Gehaltscheck: Wie viel man Kanzler und Ministern in der Privatwirtschaft zahlen würde
Das politische Personalkarussell setzt sich wieder in Gang. Österreich wählt den Nationalrat neu. Die aktuelle Regierung Nehammer ist im Zuge dessen bald ihren Job los. Macht 14 Spitzenpolitikerinnen und -politiker, deren Weichen sich neu stellen.
Denn eine Garantie für einen Verbleib in der neuen Bundesregierung gibt es nicht. Weshalb sich manche noch vor Ablauf der Funktionsperiode einen neuen Posten in Politik oder damit verbundenen Institutionen sichern. Und andere – das ist aber reine Spekulation – vielleicht die Fühler in Richtung Privatwirtschaft ausstrecken.
Doch wie viel wäre diese bereit, für Ex-Politiker zu zahlen? Wer erzielt den höchsten Marktwert, wer kann nicht überzeugen? Können sich die Managergehälter mit jenen eines einstigen Ministers oder gar Kanzlers messen und wo ist das Geschick eines erprobten Politikers überhaupt gefragt?
Der KURIER hat diese Fragen zwei Profis gestellt, ihnen die Lebensläufe der Mitglieder der aktuellen Bundesregierung übermittelt, Lobbyistenfunktionen ausgeklammert und fundierte Einschätzungen retour bekommen. Von Headhunter Julian Maly und einem international tätigen Personalexperten, der lieber anonym bleiben will. Headhunterin Charlotte Eblinger-Mitterlechner hat einer Bewertung eine klare Absage erteilt. Und das auch begründet.
Politik trifft auf Wirtschaft: Ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen?
Lebensläufe, die in der Politik geschrieben werden, lesen sich atypisch, erklärt die Personalexpertin. Gesammelte Qualifikationen ließen sich nicht auf jene ummünzen, die in der Wirtschaft gefragt sind. Schließlich könne nur ein Teil berufliche Erfahrungen außerhalb der Partei vorweisen.
Ein Hochschulabschluss ist selbst als Kanzler kein Muss – auf die Shortlist für die Besetzung eines Managementpostens in einem Konzern schafft man es ohne akademischen Titel für gewöhnlich aber nicht. Außer man überzeugt im persönlichen Gespräch oder mit anderen Qualifikationen, die nur Politiker haben können.
Denn ist ein Unternehmen bereit, sich jemanden an Bord zu holen, dessen Wertvorstellungen und politische Positionen offenkundig sind, decken Politiker mehrere Faktoren ab. Verhandeln und Taktieren, die Bereitschaft, 24 Stunden erreichbar zu sein und die Fähigkeit, enormem Druck standzuhalten, von innen und von außen, erklärt Julian Maly: „Zwischen den Stühlen zu sitzen, trotzdem etwas weiterzubringen und alle Stakeholder unter einen Hut zu bringen, ist eine enorme Managementaufgabe und letztlich etwas, das in der Führung gefragt ist.“
Wirklich gebraucht wird dieses Geschick jedoch nur in wenigen Positionen, ordnet Charlotte Eblinger-Mitterlechner ein. Das viel größere Asset, auf das Betriebe schielen, wäre ein anderes.
Erfolge im Privatsektor: Von Viktor Klima bis Sebastian Kurz
Wenig überraschend geht es ums Netzwerk, das Politiker mitbringen. Doch das hat ein Ablaufdatum und müsste schnellstmöglich jenen Firmen unterbreitet werden, für die es relevant sein könnte. Manche bekämen die Chance, sich zu beweisen, so die Headhunterin. Ganz wenigen gelingt es sogar.
Schillernde Beispiele gibt es einige, quer durch die Parteienlandschaft. Viktor Klima, der als glückloser Bundeskanzler die Regierungsbühne verließ und als erfolgsverwöhnter VW-Manager in Argentinien reüssierte. Sein Lebenslauf hätte es vermuten lassen können: Ein Magister in Betriebswirtschaft, ein Vorstandsposten bei der OMV vor Antritt der Politkarriere.
Dass es weder Vorerfahrung noch Titel braucht, um in der Wirtschaft Erfolg zu haben, bewies Sebastian Kurz. Ebenfalls unglücklich aus der Politik geschieden und seitdem als Berater, Gründer und Investor unterwegs. Mit einem vermuteten Salär, das deutlich über seinem Bezug als Kanzler liegt (siehe Kasten unten).
Ermöglicht hat ihm das die steile politische Karriere, doch das war nicht immer klar. Als der KURIER 2011 ebenfalls den Marktwert der Regierungsmitglieder prüfte, landete Kurz, damals 24 Jahre alt und Staatssekretär für Integration, auf dem letzten Platz. Mit einem geschätzten Marktwert von 35.000 Euro brutto pro Jahr und einer potenziellen Jobaussicht als Assistenz der Geschäftsführung.
Was heimische Spitzenpolitiker verdienen, ist im Bezügegesetz geregelt. 2024 sind das:
- 26.701 Euro brutto pro Monat für den Bundespräsidenten
- 23.840 Euro brutto pro Monat für den Bundeskanzler
- 20.979 Euro brutto pro Monat für den Vizekanzler
- 19.072 Euro brutto pro Monat für die Minister
Macht rund 334.000 Brutto-Jahreseinkommen für den Kanzler und 267.000 für die Minister. Ob das mit einem adäquaten Job in der Privatwirtschaft vergleichbar ist, beantwortet Gehaltsexperte Conrad Pramböck.
Die Politikergehälter liegen „in einem guten Mittelfeld“ und entsprechen folgenden Managementpositionen: CEO in Firmen mit bis zu 1.000 Mitarbeitern, Geschäftsführer von Firmen mit bis zu 3.000 Mitarbeitern, Senior Vice President in Großkonzernen oder erfolgreiche Kleinunternehmer sowie Partner in Kanzleien.
Fazit: Spitzenpolitiker sind somit gut entlohnt, so Pramböck. Allerdings ohne Bonuszahlungen und Gewinnbeteiligungen. Von den Spitzengehältern der Topmanager, die in Österreich über eine Million Euro inklusive Bonus verdienen, wäre man somit trotz hoher Verantwortung und öffentlicher Exponiertheit weit entfernt.
Wie lautet nun der Marktwert von Österreichs Spitzenpolitikern?
Was man daraus schließt? Nicht jede Beurteilung der Headhunter muss sich in der freien Wirtschaft auch bewahrheiten. Und doch waren sich beide Experten dieses Mal sehr einig. Die Reihenfolge, also wie attraktiv die Politiker für die Wirtschaft sind, fiel fast ident aus. Bei den möglichen Jahresgehältern klafften Prognosen vereinzelt auseinander.
Zur Veranschaulichung wurde der Mittelwert beider Beurteilungen herangezogen – Bandbreite inklusive. Das erste Fazit: Die meisten obersten Staatsdiener könnten in öffentlichen und stark regulierten Bereichen bedeutende Rollen übernehmen. Manche wären laut Maly sogar ordentliche „Kapazunder im Lebenslauf“.
Allen voran: Finanzminister Magnus Brunner. Sein Karriereweg ist zwar seit dieser Woche beschlossene Sache (er wird EU-Kommissar für Migration, mit einem Einkommen von 26.000 Euro brutto im Monat), in der Privatwirtschaft wäre aber weit mehr zu holen. Man sieht ihn als CEO bei den großen österreichischen Playern in Finanz oder Energie. Auch eine internationale Karriere ist denkbar. In großen Konzernen könnte das ein Jahresgehalt in Millionenhöhe bedeuten. Neben umfangreicher Erfahrung in Politik und Verwaltung bringt Brunner einen starken Bildungshintergrund mit, u. a. einen Doktor in Rechtswissenschaften.
Magnus Brunner, Finanzminister | Marktwert: 900.000 Euro (brutto pro Jahr)
Studium Jus & BWL, war Direktor beim Wirtschaftsbund und im Vorstand der Ökostrom-Abwicklungsstelle. Seine Managementerfahrung qualifiziert ihn für die Vorstandsebene in Energie und Infrastruktur sowie für eine internationale Konzernkarriere
Alma Zadić, Justizministerin | Marktwert: 360.000 Euro (brutto pro Jahr)
Studium Jus, war Anwältin bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Freshfields. In Kanzleien oder Rechtsabteilungen großer Unternehmen sowie im Compliance wäre ein Erfolg sicher. Auch Medienaffinität und verhandlungsstarkes Auftreten sprechen für sie
Karoline Edtstadler, Verfassungsministerin | Marktwert: 338.000 Euro (brutto pro Jahr)
Studium Jus, war Richterin am Landesgericht und Oberstaatsanwältin sowie am Europäischen Gerichtshof. Könnte in die Litigation PR sowie in Spitzenfunktionen in Unternehmen, u. a. als CCO. Auch als Kanzleiinhaberin oder Partnerin möglich
Martin Kocher, Arbeits- und Wirtschaftsminister | Marktwert: 288.000 Euro (brutto pro Jahr)
Studium Volkswirtschaft, war in leitenden Positionen bei renommierten Forschungseinrichtungen (u. a. IHS). Potenzielle Karriere als Chief Economist, Expertise ist auch in Finanzbranche gefragt. Je nach Arbeitgeber wären sogar bis zu 400.000 Euro möglich
Leonore Gewessler, Umwelt- und Verkehrsministerin | Marktwert: 245.000 Euro (brutto pro Jahr)
Studium Politikwissenschaften, war u. a. Geschäftsführerin von Global 2000. Ihre Umwelt- und Klimaexpertise ist aktuell gefragt, in Konzernen und Beratungsfirmen, NGOs oder dem öffentlichem Verkehr (ÖBB). Wäre aber auch ein Aushängeschild für Energie-Start-ups
Alexander Schallenberg, Außenminister | Marktwert: 238.000 Euro (brutto pro Jahr)
Studium Jus, ohne privatwirtschaftliche Vorerfahrung. Gilt als Top-Diplomat und ausgewiesener Experte in internationalen Beziehungen. Mögliche Karriere als Botschafter oder in Public Affairs sowie in ranghohen Positionen in multinationalen Organisationen
Im Recht verankert sind auch Justizministerin Alma Zadić und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler. Sie reihen sich bei einem prognostizierten Marktwert zwischen 250.000 und 500.000 Euro ein, mit Boni sogar darüber hinaus. Minimal die Nase vorne in der Bewertung hat Zadić, beide könnten jedoch in großen Kanzleien oder als General Counsel in multinationalen Unternehmen Fuß fassen.
Martin Kochers Karriereweg ist fixiert: Er löst Robert Holzmann als Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank ab. Hier verdient er rund 300.000 Euro pro Jahr, in etwa das, was auch die Headhunter dem Wirtschaftsminister an Marktwert zuschreiben. „Kocher verfügt über eine beeindruckende akademische Karriere“, so unser Experte. Seinen Fokus auf Verhaltensökonomie und experimentelle Wirtschaftsforschung könnte er in der Marktforschung oder Strategieentwicklung als Chief Economist einsetzen. „Zudem wäre er ein idealer Kandidat für Führungspositionen in Thinktanks oder Forschungsinstituten.“
Martin Polaschek, Bildungsminister | Marktwert: 195.000 Euro (brutto pro Jahr)
Studium Jus, habilitierte und war u. a. Rektor der Uni Graz. Weitere Karriere im öffentlichen Bildungswesen oder in Forschung möglich. Für die Wirtschaft als Führungsrolle in Thinktanks interessant mit Fokus auf Bildungs- und Wissenschaftspolitik
Susanne Raab, Familien- und Integrationsministerin | Marktwert: 195.000 Euro (brutto pro Jahr)
Studium Jus & Psychologie, hoher Bildungsgrad und umfassende Führungserfahrung machen sie für Unternehmen mit Fokus auf Corporate Social Responsibility und Integration spannend. Rückkehr in den öffentlichen Dienst ist ebenfalls naheliegend
Karl Nehammer, Bundeskanzler | Marktwert: 183.000 Euro (brutto pro Jahr)
Studium Politische Kommunikation, war Berufssoldat und Rhetoriktrainer. Könnte in Unternehmenskommunikation und Public Affairs arbeiten sowie als Strategie-Consultant. Passt zu PR-Agenturen, Konzernen und Beratungen im öffentlichen Sektor
Norbert Totschnig, Landwirtschaftsminister | Marktwert: 160.000 Euro (brutto pro Jahr)
Studium Wirtschaft, hat außerdem Management-Lehrgang mit Master abgeschlossen und war Direktor des Bauernbundes. Leitende Positionen in Verbänden oder mittelständischen Unternehmen in Agrar- und Forstwirtschaft möglich
Gerhard Karner, Innenminister | Marktwert: 150.000 Euro (brutto pro Jahr)
Studium BWL, lange Erfahrung in Parteipolitik und seit 2021 im Bund. In Unternehmen, die eine enge Abstimmung mit Behörden benötigen, wäre seine Expertise gefragt. Etwa im Bereich der Sicherheitsdienstleistungen oder bei Lobbying-Agenturen
Klaudia Tanner, Verteidigungsministerin | Marktwert: 145.000 Euro (brutto pro Jahr)
Studium Jus, bringt Managementerfahrung (Kapsch BusinessCom) mit und war NÖ-Bauernbund-Direktorin. Gilt als durchsetzungsstark, könnte Führungspositionen in Verbänden und Interessenvertretungen einnehmen, die stark regulierte Märkte bedienen
Werner Kogler, Vizekanzler | Marktwert: 100.000 Euro (brutto pro Jahr)
Studium Volkswirtschaft & Jus, kaum Erfahrungen außerhalb der Politik. Da knapp vor dem Pensionsalter für Wirtschaft weniger ansprechend. Könnte als selbstständiger Berater arbeiten oder in NGOs und Thinktanks, die auf Umwelt spezialisiert sind
Johannes Rauch, Gesundheitsminister | Marktwert: 100.000 Euro (brutto pro Jahr)
Sozialakademie, kommt aus der Sozialarbeit, hat zuvor bei der Volksbank gearbeitet. Privatwirtschaftliche Karriere nach der Politik unwahrscheinlich. Führungsrolle in Wohltätigkeitsorganisationen oder Stiftungen wäre möglich
Das Schlusslicht bilden trotz prestigeträchtiger Posten und langjähriger politischer Erfahrung Vizekanzler Werner Kogler und Gesundheitsminister Johannes Rauch. Zwar wäre laut dem einen Experten, ein Marktwert bis zu 250.000 Euro drin, den NGOs oder Beratungsunternehmen zahlen könnten. Doch Julian Maly schiebt dem einen Riegel vor.
Rauch habe das Pensionsantrittsalter erreicht, Kogler stünde knapp davor. In der Privatwirtschaft würde man somit nicht auf sie warten, höchstens als selbstständiger Berater. Und davon gibt es bereits viele.
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