Länger leben heißt länger arbeiten
August Maitz ist glücklich. Vielleicht sitzt er soeben im Auto Richtung Graz, jedenfalls ist er unterwegs. So wie die vergangenen 33 Jahre. Augustin Maitz ist 57, in der Personalentwicklung bei dm, er hält Workshops, kümmert sich um die Lehrlingsentwicklung, er arbeitet 40 Stunden pro Woche, exklusive Reisezeit. "Viele denken in meinem Alter an Pension. Aber wieso sollte ich in Pension gehen? Mein Körper wird älter, innerlich werde ich immer jünger. Arbeit hält mich im Fluss", sagt er. Sein Arbeitgeber gibt ihm auch keinen Grund, weniger arbeiten zu wollen.
Es wäre schön, wenn das alle älteren Erwerbstätigen von sich behaupten könnten. Weniger romantisch könnte es auch als Notwendigkeit gelten. Denn schon bald, im Jahr 2020, wird die Gruppe der 45- bis 64-Jährigen erstmals den größten Anteil der Personen im Erwerbsalter stellen. Die Zahl der 15- bis 24-Jährigen geht um 90.000 zurück. Was ältere Mitarbeiter zur Gruppe der Zukunft macht. 2011 waren 41,5 Prozent der 55- bis 64-Jährigen Österreicher erwerbstätig (EU-Schnitt: 47,4 Prozent) – das sollten deutlich mehr werden. Mögliche Wege dorthin zeigen Deutschland, Schweden und die Niederlande.
Das Thema ist akut: Die EU hat das Jahr 2012 zum Jahr des aktiven Alterns ausgerufen. 30 Jahre nach der ersten Weltversammlung zu Fragen des Alterns haben sich in den vergangenen Tagen bei der UNECE-Konferenz in Wien Experten aus den 56 Mitgliedsstaaten mit Herausforderungen des aktiven Alterns beschäftigt. Sie haben sich auf vier Ziele geeinigt: Die Menschen sollen länger arbeitsfähig sein, am sozialen Leben teilnehmen und in Würde altern können. Das vierte Ziel sieht die Förderung des Dialogs der Generationen vor.
Wegen der Freude
Die dringlichste Frage für Leopold Stieger, Gründer der Plattform seniors4success, ist: "Warum sollte jemand länger arbeiten, als er muss? Das würde voraussetzen, dass er Freude an der Arbeit hat." Freude aber könnten nur die wenigsten Arbeitgeber bieten. Er zweifelt auch an den Bemühungen der Unternehmen, älteren Arbeitnehmern gerecht zu werden: "Es gibt keine Firma, die ein herzeigbares Engagement hat." AMS-Chef Johannes Kopf ist nicht dieser Meinung. "Es hat sich vor allem in den vergangenen Jahren sehr viel bewegt. Das Bewusstsein hat sich verändert, weil Betriebe bereits erlebt haben, was es heißt, Wissen zu verlieren", sagt er. Mangelnde Auseinandersetzung mit dem Thema könne so durchaus im Konkurs enden. Tatsächlich haben viele Firmen bereits Programme entwickelt, um dem Wandel der Demografie zu begegnen. In Oberösterreich etwa haben sich Dutzende Unternehmen, von Team7 bis zur voestalpine, zum Betriebsnetzwerk "Älter werden, Zukunft haben" zusammengetan. Das Problem: Programme für ältere Mitarbeiter und Pensionisten sind vor allem bei größeren Unternehmen ein Thema, Österreich ist aber ein Land der Klein- und Mittelbetriebe. "An KMU kommen wir schwerer ran", sagt Irene Kloimüller, Medizinerin und Leiterin von "Fit für die Zukunft", einem Programm der AUVA und der PVA zum Erhalt von Arbeitsfähigkeit. "Es sind nicht genügend Anreize da, um länger zu arbeiten als notwendig. Viele sagen, dass es sich für sie nicht rechnet", sagt sie.Zudem ist es laut Ulrich Schuh, Vorstand des Forschungsinstituts EcoAustria, noch immer gängige Praxis, Ältere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit mehr oder minder sanfter Gewalt in den Ruhestand zu zwingen. "Ältere bewähren sich aber gut am Arbeitsmarkt, das sieht man international", erklärt Schuh.
Abkürzung statt Hast
Dass Ältere viel können, weiß der 73-jährige Leopold Stieger. "Schon 55-Jährige glauben, dass sie nichts mehr können. Weil sie kein Selbstwertgefühl haben, weil sie sich geprügelt fühlen, nicht mehr so schnell laufen können. Aber die Potenziale sehen sie nicht: Die Jüngeren laufen schneller, die Alten kennen die Abkürzung", sagt er und appelliert an die Älteren, sich mehr Selbstwertgefühl anzueignen.
Und wie eine Untersuchung des Finnish Institue of Occupational Health (FIOH) analysiert hat, sind noch andere Faktoren für eine gute Arbeitsfähigkeit verantwortlich: eine positive Einstellung der Vorgesetzten gegenüber älteren Mitarbeitern, weniger einseitige und monotone Bewegung am Arbeitsplatz, körperliche Betätigung in der Freizeit. Am wichtigsten ist – wenig überraschend: die Einstellung der Chefs.
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