Kann man Karriere planen?
Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?" – mit dieser Frage werden Bewerber seit Jahrzehnten traktiert. "In zehn Jahren will ich auf Ihrem Stuhl sitzen", ist als Antwort genau so unpassend wie "Keine Ahnung" oder "Ich sehe mich mit Chauffeur".
Keine Antwort kann je die richtige sein, oft ist sie pure Träumerei, manchmal signalisiert sie Zielstrebigkeit. Man kann fokussiert und fleißig an einer Karriere arbeiten – doch ist sie dann wirklich die logische Folge? Zwei von drei Arbeitnehmern glauben, Karriere ist nicht planbar, sie haben keine konkrete Vorstellung von der beruflichen Zukunft. Nur jeder Dritte weiß laut einer LinkedIn-Studie unter 7000 Berufstätigen aus 15 Ländern, wohin die Job-Reise gehen soll. Vielleicht hat die Mehrheit die Hoffnung, zufällig in eine Karriere zu stolpern. Aber das wird eher nicht passieren.
Wer heute Karriere machen will, muss früh anfangen: Im Alter zwischen 20 und 35 wird für den Aufstieg vorgebaut. Das bedeutet 15 Jahre lang früh aufstehen, spät schlafen gehen, ständig getrieben sein, nie treiben lassen und immer mehr leisten als die anderen. Plus auffallen und weiterbilden. Dann, in den 30ern, wird es spannend. Dann zeigt sich, ob sich die Mühe gelohnt hat.
Mitten drin mit 29
Andreas Breitegger ist 29 Jahre alt und schon mittendrin. Er ist strebsam, gestaltungsdurstig, scharfsinnig – ein High Performer. Breitegger hat an der WU Wien Internationale Betriebswirtschaft studiert und Politikwissenschaft an der Uni Wien. Mit 25 startete er das Trainee-Programm beim Konsumgüterriesen Unilever – heute, mit 29 Jahren, ist er Marketingchef der Marke Knorr. Hat er das geplant? "Ich wusste früh, dass ich Verantwortung übernehmen will, und Unilever und meine Vorgesetzten haben mich immer gefördert und gefordert." Man muss sich Ziele setzen, sagt er, bei der Zielverfolgung flexibel bleiben. "Es ist wichtig, einen Plan zu haben – und auch, ihn dann ändern zu können. Doch es soll auch nicht schlimm sein, nicht am Ziel anzukommen, es geht darum, die Reise zu genießen." Er hat für sich eine Idee von den nächsten drei Jahren – er wird viel geben, um sie zu verwirklichen, aber nicht aufs Leben vergessen.
Es ist ein neuer Umgang mit Karriere, den seine Generation lebt: Ja zu Leistung, aber mit weniger Verbissenheit, mehr Spaß und viel Sinn (siehe Interview nächste Seite). Bei vielen übernimmt dann Mitte 30 die Lust am Leben: Oft sind sie im mittleren Management angekommen und wollen nach 15 Jahren Reinbuttern die Zügel etwas locker lassen. Sie entscheiden: Genug geopfert, stehen bleiben, hier ist es gemütlich, jetzt lebe ich mal.
"Das ist auch in Ordnung. Man muss nicht immer weiterlaufen. Es besteht kein Zwang zu Karriere", sagt Head Hunter Andreas Landgrebe. Doch er sagt auch, dass Karriere nicht warten kann, dass sie heute schneller gemacht wird als noch vor 20 Jahren, dass der Sprung in die Chefetage um die 40 herum gemacht wird und nicht mehr mit 55 plus. Lockerlassen ist also für die, die raufwollen, nicht drin. Ursula Vogler, HR-Chefin bei KPMG Österreich, sagt: "Wer nicht da ist, kann nicht befördert werden. Das liegt in der Natur der Sache."
Beim Wirtschaftsprüfer KPMG sind Karriereverläufe streng strukturiert. Zu Beginn ist man Associate, dann Senior Associate, Assistant Manager, Manager, Senior Manager, Director und dann, auf oberster Stufe, Partner. 61 davon hat KPMG in Österreich und 1100 Mitarbeiter. "Die Top-Performer fallen früh auf und werden früh gefördert", sagt Ursula Vogler. Auffällig ist, wer Fachwissen, hohe Lern- und Leistungsbereitschaft, einen Blick für das Wesentliche und die Fähigkeit hat, die Leistung zu präsentieren. Sie selbst ist ein Beispiel dafür, dass Karriere immer neu gedacht werden kann: Vogler war früher Volksschullehrerin.
Die Aufstiegstipps der Top-Manager
Führ mich zum Schotter!
Unternehmen sind heute gezwungen, sich laufend an neue Anforderungen anzupassen. Das hat Auswirkungen auf Karrieren: Wer gestern als Leistungsträger gegolten hat, ist es am nächsten Tag vielleicht nicht mehr. Das fordert viel Flexibilität. Nicht zufällig nennen alle Top-Manager, die wir befragt haben, Offenheit für Neues, Mut zu neuen Aufgaben und die Nutzung von Chancen als wichtigste Aufstiegskriterien.
Andreas Landgrebe ist Managing Partner Österreich und Osteuropa bei der globalen Executive Search Company Boyden. Er sagt, dass Karrieren nicht planbar sind, aber dass Menschen mit bestimmten Mustern und Einstellungen erfolgreicher sind als andere. "Karriere ist also weniger eine Frage der Planung als der Einstellung. Es sind jene erfolgreich, die mehr machen, mehr Zeit, mehr Engagement, mehr Herz, mehr Hirn beweisen. Es sind die, die für eine Aufgabe brennen." Man muss sich laut Landgrebe nur eine einzige Frage stellen: "Wie kann ich das Unternehmen erfolgreich machen? Denn was das Unternehmen erfolgreich macht, macht mich erfolgreich." Heute das Beste geben, an morgen denken und ein bisschen von der Zukunft träumen – dann nimmt die Entwicklung ihren Lauf.
KURIER: Frau Reinhard, wie strebsam soll man sein, wie konsequent Ziele verfolgen?
Rebekka Reinhard: Aus philosophischer Sicht sind Ziele selbstverständlich wichtig. Wenn ich aber nur stur diese Ziele vor Augen habe, laufe ich Gefahr, mich darin zu verlieren. Es ist fatal, das Leben immer nur ausschnitthaft und abschnitthaft zu betrachten. Ein Abschnitt hat keinen Stellenwert, wenn er nicht in Bezug auf das Lebensganze gesehen wird. Ein wichtiges Korrektiv ist die Frage: Wofür lebe ich?
Keine einfache Frage.
Für viele ist die Frage sogar ein Affront. Sie ist ungewohnt, die meisten wissen keine Antwort. Weil wir keine Antwort haben, gibt es so viele Burn-outs und Systemabstürze.
Wussten die Menschen früher eine Antwort?
Die Sinnfrage ist Luxus. Uns geht es gut, erst deshalb können wir uns der Frage nach dem „Wofür?“ überhaupt widmen. Ich würde sogar sagen, es geht uns zu gut. Wir haben nie eine kollektive Not erlebt, das hat zur Folge, dass wir völlig unfähig sind, sauber durchzurelativieren. Für uns gibt es nur ein „immer schneller, weiter, höher“. Der Aufstieg zählt. Wir haben zwar das diffuse Unbehagen, dass vieles im Wandel ist, die Bedrohung ist aber nicht konkret. Das ergibt eine mangelnde Todesbewusstheit, eine mangelnde Bewusstheit der Bedeutung von Krisen.
Nicht an den Tod denken, keine Krisen durchleben müssen – das müsste doch glücklich machen.
Das möchte man meinen – es ist aber nicht so. Das Leben hat eine völlig paradoxe Struktur und nichts ist, wie es scheint. Auf Glück folgt Unglück, beides hängt oft untrennbar zusammen. Sinn kann man nur erkennen, wenn man den Unsinn sieht. Nur die Erfahrung der Gegensätze bringt einen weiter.
Man soll das Leben und die Karriere also weniger planen?
Man soll planen, aber immer mit allem rechnen. Man braucht ein gesundes Kontingenzbewusstsein: Was gerade so ist, könnte auch ganz anders sein.
Konsequent ein Ziel verfolgen – das war doch mal ein guter Tipp.
Wir leben ziel- und lösungsorientiert, wir vergöttern die Maximen Effizienz und Effektivität. Das hat aber noch niemanden zu einer starken, reifen, moralischen Persönlichkeit wachsen lassen. Gerade die Unvorhersehbarkeiten, die Umwege, auf die das Leben uns zwingt, sind wertvolle Lehren. Es ist sogar die Pflicht des Menschen, diese Lehren anznehmen. Abwege sind die Möglichkeit, zu reifen. Sokrates hat gesagt, „ein ungeprüftes Leben ist nicht lebenswert“. Beim Sinn des Lebens geht es nicht darum, möglichst viele unbeschwerte Lebensabschnitte zu haben. Das Glück und die Erfahrung kommen aus dem Unlösbaren. Der Sinn des Lebens ist es, die Welt weiser zu verlassen, als wir sie betreten haben.
Sie sagen sogar, wir sind feig ...
Weil wir uns zu wenig auf das Leben einlassen. Wir sind die totalen Sicherheitsmenschen, wollen alles unter Kontrolle haben. Wenn dann die Krise kommt, unvorhergesehen und unabwendbar, fehlt jegliche Frustrationstoleranz. Wir empfinden die Krise als eine Repression. Das ist das Gegenteil von Mut, das ist Feigheit. Was nicht heißt, dass wir uns das Leben schwerer machen müssen als es ist. Die Krisen kommen sowieso, was wir brauchen ist Gelassenheit und Souveränität – und die Erkenntnis, dass es eine tiefe Sinnhaftigkeit in Krisen gibt.
Und gibt es auch einen Sinn im Karrierestreben?
Ich würde sagen, ja. Es kommt aber entscheidend auf die Haltung an. Man sollte nie unter seinem Niveau leben – weder geistig, noch moralisch, noch menschlich, noch fachlich. Das heißt: fordere dich und wage etwas. Wenn ich mit einer solchen inneren Haltung eine Karriere vorantreibe, kann ich einen unglaublichen Zuwachs an innerem Reichtum und Weisheit gewinnen.
Wie strebsam sind die Jungen, die Generation Y?
Pauschal ist so eine Beurteilung schwierig und unzulässig. Ich erkenne aber, dass sich der Zeitgeist zu wandeln beginnt. Das bornierte Karrierestreben, die einseitige Zielorientiertheit schwächen sich ab. Das sehe ich durchaus positiv, wiewohl es nicht gut wäre, wenn es jetzt ins andere Extrem schlägt. Mir fällt auf, dass die Generation Y immer noch sehr hohe Ansprüche hat, aber diese Ansprüche vielfach an die Unternehmen und an die Gesellschaft gerichtet sind, anstatt an sich selbst. Das ist egozentrisch und kurzsichtig. Positiv ist, dass die Jungen erkennen, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann, dass es mehr Sinn und Weitblick braucht. Unser Fehler ist, dass wir nicht nach rechts und links zu schauen. Das ist ein gesellschaftliches Phänomen des Hyperkapitalismus, ein Sog, der die früheren Generationen mitgerissen hat.
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