Das bleibt für immer: Die Lehren aus der Krise

Das bleibt für immer: Die Lehren aus der Krise
Krisen machen uns klüger. Der KURIER hat sechs Unternehmer gefragt, was ihre Lehren aus der Krise sind.

Wer im Ausnahmezustand agiert, stellt sich regelmäßig die Frage: Wie lange noch?

Antwort darauf, wann die Corona-Krise vorbei ist, gibt es aktuell keine. Sicher ist: Seit über einem Jahr strecken sich Menschen, Gesellschaft und Wirtschaft nach der Decke. Agieren im Nebel, fahren auf Sicht, probieren aus und hangeln sich von Woche zu Woche.

Nicht wissend, was kommen wird – Öffnung, Schließung, Schwierigkeiten, Erleichterung? Sicher ist auch: So eine Krise ist ein Intensivtraining auf allen Ebenen. Unternehmen und Mitarbeiter improvisieren, stellen neu auf, erfinden. Das eröffnet neue Perspektiven – Wege und Mittel, die man vorher nicht ausgeschöpft hat, werden jetzt plötzlich genützt.

Der Lehren bewusst werden

„Die Krise wird vorbei gehen, und wir werden wieder nichts gelernt haben“, kritisierte Female-Founders-Gründerin Lisa-Marie Fassl in einer Podiumsdiskussion der ÖAG. „Stimmt nicht“, entgegnete Unternehmensberater Georg Kraft-Kinz. „Die Menschen lernen und werden das Gelernte nützen. Aber man muss mehr Bewusstsein dafür schaffen.“

Eben dieses Bewusstsein will die Initiative (Infobox am Ende des Artikels) der UnternehmerInnen Grazia Nordberg, Annabel Loebell, Lisa-Marie Fassl, Georg Kraft-Kinz, von Werber Stefan Häckel und ÖAG-Generalsekretär Rainer Newald wecken. In der Krise wurde in Sachen Digitalisierung, Unternehmenskultur, Work-Life, Diversität und Ressourcen viel verändert – aber was konkret? Und was davon wollen wir „ins Leben danach“ retten?

Zum Start der Initiative, die der KURIER unterstützt, haben wir sechs UnternehmerInnen gefragt, was ihre Lehren aus der Krise sind. Wie ihr Leben heute anders ist als früher und was wir nie vergessen werden.

Maryam Yeganehfar, Geschäftsführerin und Inhaberin von Yamyam Event

Das bleibt für immer: Die Lehren aus der Krise

KURIER: Was haben Sie aus der Pandemie gelernt?
Maryam Yeganehfar:
Wahrscheinlich mehr als in 13 Jahren Selbstständigkeit. Nach dem ersten Gefühl der Ohnmacht, kam die Angst, alles zu verlieren. Alles, wofür ich zwölf Jahre lang hart gearbeitet hatte, wurde mir über Nacht genommen. Das Auftragsbuch war leer, alle Events storniert. Ich musste aktiv werden, um meiner Branche eine Stimme zu geben, ich begann zu kämpfen, denn ich konnte der Ohnmacht nicht nachgeben und tatenlos dasitzen. Es tat gut aufzustehen, auch wenn ich niemals politisch aktiv sein wollte. Ich lernte: Sag niemals nie.  Ich musste schnell einen Weg finden, um wieder Geld zu verdienen.   Ich habe  lange mit dem Gedanken gespielt, mehr Interior Design zu machen. Die Pandemie gab mir  viel Zeit und Muße, das endlich zu tun.  Heute stehe ich davor, drei  Projekt abzuschließen.    

Was waren gute Erfahrungen?
Gemeinsam mit meinem Team haben wir geweint, gefürchtet, den Atem angehalten und sind wieder aufgestanden. Ich habe gelernt, dass nicht nur ich meine Firma und mein Team trage sondern sie auch mich tragen. Das Schönste an der Pandemie ist wohl die gewonnene Zeit mit meiner Tochter. Ich  durfte ihr gesamtes viertes  Lebensjahr ganz eng an ihrer Seite verbringen.

Was dürfen wir nicht vergessen?
Ich weiß, wenn alles wieder losgehen wird und wir wieder mehr zu tun haben, ist die Gefahr groß, zurück in den Trott zu fallen. Ich werde  bestimmt nicht mehr auf diese wertvolle Zeit mit meiner Tochter verzichten.  

Was machen Sie in Zukunft anders?
Diese Pandemie hat mich gelehrt, dass ich mich noch besser organisieren und vor allem viel delegieren muss.  Wir haben es geschafft, aus dem vermeintlich Negativem etwas Neues, Freudvolles und Erfolgreiches zu schaffen. Ich lerne jeden Tag –   es ist wie zurück in der Schule. Dieses neue Lernen soll es auch in Zukunft geben.

Tobi Müller, Inhaber des Restaurants „Mochi“

Das bleibt für immer: Die Lehren aus der Krise

KURIER: Was haben Sie aus der Pandemie gelernt?
Tobi Müller:
Rasch zu handeln. Sicherheit ausstrahlen und weitergeben. Kommunizieren, kommunizieren und kommunizieren. Und auf das Bauchgefühl hören. Flexibilität und Innovation sind essenziell in Krisenzeiten – es gibt keine blöde Idee. Jeder noch so verrückte Vorschlag hat es verdient, gehört zu werden und muss ausprobiert werden.
 
Was waren gute Erfahrungen im vergangenen Jahr?
Es hat wahnsinnig viel Innovation gegeben, es sind Dinge aufgepoppt, mit denen man so nicht gerechnet hat. Man darf es eigentlich nicht laut sagen, aber teilweise bin ich der Pandemie auch dankbar, denn dadurch sind bei uns firmenintern Ideen und Projekte entstanden, die unter normalen Bedingungen vermutlich so nie passiert wären.  
 
Was dürfen wir nicht vergessen?
Wie schlimm es ist, wenn soziale Kontakte reduziert werden müssen. Die Fokussierung auf nationale Interessen bringt der Gemeinschaft nix. Wie fad Wien ohne Touristen ist.
 
Was machen Sie in Zukunft anders?
Wir werden die Kommunikation verbessern und versuchen, uns mehr mit Branchenkollegen auszutauschen. Ich werde in Zukunft jeden Moment genießen, wenn ich Menschen mit unserer Dienstleistung glücklich machen kann.   

Felix Ohswald, Gründer und Geschäftsführer der Plattform gostudent.org

Das bleibt für immer: Die Lehren aus der Krise

Was haben Sie aus der Krise gelernt?  
Felix Ohswald:
Mir ist klar geworden, wie wichtig der soziale Austausch zwischen den Mitarbeiterinnen ist. Im Homeoffice habe ich bemerkt, dass eine gewisse Trägheit und Vereinsamung von uns allen eingesetzt hat. Dann haben wir auf ein Hybrid Modell – abwechselnd Büro und Homeoffice – umgestellt. Das hat sehr gut funktioniert, das wollen wir beibehalten. Bei unseren Kunden habe wir die Frustration der Familien mitbekommen, die zu wenig Platz hatten für Homeoffice  und Homeschooling. Da habe ich gelernt, wie wichtig gute Organisation und auch zeitweiliger Abstand   sind.
 
Die guten Erfahrungen?
Wir haben im vergangenen Jahr unser bisher stärkstes Wachstum seit Bestehen des Unternehmens  hingelegt. Wir konnten nach Frankreich, Spanien, UK und Italien expandieren. Da haben wir uns von der Krise nicht einschüchtern lassen.

Was bleibt unvergessen?
Im Vergessen sind wir Menschen ja ausgezeichnet. Und doch nehmen wir uns vor, diese Zeit als Chance zu sehen, um in Zukunft agiler und aktiver zu sein.

 Was ist in Zukunft anders?
Wir haben unsere Meetings nochmals stärker ins Online verlegt und damit enorm an Produktivität gewonnen. Allein das Hinfahren, im Hotel einchecken, übernachten – immer klappt irgendwas nicht – da sind wir über Online viel schneller und günstiger.

Daniel Schmöltzer, Gründer/Geschäftsführer The Voice Agency

Das bleibt für immer: Die Lehren aus der Krise

Was haben Sie aus der Pandemie gelernt?
Daniel Schmöltzer
: Mit 21 Jahren eine Firma zu gründen, ist etwas Großartiges, aber auch eine riesen Herausforderung. Ich habe immer wieder damit gekämpft, aufgrund meiner Jugendlichkeit im Geschäftsleben ernst genommen zu werden. Die Pandemie hat das verändert. Innovative, junge und divergente Herangehensweisen waren  plötzlich gefragt. Frischer Wind, ungewöhnliche Ansätze und Denkweisen haben einen neuen Stellenwert erhalten.

Die guten Erfahrungen?
Gut ist und war, dass durch die Pandemie viele, oft starr wirkende Unternehmen erkannt haben, dass sie sich bewegen müssen. Es sind neue, kreative Ideen entstanden und umgesetzt worden.

Was bleibt unvergessen?
Es bleibt zu hoffen, und das würde ich mir wünschen, dass diese rot-weiß-rote Innovationskraft auch nach der Pandemie erhalten bleibt.

Was in Zukunft anders?
Die Bedeutung von sozialen Kontakten ist mir sehr klar geworden. Das Miteinander im positiven wie im negativen Sinn hat eine neue Bedeutung bekommen. Eine gewisse Dankbarkeit und Demut wird mich begleiten - nichts ist selbstverständlich!

Petra Hartlieb, Inhaberin und Geschäftsführerin des Buchgeschäfts Hartlieb in Wien

Das bleibt für immer: Die Lehren aus der Krise

Was haben Sie aus der Krise gelernt?
Petra Hartlieb: 
Ich bin erstaunt, wie  viel man arbeiten kann ohne als Unternehmerin kaputt zu gehen. Gesund bleiben war für meinen Mann Oliver und mich der Schlüssel, um diese Krise  gut zu überstehen, weil wir alles geschultert haben. Die Umstellung zum Online-Shop mussten wir in drei Tagen schaffen, dafür braucht man sonst ein halbes Jahr. Gelernt haben wir: Es geht alles viel schneller als gewohnt aber halt auch  ohne Schlaf.

Die guten Erfahrungen?
Begeistert hat uns die Solidarität der KundInnen –  Menschen die wir nicht kannten, haben uns geholfen. So hat sich eine Runde von freiwilligen Fahrradboten gefunden, die unsere Bücher zugestellt haben.  Gelernt habe ich, dass alles Gute, das Du gegeben hast, zurückkommt. Am zweiten Tag des ersten Lockdowns  haben wir den MitarbeiterInnen geschrieben, wir haben Kurzarbeit beantragt. Eine Stunde später waren alle im Geschäft, um zu helfen. Wenn Du die richtigen Mitarbeiter  hast, bist Du stark.
 
Was bleibt unvergessen?
Ich wollte immer schon dem Fluch des kommerziellen Wachstums entkommen. Ich schreibe und verkaufe Bücher, weil mich Geschichten begeistern. Und doch wird einem   in der Krise klar, dass ohne Umsatz schnell das Licht ausgeht. Die beste Erfahrung ist, dass wir zusammengerückt sind,  das stärkt uns.

Was ist in Zukunft anders?
Wir werden mehr zu Hause sein und nicht jeden Abend irgendwohin laufen. Wir werden uns um unsere Freunde kümmern und nicht immer um Fremde. Wir bleiben wachsam,  Erfolg ist flüchtig und nichts ist sicher, außer die innere Stärke. Vergessen wir auch nicht: Ein Web-Shop hat keine Drohnen, die die Bücher kuvertieren. Das sind immer Menschen, die auch Familien haben und am Sonntag gerne mit ihren Kindern spielen würden. Da nehme ich auch als Kundin Tempo raus.


 
 

 

 

 

 

 


   

 

Bei einer Podiumsdiskussion der Österreichisch-Amerikanischen-Gesellschaft (ÖAG) schufen die Beteiligten Georg Kraft-Kinz, Grazia Nordberg, Lisa-Marie Fassl, Rainer Newald, Stefan Häckel und Annabel Loebell (im Bild v. li.) die Initiative #aufgehts.

„Die Krise wird vorbei gehen und nichts wird sich ändern“, kritisierte Lisa-Marie Fassl. „Nein, das darf nicht sein“, konterte Georg Kraft-Kinz, „wir werden dafür sorgen, dass sich was verändert“. Vom Reden ins Tun: #aufgehts. Des wird wieder: #aufgehts. Worauf warten: #aufgehts. Genug gejammert: #aufgehts.

Der Hashtag soll anspornen: Was haben Sie gelernt und was wollen und werden Sie fortan in ihrem Leben anders machen? Wo hat die Corona-Krise auch Positives bewirkt, insbesondere in den Bereichen Digitalisierung, Unternehmenskultur, Work-Life, Diversität und Ressourcen?

Sie, liebe LeserInnen, sind aufgefordert, Ihre Erfahrungen zu teilen. Schreiben Sie an hallo@aufgehts.work oder posten Sie zu diesem Thema in Ihren Social Media Kanälen unter Hashtag #aufgehts.

Besuchen Sie www.aufgehts.work, wo wir alle Beiträge sammeln. Worauf warten? Post-Krise, das ist jetzt: #aufgehts.

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