Hotelier der Superlative

Hotelier der Superlative
In seinem Hotel in St. Moritz beherbergt Claudio Bernasconi nicht nur Gäste.

Russen, die in zweieinhalb Stunden 55.000 Schweizer Franken versaufen und Witwen, die den Whisky ihrer verstorbenen Männer verklopfen – diese Geschichten gehören für jemanden wie Claudio Bernasconi zum Alltag. Für jemanden auf der ständigen Jagd nach dem Superlativ. Bernasconi ist Sammler. Wein, Platten, Zigarren, mit seiner Whiskybar „Devil’s Place“ hat er mit 2500 Flaschen einen Eintrag im „Guinness Buch der Rekorde“. Sie sind in seinem Hotel „Waldhaus am See“ in St. Moritz gelagert.

1 KURIER: Warum sind Sie Hotelier geworden?
Claudio Bernasconi: Die Selbstständigkeit war immer mein Ziel. In einer Bank arbeiten und morgen vielleicht keinen Job haben? Das kann ich mir nicht vorstellen.

2 Was hat es mit der Whisky-Sammlung auf sich?
Als junger Mann war ich – nachdem ich von den Bankern keinen Kredit für ein Hotel bekommen habe – auf Reisen. In Indien habe ich mir wegen der Bakterien mit Whisky die Zähne geputzt. So bin ich auf den Geschmack gekommen und habe begonnen zu sammeln.

3 Was war Ihr Traumjob?
Mein Vater hat bei der Swiss Air gearbeitet. Er sagte: „Wenn du so weitermachst, dann wirst du nichts.“ Ich habe geantwortet: „In deinem Alter bin ich längst Generaldirektor.“ Da war ich 13 Jahre alt. Aber das Gastgewerbe ist genau das Richtige für mich.

4 Was machen Sie in der Früh als Erstes?
Das Badewasser einlassen. Dann mache ich mir eine Ovomaltine und Frühstück – lese Zeitung. Um elf komme ich ins Hotel, ich
gehe nie vor drei Uhr ins Bett.

5 Was ist das Beste an Ihrem Beruf?
Der Job eines Hoteliers beinhaltet Hunderte Berufe. Ich helfe mit bei der grafischen Gestaltung der Folder, ich bin Personalchef, bin Buchhalter, bin Sommelier, bin Priester – mit Alkohol haben die Leute schneller Vertrauen. Jeder Tag ist anders.

6 Was mögen Sie nicht?
„Nein“ – es ist wie eine Kriegserklärung. Jeden Abend gehe ich von Tisch zu Tisch. Gestern erzählt mir ein Gast: „Ich wollte ein Stück Filet. Mir wurde gesagt, dass das nicht geht, weil es nur Chateaubriand für zwei gibt“. Natürlich geht das! Ich erwarte von Kellnern Flexibilität. Manchmal frage ich mich, wieso die Menschen nicht netter zueinander sind.

7 Ihr Ausgleich?
Musik, fotografieren, reisen, lesen.

8 Wie lange können Sie das noch machen?
Ein Mann sollte nie aufhören zu arbeiten. Wenn man aufhört, geht es bergab.

9 Macht Ihnen etwas Angst?
Nein. Ich bin dankbar gesund zu sein. Das ist das größte Gut der Welt und das einzig unkäufliche.

10 Wie viel arbeiten Sie?
Die vergangenen 25 Jahre habe ich von November bis April jeden Tag 14 Stunden gearbeitet. Seit 18 Monaten ist mein Sohn im Betrieb, er gibt mir manchmal frei.

11 Worauf sind Sie stolz?
Auf meine drei Kinder, die Whiskybar.

12 Gab es eine Entscheidung, die Sie heute bereuen?
Nein, ich bereue nichts. Fehlentscheidungen können positiv sein, wenn man lernfähig ist.

13 Wie viel verdienen Sie?
Geld sagt mir wenig. Ich habe viel lieber die größte Whiskybar, den schönsten Weinkeller. Allerdings sollte man darauf achten, dass man am 31. Dezember mindestens einen Franken mehr hat, als ein Jahr zuvor.

Hotelier Kurz nach seiner Ausbildung zum Koch übernimmt Claudio Bernasconi mit 22 Jahren das erste Hotel, mit 24 Jahren das zweite. Vier Jahre später, 1983, übernimmt er das Hotel Waldhaus am See in St. Moritz. Der Züricher war Vizebürgermeister und im Vorstand der Kirchengemeinde.
Aktuelles in Zahlen 2500 Whisky-Flaschen hat Bernasconi offiziell – in einem geheimen Keller sollen noch mehrere Tausend Flaschen lagern. 10.000 Franken kosten zwei Zentiliter seines teuersten Whiskys „Macallan“ aus 1878. Das günstigste Glas, kostet zwei Franken. 50.000 Weinflaschen hat er im Weinkeller. 65.000 Franken kostet seine teuerste Weinflasche, eine Chateau Rothschild 1945, eine
Magnum.

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