Interview: Die reichste Generation aller Zeiten

Interview: Die reichste Generation aller Zeiten
Der Zukunfts-Pessimismus der Jungen ist völlig unangebracht, sagt Ökonom Axel Börsch-Supan.

KURIER:  Haben Sie Kinder?

Axel Börsch-Supan: Wir haben drei Kinder. Die  Älteste ist 30 Jahre alt und hat   zwei Kinder.  

Selten, dass eine 30-Jährige zwei Kinder hat.

Denkt man. Aber ich rate auch Studierenden  dahingehend, früh Kinder zu bekommen – am besten noch während des Studiums.

Wieso genau?

Man ist flexibel, kann sich die Arbeit teilen.  Das Leben wird später nicht einfacher.

Man will als Student aber auch mal was erleben.

Das tut man doch mit Kindern. Irre viel. Die Fragen irritieren mich. Wenn man glaubt, man kann mit Kindern nichts erleben, dann ist man auf dem Holzweg.

Junge fühlen sich einem enormen Druck ausgesetzt. Sie sollen schnellstmöglich  studieren,  ein paar Praktika machen – sonst wird’s nichts mit der Karriere.

Das ist doch nur gefühlter Druck. In Wirklichkeit ist während des Studiums doch keiner da.  Man muss sich  die Lebenszeit  sinnvoll aufteilen: Es ist hilfreich Kinder früh zu  bekommen, weil man später in der Karriere  sehr viel steiler nach oben gehen kann. Man hat mehr Lebenserfahrung. Dass Kinder ein Karrierehindernis sind ist komplett falsch. Das ist kurzfristig gedacht und stimmt nicht. Das wissen kluge Arbeitgeber.   

Wie wird die Arbeitswelt der heute 30-Jährigen in 30 Jahren aussehen?

In keinem Fall wird sie so aussehen, wie die Jungen  heute glauben. Nämlich, dass alle verarmt sind, das  Leben  grau ist, Deutschland wirtschaftlich den Bach herunter gegangen ist und Österreich gleich mit.  Das ist alles Unsinn. Wir wachsen ja auch im Augenblick mit einer halbwegs vernünftigen Rate. Jede Generation ist noch reicher geworden als die zuvor. Und es sieht so aus, als ob das auch auf die zukünftige Generation zutreffen wird. Auch die Sozialsysteme gehen nicht zu Bruch. Sie sind heute nur überdimensioniert. Die Jungen  werden später in Rente gehen, länger arbeiten, aber sie leben ja auch länger.

Wann tritt die   Vorhersage  ein, dass mehr Arbeitsplätze als  Arbeitnehmer zur Verfügung stehen? War nicht von 2015 die Rede?

Vielleicht nicht schon 2015. Aber  peu à peu merkt man es doch schon jetzt:  Fachkräfte haben schon  heute kein Problem am Arbeitsmarkt. In 15 Jahren  wird  es für die junge Generation leichter sein, in Jobs hereinzukommen – insbesondere in anspruchsvolle.

Aber sie müssen dafür entsprechend qualifiziert sein.  

Ja.  Diejenigen, die unterqualifiziert sind, denen wird es systematisch schlechter gehen. Aber der grundlegende Pessimismus ist unangebracht. Andere Generationen hatten viel schwierigere Bedingungen. Die 68er-Generation etwa, aber die  hatten einen anderen Drive, weil  sie politisch anders gepolt waren.  Die jetzige Generation ist  eher apolitisch. Sie starten aus einer Luxusposition. Dass man doppelt so reich wird wie seine  Eltern, ist nicht mehr zu erwarten, war es aber auch früher nicht.

Sie stehen einem höheren Pensionsantrittsalter nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht sehr positiv gegenüber.

Vor dem Fernseher sitzen ist ein Todesurteil, weil man verdummt. Es ist wissenschaftlich sehr schön belegbar, dass die kognitive Leistung, die Gedächtnisleistung und so weiter nach Antritt der Pension abnimmt. Und man baut körperlich ab. Lassen Sie mich ein bisschen übertreiben: Das Schöne an den Arbeitskollegen, die man nicht ausstehen kann, an dem Boss, von dem man immer eine auf die Rübe kriegt, ist, dass es sie gibt – und man nicht vereinsamt wie so viele Ältere.    

Das ist – wenn man sich die  Zahlen der Frühpensionierungen ansieht  – nicht Anreiz genug, um länger  zu arbeiten.

Österreich hat eine sehr hohe Frühverrentung. Viel höher als Deutschland,  Skandinavien  oder die Niederlande. Es gibt  mehr ältere Leute, davon arbeiten immer weniger. Das ist die größte Baustelle Österreichs. Die Regierung arbeitet daran, aber es geht sehr zäh. Zudem wird der  Vertrauensschutz übertrieben: Wenn etwa ein Staat nah am  Bankrott ist, dann müssen sich die Gläubiger des Staates arrangieren, wer wie viel bekommt, aber niemand bekommt alles. Das geht nicht. Der demografische Wandel heißt schon, dass der heutige üppige Sozialstaat – wenn wir ihn nicht anpassen – bankrott gehen wird. Weil wir mehr versprochen haben, als wir mangels junger Leute halten können.

Also: Kürzung der Renten und höhere Abgaben für die Jungen.

Man muss die Renten nicht so stark einschränken, wie manche fürchten. Sie sind  jetzt auf einem sehr generösen  Level – ich spreche vom Durchschnittsösterreicher, nicht von den Armutsgefährdeten, die es  auch in Österreich gibt. Die jüngeren Leute müssen nicht so viel mehr finanzieren, damit das System nachhaltig ist. Das ist machbar. Das haben andere Länder vorgemacht. Österreich muss es nur nachmachen. Es wird auch in Zukunft eine staatliche Pension geben, aber sie wird nicht mehr so hoch sein.   

Zur Person: Axel Börsch-Supan

Der 1965 in Darmstadt geborene Axel Börsch-Supan studierte  Volkswirtschaftslehre und Mathematik an den Universitäten München und Bonn. Der Professor für Makroökonomie  und Wirtschaftspolitik unterrichtete unter anderem an der renommierten Harvard University.   

Börsch-Supan  forscht schwerpunktmäßig zu den mikro- und makroökonomischen Auswirkungen des demografischen Wandels. Er  leitet das Munich Center for the Economics of Aging, das  Teil des Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in München ist.    

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