93 Prozent der Lkw überschreiten Tempolimits: Wer ist schuld?

93 Prozent der Lkw überschreiten Tempolimits: Wer ist schuld?
Aufregung um neue Studie: Arbeiterkammer sieht Fahrer unter Zeitdruck, Frächter widersprechen

Wer auf Österreichs Autobahnen unterwegs ist, dem ist sicher schon aufgefallen: Lastwagenfahrer nehmen es mit den Tempolimits nicht immer so genau. Den Eindruck bestätigt auch eine Studie der Technischen Universität (TU) Graz und dem Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) im Auftrag der Arbeiterkammer (AK), die in der Transportbranche für Aufregung sorgt.

Demnach überschreiten 93 Prozent aller Lkw über 3,5 Tonnen auf Autobahnen die zulässige Höchstgeschwindigkeit von tagsüber 80 km/h und nachts 60 km/h regelmäßig. Für die Studie wurden an fünf Tagen die Fahrgeschwindigkeiten von 6.330 Lkw an fünf Zählstellen auf heimischen Autobahnen erhoben. 2-achsige Lastwagen fuhren über die fünf Messstellen hinweg zwischen 89,9 und 90,1 km/h, bei 3-achsigen Lkw lag die Geschwindigkeit zwischen 87,1 und 90,2 km/h. Geschwindigkeiten von mehr als 95 km/h konnten jedoch nicht gemessen werden. 

"Nacht-60er" teils geringfügig, teils deutlich überschritten

Erstmals untersucht wurde auch die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h für Lkw über 7,5 t („Nacht-60er“) auf Autobahnen zwischen 22.00 und 5.00 Uhr. Da eine eigene Auswertung für Lkw in der Nacht schwierig war, heißt es in der Studie, dass das Tempolimit „teils geringfügig, teils deutlich“ überschritten wurde.

AK: Situation wie im Wilden Westen

Die Arbeiterkammer vermutet hinter der Nicht-Einhaltung der Tempolimits System und prekäre Arbeitsbedingungen. „Nicht zuletzt aufgrund mangelnder Kontrollen der Frächter erinnert die Situation im Straßengüterverkehr oft mehr an einen Wilden Westen“, sagt Lukas Oberndorfer, AK-Abteilungsleiter Umwelt und Verkehr. 

Recherchen würden zeigen, dass sich nicht alle Frächter an die Gesetze halten und Lkw-Fahrer unter Druck setzen. Auch Bezahlung nach gefahrenen Kilometern soll es geben. Die Messungen würden belegen, dass die eingebauten Geschwindigkeitsbegrenzer auf eine höhere Geschwindigkeit eingestellt sind, denn gestraft werde erst, wenn das Tempolimit um mehr als 5 bis 10 km/h überschritten werde.

Branchenverband spricht von „Lkw-Bashing“

Die Arbeitgeber weisen den Vorwurf empört zurück. Mit der neuen Studie der TU-Graz im Auftrag der AK werde „höchst entbehrliches Lkw-Bashing betrieben“, schreibt der Fachverband Güterbeförderungsgewerbe in der Wirtschaftskammer (WKO) in einer Aussendung. Der Kollektivvertrag sorge dafür, dass Fahrern kein Druck gemacht werden kann, zeigt sich Fachverbandsobmann Markus Fischer „mehr als verwundert über Halbwahrheiten der Arbeiterkammer, die die Arbeitsrealitäten von Lkw-Fahrern betreffen“.

Positive Klima-Effekte

Würden alle Lkw auf Österreichs Autobahnen die gesetzlich vorgeschriebenen Tempolimits einhalten, könnten laut Studie bei gleicher Verkehrsleistung knapp 200.000 Tonnen CO2 eingespart werden. Das entspricht in etwa dem Jahresausstoß von 10.000 Pkw. Außerdem würde das während des Tages 15 Prozent weniger Lärm und in den Nachstunden im Vergleich zum Tag sogar 44 Prozent weniger Lärm bedeuten. Das Kuratorium für Verkehrssicherheit verweist zudem auf ein deutlich geringeres Unfallrisiko und etwa um zehn Prozent weniger Unfälle mit Personenschaden. Langsameres Fahren bedeutet auch weniger Stress.

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