Soziologe: "Man muss wissen, was man gegen Teuerungen unternimmt"
KURIER: Preise steigen, ein Ende ist nicht in Sicht. Was macht das mit uns?
Manfred Prisching: Es sind zwei Dinge, die wirken: Es gibt die unmittelbare Erfahrung im Alltag, die man selbst erlebt. Etwa die höheren Energierechnungen. Das Zweite ist der Bereich der gefühlten Knappheit. Sprechen alle zur selben Zeit, wie schrecklich eine Situation ist, wird man natürlich erfasst davon. Nicht immer ist die gefühlte und die erlebte Knappheit deckungsgleich.
Die gefühlte scheint jedenfalls da zu sein.
Die ist gerade sehr präsent. Offensichtlich erleben wir ja die Knappheit noch nicht. Das Trinkwasser rinnt, die Heizungen funktionieren, aber die Zeitstimmung ist eine, die Mangelerscheinungen fühlen lässt. Als käme etwas Gefährliches auf uns zu.
Wie anpassungsfähig ist man?
Das hängt vom Druck ab. Noch ist das eine höchst komfortable Gesellschaft, die jetzt auf unterschiedliche Weise antwortet. In der Vorweihnachtszeit gibt es offenbar keine Einschränkungen beim Kaufen, die Wirtschaft meldet Umsätze wie vor der Coronakrise. Das gilt natürlich nicht für das untere Einkommensdrittel. Im persönlichen Bereich ist das anders. Hier zeigt sich fast ein neues Gebot: Man muss eine Antwort darauf haben, wenn jemand fragt, was man gegen die Teuerungen unternimmt. Wie eine soziale Norm, die dazu zwingt, etwas zum Vorzeigen zu haben.
Spielt in diese Gelassenheit auch die Unterstützung vom Staat hinein?
Ja, ganz sicher. Da hat sich der Staat als wirklich umfassender Wohlfahrtsstaat erwiesen, der alle paternalistisch gut betreut.
Kann man aus der Krise etwas Positives schöpfen?
Knappheit erfordert Aufmerksamkeit und Reflexion. Die eigenen Präferenzen müssen sortiert werden. Was wirklich wichtig ist und was man streichen kann. Erst da gibt es einen Anstoß über das eigene Leben nachzudenken.
Werden wir uns mit weniger zufriedengeben?
Es ist eine Frage der Härte der Krise. Ist diese stark zu spüren, kann es zu einem nachhaltigen Wechsel in der Gefühlswelt kommen. Solange Krisen bewältigbar sind, ist man froh, wenn sie vorbei sind.
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