Gründen: "Für die Freiheit muss man die Einsamkeit mögen"
„Der Gründergeist in Österreich ist wieder angebrochen“ – so sieht es Lukas Sprenger Bundesgeschäftsführer der Jungen Wirtschaft Österreich. Allein im ersten Halbjahr 2023 wurden 19.616 Unternehmen gegründet, mehr als im Jahr davor. Tendenz steigend. „Was gut ist, denn Gründer bringen neue Ideen und Innovation. Das ist wichtig für Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft“, so Sprenger. Und das, obwohl der unternehmerische Zugang in der Gesellschaft mitunter fehlt. Sprenger: „Es braucht mehr Entrepreneur-Bildung, damit man das Gründen als attraktive Karriereperspektive sieht.“
Aber was bewegt die Menschen dann doch, selbstständig zu werden? Und zahlt es sich aus, das Risiko einzugehen? Der KURIER traf drei Neo-Gründer, die den Sprung in die völlige berufliche Freiheit gewagt haben.
Die Gründungen
- Die beliebtesten Gründungsbranchen sind im Bereich E-Commerce, IT-Dienstleistungen und Unternehmensberatung. Auf Spartenebene sind insgesamt Gewerbe und Handwerk am stärksten. Heuer gab es bisher 19.616 Gründungen, im gesamten Vorjahr 34.587
Die Gründe
- Knapp über 70 Prozent der Gründer haben den Wunsch, der eigene Chef zu sein und „das immer da gewesene Verlangen nach der beruflichen Selbstständigkeit.“ Wichtig sei laut Lukas Sprenger auch die flexible Zeit- und Lebensgestaltung. Um die Gründungen noch weiter anzukurbeln, braucht es jedoch auch eine bessere Fehlerkultur, die das Scheitern erlaubt, sagt Sprenger
Das Durchschnittsalter der Gründer: 36,3
Der Erfinder
„Schon als Kind wollte ich Erfinder werden“, sagt Christophe Vermeersch. Nach seinem Management-Studium war also klar, dass er ein Unternehmen gründen würde. Sein Plan war es, eine Möbelvermietung für „Young Professionals“ zu starten. „Die Idee war gut, nur waren der Markt und die Nachfrage schlussendlich zu klein. Viele vernachlässigen diese Faktoren. Man muss die ersten Produkte verkaufen, noch bevor man startet, um zu sehen, wie der Markt darauf reagiert.“
Anstatt sich also Hals über Kopf ins nächste Projekt zu stürzen, sammelte Vermeersch lieber erst Erfahrung als Head of Marketing in einer Firma: „Ich habe gearbeitet und gespart“, sagt er. Wobei er sich um den finanziellen Aspekt seines Traums eigentlich nie große Sorgen machte. Es war die Selbstkritik, die ihn noch warten ließ.
„Oasys“ (wie die Oase) gründete er schließlich im März 2023. „Ernährung der Zukunft“ ist die Vision. Mit einem Pflanzenturm (im Bild oben), den er entwickelt hat, soll man bequem in der Wohnung Gemüse und Salate anbauen können. Alles, was man dafür braucht, ist eine Steckdose.
Um Oasys Garden (das Gerät) zu erschaffen, hat er „vieles allein ausprobiert, Prototypen gebaut und mit Ingenieuren zusammengearbeitet.“ Solche Projekte brauchen viel Geduld: „Es ist eine lange Reise. Jeder, der es nur für das Geld macht, ist nicht gut darin beraten, ein eigenes Unternehmen zu gründen.“ Denn vor allem in der Anfangsphase muss man „die Ansprüche am eigenen Lebensstil zurückschrauben. Das war für mich kein Problem. Ich genieße jeden Tag.“
Das einzige Minus, das ihm einfällt: „Man muss die Einsamkeit mögen. Aber dafür gewinnt man die Freiheit, das zu tun, was man wirklich liebt.“ 170.000 Euro stecken bereits im Unternehmen, was „bis zum nächsten Jahr völlig ausreicht.“ Mit einem überschaubaren Marketingbudget konnten nach nur einem Monat bereits über 40.000 Euro umgesetzt werden: „Die Zahlen sprechen für sich“, so Vermeersch.
Die One-Man-Show
„Ich freue mich, dass ich wieder Jeans und Sneakers anziehen kann“, sagt Martin Himmelbauer, der vor einigen Monaten seine eigene PR-Agentur gegründet hat. Eine One-Man-Show namens „Himmelpower Communications“. Der Weg in die Selbstständigkeit war jedoch lang: „Eine Sache führte immer wieder zur anderen“, fasst er zusammen. Angefangen mit der Polizei in Linz, in die Ermittlungs- und Recherchearbeit im Journalismus und später in der Unternehmenskommunikation und in PR-Agenturen. Jetzt „bin ich genau dort, wo ich immer sein wollte.“
Die unternehmerische und wirtschaftliche Verantwortung sei nun aber anders: „Es macht einen Unterschied, ob man in einem Unternehmen tätig ist und seine Arbeit verrichtet, oder, ob man sich als externer Berater selbstständig vermarkten musst.“
Lange Zeit hat er sich deswegen nicht „drüber getraut“. Die Entscheidung, es doch durchzuziehen, kam mit dem Ausscheiden aus seiner letzten Agentur. „Ich gestalte alles selbst. Es gibt keine Überraschungen, was aber nicht heißt, dass ich weniger arbeite.“ Denn heutzutage brauche man für jeden Kunden andere Leistungen. Seine Aufgabe ist es, zu vernetzen: „Ich habe keine Mitarbeiter, aber ich ziehe Leute hinzu, wenn ich sie brauche.“
Für seine Arbeit reichen ihm Visitenkarte, Handy, Laptop und ein ordentlicher Drucker, scherzt er. „Natürlich steckt noch viel mehr dahinter. Man muss viel netzwerken und bereit sein, sich alles zu erarbeiten.“ Denn der Anfang ist nicht leicht: „Ich würde niemanden raten, ohne Polster in die Selbstständigkeit zu treten. Die Sicherheit, dass jeden Monat Geld reinkommt, fehlt.“
Deswegen sollte man sich drei bis sechs Gehälter ansparen. Und wenn man einmal nicht weiter weiß, hilft es, mit Leuten zu reden, die den Weg schon hinter sich haben, rät Himmelbauer: „Man will und muss nicht allein sein.“
Das Gründerleben sei die anfänglichen Hürden wert: „Die positive Resonanz, die man bekommt, gilt jetzt nicht mehr dem Namen der Firma, für die man arbeitet, sondern einem selbst. Das ist ein gutes Gefühl. Jede Anfrage, jeder Anruf ist für mich“, sagt er.
Der Träumer
Die Atlas Bar & Kunstgalerie in der Neustiftgasse 51, 1070 Wien, bleibt zwar noch für die nächsten Stunden geschlossen. Aber Adam Vertes (einer der Besitzer) ist bereits vor Ort. Was selbstverständlich ist, sagt er. Als Unternehmer arbeitet man deutlich mehr – jedoch für weniger Geld: „Aber ich würde nicht mehr zurückwollen, auch nicht für mehr Geld und weniger Stress.“
Seit Mitte Mai sind sie in Betrieb und haben unerwartet viele Gäste: „Man hat uns davor gewarnt, dass im Sommer wenig los ist.“ Einen Grund für die schnelle Beliebtheit sieht er in der über hundert Jahre alten Bar selbst. Vertes wollte den alten Look behalten, damit man das bekannte Wiener Lokal „Wratschko“ wiedererkennt. „Es gibt nicht viele Orte wie diesen. Die Bar ist etwas Besonderes.“ Er erzählt von einer Dame, die jeden zweiten Tag vorbeikommt, ihre Zeitung liest und dabei einen Spritzer trinkt. Gäste wie sie besuchten das Lokal schon in den 1970ern, als es noch Puppenstube hieß.
Abgesehen davon ist Atlas eine klassische Bar mit Sandwiches aus selbst gemachtem Brot, Suppen, Naturwein, Craftbier – wechselnden Kunstausstellungen. Weswegen im Hinterraum des Lokals die Künstlerin „Frau Isa“ am Werk ist. Adam Vertes kommt aus Budapest und lebte auch eine Zeit lang in Kopenhagen, wo er als Manager in Bars und Cafés tätig war. „Aber nichts davon hat mir gehört.“ Das wollte er ändern.
Die Suche nach dem richtigen Lokal war lang, mit dem Ergebnis jetzt ist er zufrieden: „Unser Konzept geht hier richtig auf.“ Der Rest habe sich einfach gefügt. Zum Beispiel lernte er Sarah Theuer kennen, die damals noch im Eventbereich im Museumsquartier und nebenbei als freie Kuratorin für diverse Projekte im Kunst- & Kulturbereich tätig war. Sie suchte nach einer neuen Herausforderung und als Kunstkennerin kümmert sie sich um die Promotion, was „eine wesentliche Rolle beim Erfolg der Bar spielt“, sagt Vertes.
Auf die Frage, wie es ist, eine Bar zu führen, sagt Vertes: „So weit so gut“ und klopft fürs Glück dreimal auf den Tisch. Studiert hat er nämlich etwas anderes: Multimediadesign und Translationswissenschaften. In Sachen Management und Finanzen greift er also auf seine Erfahrung in der Gastronomie zurück. Immerhin ist er seit 15 Jahren in dem Bereich tätig. „Es ist noch schwer zu begreifen, dass mein Traum jetzt Wirklichkeit ist.“ Er spüre den Druck, die Erwartungen zu erfüllen. Vor allem seine eigenen. „Aber es ist eine gute Art des Drucks. Wenn etwas dir gehört, willst du es perfekt machen.“
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