Gastro in Österreich: Wenn die Kellner nur mehr Englisch sprechen
Ein schnelles Mittagessen in einem kürzlich eröffneten Wiener Hotelrestaurant. Zuerst warten wir, „to be seated“, dann begleitet uns ganz freundlich eine Dame zum Tisch und wünscht einen „pleasant stay“. So weit, so gut, man könnte schließlich denken, wir wären Touristen. Bei der Bestellung wird klar: Es lag keine Verwechslung vor. Hier wird nur Englisch gesprochen. Im Team untereinander und mit dem Gast. Für uns kein Problem, der Nebentisch sieht das etwas anders.
In Österreich als Deutsch sprechende Person auf Englisch zu bestellen, mag am Anfang irritieren, manche „fühlen sich sogar angegriffen, wenn man in einem Beisl in Brigittenau mit englischem Service konfrontiert wird“, berichtet ein Gastronom dem KURIER. So ungewöhnlich ist das allerdings nicht mehr.
A very warm welcome
„Es ist allgemein bekannt, dass die Freizeitbranche mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen hat“, erzählt Benjamin Schneider am Telefon. Er führt in vierter Generation das Hotel Arlberg Lech. Schon 2015 holte er seinen ersten englischsprachigen Mitarbeiter ins Service – ein Grieche, der bis heute ein verlässlicher Teil des Vorarlberger Teams ist. Der Großteil von Schneiders Belegschaft in Hotel und Restaurant spricht Deutsch. Bringt jemand aber vorwiegend Englischkenntnisse mit, wäre das selbst im direkten Gästekontakt längst keine Hürde mehr. „Ich denke, es führt gar kein Weg mehr daran vorbei. Wir müssen über den Tellerrand hinausschauen und für alles offen sein“, sagt Schneider deutlich.
Immerhin fehlt es dem Tourismus und Gastgewerbe an Personal. Laut aktuellem Stellenmonitor des Wirtschaftsbunds knapp 19.000 Mitarbeiter. Zwar gibt es auch einen Höchststand an Beschäftigten, sagt Mario Pulker, Gastronomie-Obmann der Wirtschaftskammer, „aber wir haben auch einen Höchststand an Menschen, die Teilzeit arbeiten in der Branche.“ Man brauche also immer mehr Hände, die die Dienstleistung erbringen. Will man dem Gastronomie-Sterben entgegenwirken, müsse man den Arbeitsmarkt über die deutschsprachigen Grenzen hinaus erweitern, sagt Hotelier Schneider. „Stimmt die Qualifikation, spricht nichts dagegen.“
Dienstnehmer in der Gastronomie weisen dementsprechend einen hohen Migrationsanteil von 46 Prozent auf, belegte eine FORBA-Studie, die vergangenes Jahr von der Arbeiterkammer in Auftrag gegeben wurde.
Neu ist der Trend zum Englischen somit nicht, erklärt Mario Pulker. „Es ist ein Thema, das wir schon lange haben. In der Hotelgastronomie sicher seit zehn Jahren.“ Im städtischen Bereich wäre englischsprachiges Servicepersonal da, wo viel Tourismus ist, und ist ebenfalls nichts Außergewöhnliches mehr. Es kann sogar zu einem Vorteil werden. Schließlich ist es erfreulich, wenn man sich im Ausland mit dem Kellner in der eigenen Landessprache unterhalten oder zumindest ausreichend verständigen kann.
Verwunderte Blicke gibt es von Einheimischen verständlicherweise trotzdem, wenn die eigene Sprache Zuhause nicht mehr genügt.
May I take your order?
Dass im Crossfield’s Australian Pub in Wien alle Servicekräfte Englisch sprechen, ist klar. In den anderen Wiener Traditionslokalen der Gastgeberfamilie Querfeld wäre das jedoch undenkbar, sagt Irmgard Querfeld zum KURIER. Sie führt zehn Lokale, darunter die Cafés Landtmann, Mozart und Museum, sowie das Bootshaus an der Alten Donau. Touristen hat man da wie dort, die Einheimischen und Stammgäste auf Englisch zu bedienen, würde man sich aber nicht erlauben.
„Es ist ein Unterschied, ob man sich auf den Gast einstellt oder der Gast auf die Mitarbeiter“, sagt sie. „Gerade im Service ist die Sprache wichtig, um sich mit dem Gast zu verständigen. Das hat nichts mit Tradition zu tun, sondern mit Beziehungsaufbau.“ Deswegen setzt sie auf die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter. „Wir haben viele, die in einer Lernphase sind und bei uns Deutschunterricht besuchen“, erzählt sie. Einmal pro Monat werden fachspezifische Kurse angeboten. „Wir haben immer 15 bis 20 Personen, die diese besuchen.“
Sprachtalentierte könnten so binnen weniger Monate ins Service und direkt an den Gast kommen. Wer noch nicht sicher genug ist, arbeitet anfangs vielleicht an der Theke oder unterstützt als Commis de Rang die Stationskellner. Die Gastronomie wäre die ideale Umgebung, um eine Sprache zu lernen, findet Querfeld. Ein Wunsch, den die meisten Mitarbeiter von sich aus haben, sagt sie. Doch Gerhard Bosse vom Luxushotel Grand Tirolia Kitzbühel erlebt das anders.
Enjoy your dinner
„Es ist ein Tropfen auf dem heißen Stein“, sagt er. Am Anfang sei die Euphorie groß, „da melden sich vielleicht sieben Personen für unsere Sprachkurse an. Aber nach der dritten Stunde ist dann doch Freizeit oder der Badesee wichtiger“, so seine Erfahrung. Im Recruiting setzt er daher mit einer Agentur jetzt ganz explizit auf lokale Arbeitskräfte. „Weil ich glaube, dass das in Zukunft ein Kriterium sein wird.“
Was er damit meint? Er vermutet einen Wettbewerbsvorteil, wenn Gäste aus dem deutschen Sprachraum, die sich für einen Urlaub in Tirol entscheiden, auch wirklich mit Deutsch durchkommen. Speziell ältere Generationen würden ihre Reisen danach planen und vermutlich enttäuscht sein, wenn sie an der Rezeption und beim Abendessen sprachlich anstehen.
Langfristig sieht er noch einen weiteren Vorteil: Lokale Mitarbeiter bleiben länger, sagt er. Kollegen aus Ungarn, Griechenland, Serbien oder Kroatien würde es irgendwann wieder zurück in die Heimat ziehen. „Dann ist die Motivation, Deutsch zu lernen, eine ganz andere.“ Und ein beständiges Team nun mal der Schlüssel für Gastronomie und Gastfreundschaft.
Bosse weiß, wovon er spricht. Er ist seit über dreißig Jahren im Geschäft. Als er anfing, brauchte es noch mindestens zwei, am besten vier Sprachen, um in der Branche Karriere machen zu können, erinnert er sich. „Jetzt genügt eine Hauptsprache – Deutsch, Englisch oder Französisch.“ Aber im Grunde komme man mit Englisch durch. Insbesondere dann, wenn man sich für die moderne Gastronomie entscheidet, wo es Teil des Konzepts ist.
The check, please
Wer im Superfood Deli im neunten Wiener Bezirk eine Acai-Bowl bestellt, macht das höchstwahrscheinlich auf Englisch. „Das Konzept ist im Kern brasilianisch“, erzählt Inhaber Peter Mazzari. „Wir importieren Acai aus Brasilien und verarbeiten es hier.“ Mit der internationalen Frucht kommen nicht nur internationale Gäste, sondern auch die internationalen Mitarbeiter. „Beim Einstellen ist bei uns eher die Voraussetzung, Englisch zu können, als Deutsch“, führt Mazzari weiter aus. Stören würde das die heimischen Gäste nicht – die können sowieso alle Englisch, sind Studierende oder gesundheitsbewusste Manager.
„Hier fühlt sich keiner angegriffen. Im Gegenteil. Man kommt her, weil es um die Experience (Erfahrung, Anm.) geht.“ Die Erfahrung, gar nicht in Wien zu sein, sondern vielleicht auf fernen Stränden mit Surfbrett unter dem Arm.
Ein Hauch Brasilien findet sich auch bei Jack and the Coffee Bean in Wien, Landstraße. Dort hat Revinda Nagel zu Beginn des Jahres ein Kaffee mit Indoor-Spielplatz für die Kleinsten eröffnet. Sie hat Mitarbeiterinnen aus Brasilien, Indonesien, Deutschland und Österreich – es ist ein Sprachgemisch. „Im Team wird einfach Englisch geredet“, erzählt sie. Oder ein „Mix and Match“, weil Deutsch verstehen die meisten, nur sprechen trauen es sich nicht alle.
Mit den Gästen geht man umso sorgsamer um, informiert vor allem die Älteren, wenn das Deutsche noch nicht sattelfest ist. „So lassen sich Beziehungen herstellen“, findet Revinda Nagel. „Die Kunden sind alle sehr offen, sagen, dass das kein Problem ist. Sie wollen unterstützen und wechseln dann von selbst ins Englische.“ Das Prinzip der Inhaberin: Niemanden ausschließen. Gäste wie Personal.
Spartenobmann Mario Pulker sieht das ähnlich. „Macht jemand den Job gerne, ist es egal, in welcher Sprache. Wichtig ist Englisch, damit kann man sich fast überall verständigen. Alles andere kann man lernen.“
-> Cambridge-Institut-Leiter: "Englisch ist eine Grundvoraussetzung in der Arbeitswelt"
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