild oben).
Seit zwei Jahren transportiert die gelernte Verkäuferin Milch für „Reder Transporte“. Sie arbeitet Vollzeit, klappert an drei bis vier Tagen, dafür rund 14 Stunden am Tag, Molkereien und Bauern in Niederösterreich ab. Abends kehrt sie zu ihrer neunjährigen Tochter heim. „Es ist ein guter Job“, sagt Calcai, die sich zu hundert Prozent sicher ist, diesen bis zur Pension ausüben zu wollen. Denn eigentlich war das schon immer ihr Traum, erzählt sie. Unterstützt vom AMS machte sie im Sommer 2022 den C-Führerschein. „Eine verrückte Idee“, dachte sie. An einem Freitag bestand sie die Prüfung. Am Montag dann der erste Arbeitstag.
„Es ist sehr schwierig, als Führerscheinneuling von einer Firma genommen zu werden“, berichtet Ramona Hofer (linkes Bild oben). Sie kommt ursprünglich aus der Gastronomie, arbeitete auf einer Almhütte und stieg vor fünf Jahren auf den Lkw um. Seit 2022 ist sie bei „Hofmann & Neffe" für einen Kunden im Werkverkehr tätig. Als Neuling hätte sie diesen nicht betreuen können, erzählt sie. „Es gibt viele Engstellen, da muss man erfahren sein, sonst reißt man alles nieder. Geradeaus fahren, kann jeder. Aber das Rangieren ist herausfordernd.“
Hofer hat eine klassische Fünf-Tage-Woche, jeden zweiten Samstag fährt sie auch. „Das ist natürlich freiwillig", erklärt sie. „Je mehr Stunden, desto mehr Geld verdient man.“ Zum Lkw kam sie durch ihren Vater. Ein Fernfahrer, der höchstens jedes zweite Wochenende die Familie zu Gesicht bekam. Schon als Kind war Ramona Hofer in den Ferien mit ihm unterwegs. Nach Helsinki, Spanien oder Italien. Wochenlang auf Rädern zu sein, käme für sie selbst nicht infrage. „Ich habe zwar keine Kinder, aber einen Hund.“ Eine 14-jährige Hundedame, die lange Ausfahrten früher auf dem Beifahrersitz begleitete, aber heute lieber gemütlich daheim auf ihr Frauchen wartet.
Was alle Lkw-Fahrerinnen an ihrem Beruf schätzen?
Die Freiheit und Selbstständigkeit. „Ich habe keinen Chef, der mir im Nacken sitzt“, sagt Renate Schütz (rechtes Bild oben), die wie Alexandra Calcai für „Reder Transporte" in Oberösterreich fährt. „Es ist genau, wie ich es mir vorgestellt habe“, schwärmt Schütz, die vor einem Jahr durch ihren Bruder angeworben wurde. Und prompt den Führerschein und die Qualifikationsprüfung nachholte. „Ich bin kein Büromensch, das habe ich ausprobiert“, sagt sie. Viel lieber nimmt sie etwas weniger Planbarkeit in Kauf, denn „fixe Arbeitszeiten gibt’s bei dem Beruf nicht“, stellt sie mehrfach klar.
Dass manche deshalb abgeschreckt sind, in die Branche einzusteigen, kann sie nachvollziehen. Denn die Arbeit ist schön, aber auch anstrengend. „Früher war es der bestbezahlte Job“, erinnert sich „Trucker Babe“ Helena Kovacic zurück. „Aber das ist er lange nicht mehr für die Leistung, die wir bringen.“ Die Verantwortung, die man trägt, wäre schließlich groß. „Pkw-Fahrer nehmen keine Rücksicht, schneiden einen und dann darf man sich mit 40 Tonnen einbremsen.“
Wünschen würde sich Kovacic eine Entlohnung, von der sie auch in der Pension gut leben kann. Und: Mehr Akzeptanz. Nicht von männlichen Kollegen – die hat sie längst. Von den Menschen, die es als selbstverständlich erachten, Nahrung, Baumaterial oder Kleidung schnell zu bekommen. Aber nicht wissen, wer ihnen all das liefert.
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