Mit ihrem Rückzug aus der Chefetage sorgte die 29-jährige Verena Bahlsen vor wenigen Tagen für Aufsehen. Öffentlich bekundete die Keks-Erbin den enormen Druck, dem sie sich in ihrer Führungsrolle ausgesetzt fühlte. Fast zeitgleich gab Red-Bull-Erbe Mark Mateschitz bekannt, dass der Konzern künftig von einem dreiköpfigen Team geführt werden soll – er selbst ist nicht darunter. Man könnte meinen, der Wirtschaft laufen die jungen Chefs davon. Wirft man aber einen Blick auf die Zahlen, sieht die Sache anders aus.
Der Führungskräfte Monitor der Arbeiterkammer OÖ erhebt, dass in den ersten beiden Quartalen 2022 rund 36,4 Prozent der Führungskräfte in Österreich maximal 35 Jahre alt waren, wenn auch ein markanter Anstieg erst ab 26 Jahren verzeichnet wird. Der Wirtschaft ist ein hoher Anteil durchaus dienlich – bringen junge Führungskräfte einen selbstverständlichen Umgang mit hybriden Arbeitsweisen sowie neue Prioritäten mit. So stünde das Mindset, gesellschaftlich etwas bewirken zu wollen, weit vorne, sagt die Bundesvorsitzende der Jungen Wirtschaft Christiane Holzinger.
Noch in diesem Artikel:
Zwei junge Chefs, die Einblicke in ihren Führungsstil geben: Caroline Rechtman (33) von c-velop und Thomas Wohlfahrtstätter (34) von Glacier
Interview mit der Bundesvorsitzenden der Jungen Wirtschaft Christiane Holzinger
Interview mit Giuseppe Delmestri, Institutsvorstand der WU-Wien für Change Management und Management Development
Neue Daten zu österreichischen Führungskräften im Führungskräfte Monitor
Weiters würde man die Leistung dem Profit vorziehen und der emotionalen Komponente mehr Bedeutung zumessen.
Führungskräfte von heute beschäftigen sich damit, wie empathisch sie sind, wie sie kommunizieren, was es braucht, um Schwächen auszugleichen.
von Christiane Holzinger
Wie sehr junge Chefs ihr eigenes Handeln kritisch beäugen, erfasst eine schwedische Studie aus 2020. Diese zeigt, dass Führungskräfte unter 29 Jahren ihren Stil durchwegs negativer einschätzen als die älteren Kollegen. Grund dafür könnte die Sorge vor mangelndem Respekt sein, vermutet Giuseppe Delmestri, WU-Institutsvorstand: „Manche versuchen der Skepsis, die man ihnen als junger Mensch in einer Führungsposition entgegenbringt, mit Autoritarismus entgegenzuwirken. Dass sie aber den Mangel erkennen, ist eine Gelegenheit, Coaching und Training anzubieten.“
Schaffen es die Jungen, selbstbewusst aufzutreten, spiele das Alter keine Rolle mehr, betont Holzinger: „Oft übernehmen junge Menschen leitende Funktionen in der Betriebsnachfolge. Ich selbst war unter 30 und meine Mitarbeiter alle älter als ich. Aber wenn man weiß, was man will und das klar kommuniziert, wird der Respekt nicht infrage gestellt.“
Flacher werdende Hierarchien, zu denen junge Menschen tendieren, seien die größere Herausforderung. „Es geht stark um Teamgedanken und Mitspracherecht, auch wenn es am Ende des Tages immer jemanden geben muss, der die Entscheidungen trifft. Auch die Kommunikationsform ist amikaler. Das verlangt von Führungskräften mehr Abgrenzung“, so Holzinger.
Alter vs. Erfahrung
Wie reif jemand in der zwischenmenschlichen Kommunikation ist, sei daher weit bedeutender als das biologische Alter. Dennoch brauche es Erfahrung, um gut führen zu können. Delmestri vergleicht diese mit Flugstunden.
Je nachdem, wie viele Flugstunden man hat – ob in Konflikten, Momenten der Problemlösung oder Misserfolgen – bildet sich ein Selbstwirksamkeitsgefühl, mit dem eine Führungskraft schafft, eigene Akzente zu setzen.
von Giuseppe Delmestri
Pauschal würde Delmestri die Grenze bei fünf Jahren ziehen, die man dennoch an Erfahrung mitbringen sollte, um sich in der Wirtschaft als Experte zu betiteln. Ob sich ein zu schneller beruflicher Aufstieg auch negativ auswirken kann, verneint er: „Wenn ich es schnell nach oben schaffe und dort auch effektiv bin, ist das bestimmt gut. In der heutigen Gesellschaft, in der die Menschen viele Berufe ausüben, ist es nicht so, dass die Person die nächsten 30 Jahre dort verharren muss.“
Diese zwei jungen Chefs machen es vor: Caroline Rechtman und Thomas Wohlfahrtstätter
„Ein Altersmix in einer Firma ist essenziell“
Name: Caroline Rechtman
Alter: 33
Junge Chefin seit: sie 17 ist
Die Führungsrolle: „Mein Führungsstil hat sich verändert, als wir angefangen haben, Prozesse aufzuschreiben“, erklärt Caroline Rechtman. 2020 gründete sie c-velop, parallel dazu ist sie seit 2009 bei Bio-Rom, in der Firma ihres Vaters. Beide Firmen stellen Kosmetika her. Um in die Führungsrolle hineinzuwachsen, machte sie eine Ausbildung zur Mentaltrainerin und holte sich einen Coach. „Es geht mir darum, den Umgang mit meinen Mitarbeitern zu verbessern, aber auch meine persönlichen Fähigkeiten auszubauen. Etwa, wie ich in herausfordernden Situationen reagieren möchte.“
Die Learnings: „Eines der wichtigsten Learnings war, dass es bei der Mitarbeiterzufriedenheit nicht nur auf die Freiheiten ankommt, die man gibt, sondern auf ein ganz klares Regelwerk, klare Aufgabenzuteilungen sowie definierte Ziele. So würde sich auch eine hohe Fluktuation vermeiden lassen.“
Wichtig ist: „Als Führungskraft habe ich das große Ganze im Blick, in den Teilbereichen vertraue ich aber auf meine Expertinnen und Experten. Hier muss man bereit sein, Verantwortung abzugeben. Ich habe gemerkt, dass die gute Zusammenarbeit mit meinem Team dann von alleine gekommen ist.“ Ein vorwiegend junges Team brauche es dafür nicht: „Ich halte einen Altersmix für essenziell. Wir haben viele ältere Mitarbeiter, deren berufliche Erfahrung einen unglaublichen Wert hat. Mit der Digitalisierung braucht es auch viele junge Mitarbeiter, die hier eine Lücke schließen.“
„Wir ermutigen dazu, radikal ehrlich zu sein“
Name: Thomas Wohlfahrtstätter
Alter: 34
Junger Chef seit: er 27 ist
Die Führungsrolle: „Wir achten darauf, dass wir die menschliche und die Performance-Ebene gut miteinander verknüpfen. Einerseits ist das im Geschäftsmodell bereits enthalten, da es um das Thema Nachhaltigkeit geht, andererseits möchten wir aber auch einen klaren Kompass geben, wo die Reise hingeht und was die Vision des Unternehmens ist“, so Thomas Wohlfahrtstätter, CFO und COO bei Glacier – einem Start-up, das andere Unternehmen im Bereich Klimaschutz sensibilisiert. Seine erste leitende Funktion übernahm er mit 27, als Head of Finance bei einer Tochtergesellschaft des Flughafen Wien. Er war der Jüngste im Team.
Die Learnings: „Meinem früheren Ich würde ich raten, dem Team mehr Feedback zu geben und wichtige Punkte schneller zu thematisieren.“ Dass er das damals nicht gemacht hat, würde er dem Mangel an Erfahrung zuschreiben. Bei Glacier läuft das anders: Umfangreiche Feedbacksessions, die jedes Quartal stattfinden – vorgelebt von den Gründern, die sich dafür coachen ließen: „Wir ermutigen dazu, radikal ehrlich zu sein. In Konfliktmomenten bewegen wir uns aus dem Büro hinaus und unterhalten uns bei einem Spaziergang. Auch innerhalb des Teams sehen wir, dass die Menschen das Feedback weiterleben, weil es Teil unserer Kultur ist.“
Wichtig ist: „Für uns ist die Teamstruktur extrem wichtig – ob etwas von der Dynamik her passt. Selbst nach schwierigen Meetings können wir uns in die Augen sehen, als wäre nichts gewesen.“
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