Die besten Fachkräfte Europas sind Österreicher

Die besten Fachkräfte Europas sind Österreicher
Im belgischen Spa-Francorchamps traten 37 österreichische Fachkräfte gegen ganz Europa an. Und räumten als beste Nation Medaillen ab.
Die besten Fachkräfte Europas sind Österreicher

Three, two, one, zeeeeroooo – das Mädchen mit dem hellbraunen Haarzopf wirft den Pinsel auf den Boden und umarmt den Mann neben sich. Geschafft. Jeder Pinselstrich hat gesessen, die Wand ist fertig, zeigt das EuroSkillsLogo mit bunten Kreisen. Eine dicke Träne fließt über ihre rechte Wange, als WKÖ-Vizepräsidentin Renate Römer sie herzt. Auch sie wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Bei der Fachkräfte-EM geht es nicht ohne Emotionen. Mit der Wirtschaftsdelegation ist Römer nach Spa-Francorchamps gereist, um die 37 Teilnehmer, darunter acht Frauen, zum internationalen Wettkampf um Europas beste Jung-Facharbeiter zu begleiten.

Seit 2008 finden die EuroSkills zweijährlich – alternierend mit den WorldSkills – statt. Diesmal direkt auf der belgischen Formel-1-Rennstrecke. Bezeichnend, denn das Rennen um Europas Beste ist knallhart. Österreich ist nach Finnland das Land mit den meisten Teilnehmern. Mechatroniker, Drucktechniker, Gartengestalter, Maurer, Fliesenleger –  sie alle treten alleine an, manche zusätzlich im Team. Bewertet wird beides. "Gerade im traditionellen Handwerk sind die Österreicher sehr gut", sagt Josef Herk, Chef der Wirtschaftskammer Steiermark und Teil der Delegation. Erstmals gibt es auch die Disziplin Entrepreneurship, die Österreich und Finnland ins Leben gerufen haben. Die Entrepreneur-Teilnehmer aus Österreich, Finnland und der Slowakei müssen eine Geschäftsidee samt Businessplan präsentieren. "Wir wollen damit zeigen, dass unternehmerisches Denken schon bei Schülern wichtig ist", sagt Katharina Kiss, im Unterrichtsministerium für das Projekt Entrepreneurship in berufsbildenden Schulen zuständig.

 

In der Auslage

Mehr als 700 Stunden trainierten die Teilnehmer, über vier Monate lang, jede freie Minute, oft in ihrer Freizeit. Die 23-jährige Steinmetzin Melanie Seidl bekam vom Arbeitgeber vier Wochen frei – trotz Hochsaison im Steinmetzbetrieb. Für ihren Chef Norbert Kienesberger eine Frage der Einstellung: "Ich möchte, dass unser Beruf bekannter wird, und da muss man einfach in die Jugend investieren."

Beim Wettkampf werden die jungen Fachkräfte von je einem Experten unterstützt, der gleichzeitig auch die Teilnehmer der anderen Länder als Juror bewertet. Gesprochen werden darf währenddessen nicht. So mancher Experte war selbst schon als Teilnehmer bei den Skills. Wie Michael Tobisch, der Malerin Anita Mayer trainiert hat und 2007 Gold in Japan holte. "Ich will mein Wissen an die Jungen weitergeben", sagt er.

 

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Die Teilnehmer geben ihr Bestes, im Wettlauf mit den Konkurrenten aus den europäischen Ländern, in nach Berufssparten unterteilten Boxen, zum Teil hinter  Glas.  Der Mechaniker schraubt, die Gartengestalter pflanzen Sträucher, der Maurer lässt die Mauer Ziegel um Ziegel wachsen. Hunderte Schaulustige  gehen im Laufe des Tages vorbei, tuscheln, zeigen mit dem Finger, fotografieren. Ein bisschen wie im Zoo. Ein Wunder, dass die Teilnehmer  den Wettbewerb so ruhig schaffen. Das liegt an der "Mutter der Nation", Gudrun Dietrich, die sich um die Jungen kümmert, sie während des Wettbewerbs mit Tee und Essen versorgt, sie  aufrichtet, "wenn ein SMS um Mitternacht kommt und die Teilnehmer was brauchen". Auch ein Mentalcoach ist dabei: Alois Scheiber, der schon Skigrößen wie Benny Raich trainiert  und die Teilnehmer in Österreich per Klettertraining  auf den Wettkampf eingestimmt hat. "Sie müssen sich als Team sehen. Nur dann können sie sich auch gegenseitig unterstützen", sagt er.  

 

 

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Das brauchen sie. Denn der Druck ist groß. Alles geht auf Zeit. Jedes kleinste Detail muss sitzen. Maurer-Experte Johann Feldbacher sagt: "Für jeden Millimeter,  der nicht passt, gibt es Punkteabzug."Am Ende des zweiten Tages neigt Jungmaurer Matthias Moosbrugger den Kopf, betrachtet sein Werk und meint: "Es sieht ganz gut aus." Am Ende des dritten Tages wird er seine Mauer samt Torbogen noch vor dem finalen Countdown vollendet haben – während bei Estland  erst die halbe Mauer steht.

Schummeln statt Doping

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Im Hintergrund hört man Geschichten, die schnell vermuten lassen, dass hier nur die Medaille zählt. Wie im Hochleistungssport. Geschichten über versuchte Schiebung, präpariertes Werkzeug, unfaire Juroren. Gefeilscht wird in der Jurysitzung  um jeden Punkt, hört man später, manchmal ging es um Kommastellen. Ein deutscher Experte will nicht wahrhaben, dass die anderen Juroren Deutschland auf den letzten  Platz reihen – er reist erbost ab.

Am Ende sind alle sichtlich erschöpft und froh, dass die Anspannung der vergangenen Wochen vorbei ist. Bei der Siegerehrung  in einem Basketballstadion kocht die Stimmung  über. 22 Mal ruft die Moderatorin "Austria". 14 Mal Gold, sechs Mal Silber, zwei Mal Bronze (Siegerliste siehe Download ganz unten) Österreich ist beste Nation, weit abgeschlagen rangiert Finnland mit 17 Medaillen. WKÖ-Vizepräsidentin Renate Römer strahlt: "Ich bin im Glück" – ihre Mission ist erfüllt. Und die österreichischen Besten  Europas wollen weiterkommen: Goldmädchen Melanie Seidl will erst die Meisterschule, dann sich  selbstständig machen. KfZ-Mechaniker Alexander Sudy die Abendmatura nachholen. Ein Haus, ein Auto, einen Job auf Lebenszeit gibt es zwar nicht wie für die Koreaner auf den World Skills. Dafür Medaillen und jede Menge Anerkennung.  Und den Stolz, etwas Besonderes geschafft zu haben.

EuroSkills: Handfester Wettkampf

Das war Die Berufs-EM EuroSkills finden alle zwei Jahre alternierend mit den WorldSkills statt. Bei den EuroSkills 2012 im belgischen Spa-Francorchamps sind 450 junge Fachkräfte (bis 25 Jahre) aus  27 EU-Ländern in mehr als 40 Berufsdisziplinen gegeneinander angetreten. Die Anzahl der Teilnehmer variiert je nach Bewerb, die Mindestteilnehmeranzahl liegt bei drei. Bei vier oder weniger Teilnehmern wird nur Gold vergeben.  

Das kommt 2013 finden die WorldSkills  in Leipzig   statt, 2014 werden die EuroSkills in  Lille (Frankreich) ausgetragen.

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