Wienerberger-Boss: Ohne Gas geht's auch, aber nicht ohne Maurer

Vor der Ziegel-Zentrale in Wien 10: Johann Marchner ist seit März 2020 Geschäftsführer
Wienerberger-Geschäftsführer Johann Marchner über Ziegel als lokales Öko-Produkt – und warum er den Maurer-Mangel als Problem für uns alle sieht.

Pro Jahr produziert Wienerberger Mauerziegel- bzw. Dachziegel für rund 23.000 Einfamilienhäuser. Ziegel, vor Tausenden Jahren erfunden, sind ein lokales Produkt: in zehn Werken werden sie in Österreich produziert. Rund 500 Mitarbeiter zählt der Traditionsbetrieb hierzulande.

Geschäftsführer Johann Marchner ist seit 2020 bei Wienerberger. Seine Mission: die Tradition des Baustoffs hochhalten, das 205 Jahre alte Unternehmen in die Zukunft führen. Dabei spielt Nachhaltigkeit eine entscheidende Rolle.

KURIER: Ziegel als Produkt ist nachhaltig, oder?

Johann Marchner: Wenn wir heute über Nachhaltigkeit reden, muss man erkennen: die Gebäude rund um uns gibt es seit Jahrzehnten, seit Jahrhunderten. Das ist gelebte Nachhaltigkeit.

Klingt nach: nichts mehr zu tun, in Ihrem Sektor.

Natürlich nicht. Wir sind heute schon nachhaltig, aber wir können noch besser werden. Das nehmen wir ernst, das machen wir. Ich bin zweifacher Großvater, insofern kommt meine Verantwortung auch daraus.

Der Ziegel war über Jahrhunderte das Kernprodukt von Wienerberger. Ist er das noch immer?

Wir stehen für gesamtheitliche Lösungen. Das ist das Produkt, aber nicht nur. Es ist auch die Fertigungstechnologie auf der Baustelle, die Supply-Chain von der Herstellung bis zum Bau. Entscheidend: dass wir eine österreichische, lokale Produktion sind, wir uns also über Lieferkettengesetze keine Gedanken machen müssen.

Wienerberger-Boss: Ohne Gas geht's auch, aber nicht ohne Maurer

Wienerberger-Chef Johann Marchner: „Es gibt keinen nachhaltigeren Werkstoff als Ziegel“ 

Wie attraktiv ist ein Ziegelhaus für Kunden?

Sehr. Das klassische Ziegelhaus steht auf der Einfamilienhaus-Wunschliste der Österreicher ganz oben. Weil der Ziegelbau einen Wert hat. Im urbanen Wohnbau – wir können bis acht Stockwerke bauen – geht es aber auch. Gerade, wenn es um Nachhaltigkeit geht, haben wir Ziegelproduzenten also echt was zu sagen. Das erkennt übrigens auch die Expertenwelt zunehmend an: den Traditionswerkstoff kann man modern einsetzen und natürlich auch weiterentwickeln.

In der Produktion: Wo liegt ihr wunder Punkt, wenn es um Nachhaltigkeit geht?

Das ist klar der Einsatz der fossilen Energieträger in der Fabrik. Aber wir treten gerade den industriellen Beweis an, dass es ohne Gas gehen wird. In Uttendorf bauen wir ein Werk ohne Gas, mit Elektroofen, der mit Ökostrom läuft. Aber abgesehen von dieser Umstellung: Ich stelle mich heute schon hin und sage, es gibt keinen nachhaltigeren Werkstoff als Ziegel.

Mit dem neuen Ofen können Sie CO2 einsparen.

Ja, aber wir emittieren nicht viel. Trotzdem werden wir in Uttendorf mit dem neuen Ofen reduzieren – um 90 Prozent. Für die österreichische Gesamtbilanz ist das aber vernachlässigbar. Wenn Sie einen Airbus stilllegen, haben Sie den gesamten CO2-Jahresausstoß der heimischen Ziegelindustrie gespart.

200 Produktionsstätten hat der 1819 gegründete Konzern weltweit, zehn in Österreich. Johann  Marchner kam 2020  zu Wienerberger. Er sieht sich als „alter Baustoffhase“ (Eigenbezeichnung), war zuvor in der Zement-, Keramik- und Holzindustrie tätig

Climate Hours
Die Initiative   von KURIER und Glacier: ein Jahr lang wird geschult und sensibilisiert – wir berichten   über den Fortschritt unserer Partnerfirmen

Wer ist dabei?
Wienerberger, Bank Austria, Generali, TPA  

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climatehours.com  

Ist die Kreislaufwirtschaft ein Thema? Alte Ziegel werden gerne wiederverwendet. 

Da sind wir dran: Ziegel wird als Bodensubstrat eingesetzt, um Feuchtigkeit zu halten, auf recycelte Ziegel gibt es einen Run. So ein Ziegel hält, so lange Sie in brauchen. Langlebigkeit bin in die Ewigkeit.

Gibt es Zukunftsgefahren für Ihr Geschäft? 

Ja, die liegen im Fachkräftemangel. Wer sind künftig die Menschen, die mit dem Baustoff arbeiten, die unsere Häuser bauen? Die Produktion ist stark automatisiert, dort sehe ich das Problem nicht. Aber auf der Baustelle: Tausende Ziegel händisch zu setzen, ist harte Knochenarbeit. Wir müssen uns also starke Gedanken über Bautechnologien, Fertigteilbau, Robotik machen. Damit die Menschen Spaß haben auf der Baustelle und am Beruf. Denn es ist ein toller Beruf, da entsteht was. Aber es wird schwieriger, diese Maurer zu finden. Man muss das gesamte Berufsfeld neu denken.

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