Frauen zwischen Beruf und Familie

ARCHIV - ILLUSTRATION - Eine Frau steht in Berlin und erklärt eine mittels Beamer an die Wand projezierte Statistik (Archivfoto vom 07.12.2010). Nach wochenlangem internen Streit hat die EU-Kommission eine Frauenquote für Europas börsennotierte Unternehmen vorgeschlagen. Das Gremium nahm am 14.11.2012 einen Gesetzesentwurf von EU-Justizkommissarin Reding an. Foto: Tobias Kleinschmidt dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Frauen können wählen: Zwischen Beruf und Familie oder der Vereinbarkeit beider Welten. Dafür wurde in den vergangenen 15 Jahren einiges getan – eine Betrachtung.

Morgens auf urbanen Straßen: Der Anzugträger hastet ins Büro, der Karenzvater amüsiert sich am Spielplatz mit seinem Einjährigen, die Hausfrau hastet in den Supermarkt, die Topmanagerin übergibt ihre Kleinsten der Nanny. Verschiedene Menschen, verschiedene Lebensmodelle. Vieles ist möglich geworden, aber:

Backlash in der Gesellschaft So bunt das eingangs gezeichnete Bild ist – das Denken der Österreicher ist in Sepia getaucht. Frauen sollen sich um Kind und Haushalt kümmern, Männer ums Geldverdienen: Diese Ansicht hat immer mehr Anhänger, laut Spectra-Umfrage jeder zweite Österreicher – und jede zweite Österreicherin. Tatsache ist: Im öffentlichen Diskurs und im realen Leben bleibt das Thema Vereinbarkeit auf Frauen konzentriert.

Firmen denken um In den vergangenen 15 Jahren wurden in den Firmen Frauenprogramme geschaffen, flexible Arbeitszeiten, Homeoffices sind im Kommen. Ganz oben haben aber noch immer Männer das Sagen. Nur 5,6 Prozent der Vorstände in den 200 größten heimischen Unternehmen sind Frauen – bei den Aufsichtsräten sind es 13,7 Prozent. Auch aus Imagegründen suchen Firmen gezielt Managerinnen – sie sind aber schwierig zu finden, weil es auf den unteren Ebenen nur wenige gibt.

Arbeitsmarkt braucht Hirn Mehr als die Hälfte der Studienabsolventen sind Frauen. Um ihr Know-how nicht zu verlieren, müssen Unternehmen Frauen im Job halten, nach der Karenz frühzeitig einen Wiedereinstieg ermöglichen. In Wahrheit bedeutet die Babykarenz einen Karriereknick. Doch Firmen können es sich im Kampf um die besten Talente nicht leisten, auf Hochqualifizierte zu verzichten.

Politik macht’s vor Das neue Gleichbehandlungsgesetz hat Verbesserungen gebracht: Verpflichtende Einkommensberichte in Unternehmen sollen Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern aufdecken, staatsnahe Unternehmen haben sich freiwillig eine Frauenquote in Aufsichtsräten auferlegt.

Betreuungsmängel Kinderbetreuung ist seit Jahrzehnten ein Politikum. Die Vorgaben der EU, bis zum Jahr 2010 für 33 Prozent der Unter-Dreijährigen Betreuungsplätze zu schaffen, ist heute mit 19,7 Prozent noch nicht erreicht, wie eine Studie des Instituts für Familienforschung zeigt. Versorgungslücken bestünden v. a. bei Kindern unter 1,5 Jahren. Auch bei den Öffnungszeiten hapert es: Nur zwei Drittel der Einrichtungen haben bis mindestens 16.00 Uhr geöffnet, Ferienschließungen sind ein Problem.

Früher arbeitete Regina Prehofer 80 Stunden pro Woche, reiste viel. Heute macht die 56-jährige Vizerektorin der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien ihren Job auch gerne von zu Hause aus. Ihre steile Karriere im Bankensektor begann sie gleich nach dem Handels- und Jusstudium als stellvertretende Leiterin der Rechtsabteilung in der Kontrollbank. 2003 kam sie in den Vorstand der Bank Austria Creditanstalt, von 2008 bis 2010 war sie im Vorstand der BAWAG P.S.K. Seit 2011 ist sie an der WU-Wien.

KURIER: Mit welchen Reaktionen waren Sie als Frau im Top-Management konfrontiert?
Regina Prehofer:
Die Reaktionen waren immer positiv. In den Banken war ich die erste Frau im Vorstand. Die Unicredit, die BAWAG P.S.K. waren stolz darauf, Vorreiter zu sein. Als ich in den Vorstand der Bank Austria kam, haben mir Manager von Kundenseite gratuliert, von denen ich das nicht erwartet hätte.

Standen Sie je vor der Entscheidung: Kind oder Karriere?
Die Frage hat sich nie gestellt. Ich habe gar nie so einen besonderen Kinderwunsch gehabt, mein Mann genauso wenig. Es gab nie die Entscheidung für die Karriere, gegen das Kind.

Wäre Ihre Karriere mit Kindern genauso verlaufen?
Das wäre nicht einfach, aber möglich gewesen. Als ich die Osteuropa-Verantwortung in der Bank Austria hatte, habe ich viele Dienstreisen gemacht – zwei, drei Tage in der Woche. Das hätte sich mit Kindern schwer vereinbaren lassen. Aber damals war ich auch schon über 40.

Die größten Hürden?
Die gab es nicht. Die wesentlichen Karriereschritte habe ich in der zweiten Hälfte der 1990er- und in den 2000er-Jahren gemacht. Das waren Boomzeiten. Man konnte sich beweisen.

Was haben Sie richtig gemacht?
Ich habe meinen Vorgesetzten immer signalisiert, dass ich etwas gestalten will. Falsche Bescheidenheit bringt nichts. Ich stehe zur Macht.

Kommen Frauen heute leichter in Spitzenpositionen als vor zwanzig Jahren?
Der Frauenanteil war damals viel geringer. Viel Bewusstseinsbildung hat seither stattgefunden. Vor zehn Jahren war ich aber optimistischer, dachte, dass mehr Frauen in Top-Positionen von Konzernen kommen.

Ist es heute leichter, Familie und Karriere zu vereinbaren?
Es gibt mehr Bewusstsein, die Kinderbetreuungsangebote sind heute besser, aber keineswegs dort, wo sie sein sollten. Man braucht Unterstützung vom Partner, sonst kommt schlechtes Gewissen auf. Meinem Mann verdanke ich viel.

Was raten Sie Frauen, die ins Management streben?
Ich rate zu guter Ausbildung, Hartnäckigkeit, Standvermögen, Selbstbewusstsein. Und man darf die Bodenhaftung nicht verlieren.

Kann man in Teilzeit managen?
Das ist schwierig. Aber für zwei Jahre „nur“ 30 oder 40 Stunden arbeiten zu dürfen, wäre wichtig – auch für Männer. Arbeit wird zu sehr mit Anwesenheit gleichgesetzt.

Seit 2009 ist Judit Havasi, 38, im Vorstand der Wiener Städtischen. Jeden Morgen um 7.15 Uhr bringt die Managerin ihre Söhne im Alter von fünfeinhalb und drei Jahren in den Betriebskindergarten. Bis 15.30 Uhr bleiben sie dort. Als sich der erste Sohn ankündigte, besprach Judit Havasi ihre Karriere mit ihrem Chef Günter Geyer. Kommunikation sei sehr wichtig.

KURIER: Sie sind Managerin und Mutter – wie sind die Reaktionen?
Judit Havasi: Immer positiv, manchmal mit Verwunderung, vor allem, weil die Kinder noch klein sind.

Standen Sie je vor der Entscheidung Kind oder Karriere?
Nein, weil Kinder für mich selbstverständlich waren – ich wollte immer zwei haben. Dass ich arbeite, war auch immer eine Selbstverständlichkeit für mich.

Welche Rahmenbedingungen haben es Ihnen erleichtert, als Mutter Karriere zu machen?
Ich glaube, es geht nicht nur darum, als Mutter Karriere zu machen, sondern überhaupt als Mutter zu arbeiten. Wenn eine Mami arbeiten will, müssen drei Faktoren stimmen: Infrastruktur, Arbeitgeber und Familie. Ein Plan B ist wichtig, denn ich kann nicht immer in den Kindergarten laufen oder zu Hause bleiben, wenn die Kinder krank sind. Man braucht einen Mann, der unterstützt oder Großeltern oder eine Nanny. Wir haben einen Betriebskindergarten ums Eck vom Büro, das macht es einfacher. Es braucht die Flexibilität des Arbeitgebers.

Was sind die größten Hürden?
Es gibt tagtägliche Hürden. Auch innere Hürden: Wenn eine Frau die Entscheidung trifft, Kinder zu bekommen, muss sie abwägen, ob die Zeit reif ist. Ob sie etwa das Projekt noch fertig machen will oder erst danach den Kinderwunsch verwirklicht – das sind Themen. Und sie muss sich als Frau überwinden, das auch zu kommunizieren.

Wie lange waren Sie in Karenz?
Nach der Geburt meines ersten Sohnes war ich ein halbes Jahr zu Hause, nach der Geburt meines zweiten Sohnes, bin ich nach acht Wochen wieder in Teilzeit arbeiten gegangen.

Kommen Frauen heute leichter in eine Führungsposition als vor zwanzig Jahren?
Ich denke, es wird schrittweise leichter.

Ist es heute einfacher, Familie und Karriere zu vereinbaren?
Ich glaube nicht, dass Kinder hindern. Es geht eher um die innere Einstellung: Will ich nach der Geburt wirklich Vollzeit arbeiten? Manche meiner Freundinnen waren nur die gesetzlich vorgeschriebene Zeit in Karenz, andere arbeiten noch immer in Teilzeit. Es muss jede so machen, dass sie zufrieden ist. Kinder sind für eine Gesellschaft wahnsinnig wichtig – auch wirtschaftlich. Man sollte nicht werten, sondern die Möglichkeiten, Kinder zu bekommen, fördern.

Wie empfinden Sie die Situation der Kinderbetreuung in Österreich?
Meine Erfahrungen sind eher positiv, aber wir haben einen Betriebskindergarten.

Was sagen Sie Frauen, die eine Führungsposition anstreben?
Auf jeden Fall probieren. Es ist möglich, Beruf und Kinder zu vereinbaren. Die Gedanken, bin ich eine gute Mutter, bringe ich genug Leistung am Arbeitsplatz, darf man nicht zulassen. Man darf sich emotional nicht unterkriegen lassen. Besser sagen: Es ist toll, dass ich beides haben kann.

Kann man in Teilzeit managen?
Meine eindeutige Antwort: Ja.

Kommentare