Evelyn Czech wirkt gelassen. Sie will sich nicht beunruhigen lassen von Teuerungen und Krisenmodus. Trotzdem achtet sie jetzt mehr auf ihren Energieverbrauch. Bei Annika Tapler sieht die Sache anders aus: Sie spart, wo es möglich ist, oftmals auch mit kreativen Mitteln.
Von denen will Landwirt Karl Dersch nichts wissen. Zumindest was seinen Hof betrifft. Privat hat er sich einen Holzofen zugelegt, mit dem er kochen und auch heizen kann. Was Doris W. will, ist berufliche Sicherheit. Mit 50 lässt sich die Gehörlose zur IT-Fachkraft umschulen, weil dort die Jobs warten, heißt es. Earl Valencia wartet nervös auf die Preislisten seiner Lieferanten. Sein Restaurant ist voll, doch konsumiert wird immer weniger.
Einen Umgang mit der Krise. Den müssen sie alle gerade finden. Und stehen damit exemplarisch für das Gefühl einer ganzen Gesellschaft, die aus dem Krisenmodus nicht herauszukommen scheint. Krieg, Energie, Klima, Arbeitsmarkt, Teuerung und nebenbei auch noch die Pandemie. Was das mit uns macht? Fünf Menschen haben es dem KURIER erzählt.
Annika Tapler gründet einen Buchclub
Mit einer Thermosflasche in der Hand macht sich die 23-jährige TU-Studentin auf den Weg zur nächsten Vorlesung. Den Kaffee hat sie zu Hause gekocht.
Eine der vielen kleinen Maßnahmen, die sie ergreift: „Es fühlt sich sparsamer an.“ Sie sammelt Rabattmarken, gekocht wird viel Pasta mit Pesto.
Die Krise spürt die TU-Studentin auf jeden Fall. Auch wenn sie betont, dass sie von ihrer Familie unterstützt wird und zusätzlich Teilzeit bei der Schüleraustauschorganisation YFU arbeitet. Bei den Gesprächen in ihrem Bekanntenkreis dreht sich alles um das eine Thema: „Es wird viel über das richtige Heizen und Sparmaßnahmen gesprochen. Das war früher nie der Fall.“ Sie selbst könne noch nicht ganz einschätzen, wie stark die Teuerungen hier sind, da sie erst vor Kurzem in ihre eigene Wohnung gezogen ist.
Es kommt, wie es kommt. Ich hoffe nur, dass wir uns alle auch in Zukunft das Leben weiter leisten können.
von Annika Tapler, Studentin
Richtig auf etwas verzichten müsse sie aktuell jedoch noch nicht. Trotzdem bleibt der Gedanke „sparsam bleiben“ immer im Hinterkopf. Statt auszugehen, macht sie also mehr Spaziergänge und hat jetzt auch einen Buchclub. So könne man sich mit Freunden austauschen, ohne dabei Geld auszugeben.
Die Zukunft bleibt ungewiss und unvorhersehbar. Ob man da jetzt positiv oder negativ gestimmt ist, sei egal: „Es kommt, wie es kommt. Ich hoffe nur, dass wir uns alle auch in Zukunft das Leben weiter leisten können.“
Evelyn Czech sorgt sich um ihre Enkelkinder
Ihr Glück ist, nicht allein zu sein, sagt die pensionierte Volksschuldirektorin. Gemeinsam mit ihrem Mann kann sie die Krisenzeiten gut bewältigen. „Alle spüren die Krise. Ist man alleinstehend, macht es das aber noch schwieriger.“ Vor einem Jahr ging sie zufrieden in Pension und hatte noch nicht einmal den berüchtigten Pensionsschock.
Auch der Einkommensverlust durch die niedrigere Pension beunruhigt sie kaum. „Natürlich merkt man am Anfang, dass das Gehalt um einiges weniger ist. Aber ich habe den Vorteil, dass mein Mann auch eine gute Pension bezieht.“ Evelyn Czech nimmt die Welt mit Humor und bezeichnet sich selbst als Optimistin und Phlegmatikerin. Trotzdem will sie die Teuerungen nicht runterspielen.
Ich bin zufrieden mit meiner Pension. Wieder arbeiten zu gehen ist keine Option für mich.
von Evelyn Czech, Pensionistin
Das Licht und der Wasserhahn werden schneller wieder abgedreht. Das war zwar schon immer so, aber das Bewusstsein ist jetzt stärker. Auch im Supermarkt beim Einkaufen. Dort sammelt sie mehr Markerl, um zu sparen. Das Leiberl oder die Ohrringe, die sie sich früher ohne viel darüber nachzudenken gekauft hat, bleiben heute in den Geschäften. Das alles sei aber nicht tragisch.
Noch seien extreme Sparmaßnahmen nicht notwendig, sagt sie. Wieder zu unterrichten ist deswegen auch kein Gedanke für Evelyn Czech. Über 45 Jahre hat sie im Schuldienst verbracht, nun will sie die freie Zeit mit ihrer Familie genießen. Es sind Krisen wie der Klimawandel, die ihr mehr zu schaffen machen. Vor allem wegen ihrer beiden Enkelkinder.
Earl Valencia schraubt die Glühbirnen raus
Earl Valencia ist beschäftigt. Mit Laptop, Heizung, Kaffee- und Eiswürfelmaschine abdrehen. Die Glühbirnen hat er ausgetauscht. Mit weniger energiefressenden Alternativen. „Am liebsten würde ich die Kühlschränke abdrehen“, sagt er, „aber das geht nicht“.
Earl Valencia führt ein Restaurant im siebten Bezirk. Erst heuer hat er eröffnet. Über das Fehlen der Kundschaft kann er sich nicht beklagen. Die Tische sind mehrfach belegt, aus dem Kalkulieren kommt er trotzdem nicht raus.
Ich habe immer noch ein asiatisches Restaurant. Verlange ich für Glasnudeln 16 Euro, werden mich die Gäste nicht mehr besuchen.
von Earl Valencia, Gastronom „Lolo & Lola“
Wöchentlich schicken Lieferanten neue Preise. Selbst Rapsöl ist so teuer geworden, dass jetzt einfach weniger im Lokal frittiert wird. Die Preise für die Endverbraucher anheben möchte der Gastronom jedoch nicht. Ist die Pro-Kopf-Konsumation seit Sommer ohnehin stark gesunken.
Und die Gäste haben sich doch trotz allem ein positives Erlebnis verdient. Nur beim Ambiente muss er von seinen Plänen abweichen. Wollte er in der winterlichen Zeit ein Kerzenmeer auf jedem Tisch bereiten. Energie sparen würde das, doch Kerzen gehen ins Budget. Also muss es auch das eine Teelicht tun, dafür in einem dekorativen Glas.
Doris W. steht vor verschlossenen Türen
Doris W. sucht eine Ausbildungsstelle. Die 50-Jährige ist gehörlos und war lange Zeit im Sozialbereich tätig. Mit Peer-Beratung hat sie andere Gehörlose unterstützt. Firmen beriet sie im Umgang mit Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Doch dann kam Corona.
Die Aufträge blieben aus. Doris W. meldet sich beim Arbeitsmarktservice. Über ihre Beraterin gelangt sie in einen „FiT-Kurs“, eine Weiterbildung für Frauen im Bereich Handwerk und Technik. Ziel des Kurses sei es, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, und Frauen besser in technische Berufe zu integrieren, schildert Doris W.
Es gibt so viele tolle Firmen. Aber ich bekomme keinen Arbeitsplatz. Dabei könnte ich einem Unternehmen viel bieten.
von Doris W., Kursteilnehmerin „Frauen in der Technik“
Am Ende des Kurses soll für die Frauen ein Ausbildungsplatz in einem Unternehmen stehen. Doch genau daran scheitert es. Während Doris W.s Kurskolleginnen bereits erfolgreich vermittelt sind, findet die 50-Jährige keinen Platz. Zahlreiche Bewerbungen hat sie schon verschickt, ohne Erfolg. Sie ist frustriert.
Sie möchte gerne im IT-Bereich arbeiten, Programmiersprachen lernen und ihren Beitrag leisten. Ein Bereich, in dem händeringend Fachpersonal gesucht wird. Dass sie gehörlos sei, schrecke viele Arbeitgeber ab, sagt sie. Aufgeben möchte sie trotzdem nicht, im neuen Jahr soll es mit der Ausbildungsstelle klappen.
Karl Dersch bleibt seinen Prinzipien treu
Karl Dersch beobachtet seit Monaten wie die Preise für Saatgut, Düngemittel und Diesel steigen. Als Landwirt keine lustige Angelegenheit. Auch weil er jetzt teilweise das Vierfache dafür zahlen muss. „Eine Zeit lang war noch nicht einmal sicher, ob und wie viel Düngemittel überhaupt zur Verfügung stehen wird.“
Die Gaspreise sorgten nämlich dafür, dass einige Produktionsstätten schließen mussten. Und das war nicht die größte Sorge: „Der Klimawandel hat bei uns eingeschlagen.“ So sehr, dass es heftige Ertragseinbußen gab.
Es kann nicht jeder Bio-Bauer werden.
von Karl Dersch, Landwirt
Beim Mais waren es minus 50 Prozent. Glück im Unglück war die Erhöhung der Produktpreise. Durch diese konnte er wieder einen Ausgleich schaffen. An seinem Betrieb wird er jetzt nichts ändern: „Das Düngemittel ist zwar teuer, aber es kann jetzt nicht jeder Bio-Bauer werden.
Wir konventionellen Landwirte sind auch da, um eine gewisse Nahrungssicherheit zu schaffen und für Konsumenten halbwegs leistbare Lebensmittel zu produzieren.“ Bei sich zu Hause ist er nicht so strikt: In der Küche steht nun ein Herd, mit dem er kochen und heizen kann. Senkt die Energiekosten und ist auch bei einem Blackout einsetzbar.
Was Krieg, Krisen und Teuerung mit uns Menschen machen, erklärt Soziologe Manfred Prisching. Das Interview lesen Sie hier.
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