Darf der Arbeitgeber den Lohn kürzen und wenn ja, um wie viel?
Mehr als zehntausend Volkswagen-Mitarbeiter demonstrierten diese Woche lautstark gegen die Sparpläne des deutschen Konzerns. Gegen den Abbau von bis zu 30.000 Stellen, Werksschließungen und gegen von der Konzernspitze geforderte Lohnkürzungen um zehn Prozent.
Aber es braucht keinen Blick über die Landesgrenze. Auch in der heimischen Industrie brodelt es, speziell in Oberösterreich. Beim Linzer Stahlriesen voestalpine soll es zu moderaten Lohnkürzungen kommen (konkret wird an fünf Standorten der Lohn statt um 4,8 Prozent um 3,3 bis 4 Prozent erhöht), der Automobilzulieferant TCG Unitech in Kirchdorf an der Krems forderte einen Lohnverzicht für knapp 900 Angestellte und stellte Kündigungen in den Raum, sollte man sich nicht einigen. Und bei KTM in Mattighofen folgte am Freitag der Schock: Das Unternehmen kann die Dezember-Gehälter nicht mehr zahlen.
Angenehm ist die Situation für beide Seiten nicht – Firmen und Angestellte. Doch was sagt das Arbeitsrecht? Dürfen Löhne gekürzt werden und was ist zu tun, wenn der Arbeitgeber pleite geht? Der KURIER hat die Antworten.
Dürfen Arbeitgeber den Lohn kürzen?
Ja und Nein, sagt Arbeitsrechtsexperte Michael Trinko vom Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB). Gehälter unterliegen in den allermeisten Fällen (98 Prozent) einem Kollektivvertrag (KV). Dieser sieht ein Mindestentgelt vor und dieses darf nicht unterschritten werden. „Auch die Einstufung muss passen“, sagt Trinko. KVs enthalten Gehaltstafeln, die Arbeitnehmer je nach Erfahrung, Tätigkeit, etc. in Verwendungsgruppen einstufen.
Das in der Tabelle angeführte Gehalt ist somit die festgelegte Untergrenze. Aber: Sobald der vereinbarte Lohn über dem KV-Mindestentgelt liegt, kann er (mit Einschränkungen) gekürzt werden. Sofern sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber einigen. Eigenmächtig darf der Arbeitgeber die Verschlechterung nämlich nicht vornehmen.
Eine Lohnkürzung steht im Raum, man wird sich aber nicht einig. Und jetzt?
Hier kann die Änderungskündigung ins Spiel kommen. Laut Begriffslexikon des Bundeskanzleramts ist das eine Kündigung, die dann erfolgt, wenn sich Arbeitnehmer mit einer bestimmten Änderung des Arbeitsvertrages nicht einverstanden erklären. Die Kurzfassung: Man willigt ein oder verliert den Job. Als Arbeitnehmer habe man in diesen Fällen „die Pistole auf der Brust“, so Trinko.
Deshalb rät der Gewerkschafter, Unterstützung von Betriebsrat oder ÖGB einzuholen und keine voreiligen Entscheidungen treffen. Wenn man der Änderung nicht zustimmt und deshalb gekündigt wird, ließe sich die Kündigung grundsätzlich innerhalb von 14 Tagen beim Arbeits- und Sozialgericht anfechten.
Wie viel Lohnkürzung ist überhaupt zulässig?
„Es hängt von der Höhe der Überzahlung ab“, sagt Trinko und verweist auf eine OGH-Entscheidung aus dem Jahr 2023. Hier hätte ein Kläger einen Einkommensverlust von 17 bis 20 Prozent verbucht, das hielt das Gericht jedoch nicht für zumutbar. In einem anderen Fall wiederum wurden sieben Prozent Lohnkürzung für zulässig erachtet. Einen fixen Prozentsatz, wann etwas zumutbar ist, und wann nicht, gibt es nicht. „Man muss sich das immer im Einzelfall ansehen.“
Was gilt bei kleineren Kürzungen (Weihnachtsgeschenke) – findet das Gewohnheitsrecht Anwendung?
Gewährt der Arbeitgeber den Mitarbeitenden wiederholt freiwillige Leistungen (das beginnt bei zwei- bis dreimaliger Gewährung), gilt das als betriebliche Übung. Die Gewohnheit wird somit zum Rechtsanspruch und lässt sich nicht ohne Weiteres einseitig beenden. Es braucht also wieder die Zustimmung des Arbeitnehmers.
Was passiert, wenn der Arbeitgeber insolvent ist, verlieren Angestellte Geld?
Nicht, solange sie selbst aktiv werden, erklärt Kerstin Kirschner vom Insolvenz-Rechtsschutz der Arbeiterkammer Wien (AK). Ansprüche, die der Arbeitgeber schuldig geblieben ist, müssen am Gericht und beim Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) angemeldet und beantragt werden – binnen weniger Wochen. „In den meisten Fällen ist es so, dass alle Mitarbeiter Gehaltsansprüche haben“, mahnt Kirschner. Warum das so ist?
Weil erst ab dem Stichtag der Insolvenzeröffnung die Gehälter zur Gänze besichert sind und vom Insolvenzverwalter ausbezahlt werden. Fällt der Stichtag nun auf einen beliebigen Tag im Monat, etwa den zwölften, müssten die bereits gearbeiteten zwölf Tage beim Insolvenzentgelt eingereicht werden, um kein Geld zu verlieren. Selbiges gilt für ausstehende Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld, die aliquot eingereicht werden können. Ist der Anspruch rechtzeitig platziert, trägt man als Arbeitnehmer keinen finanziellen Schaden, muss sich aber bis zur Überweisung einige Wochen gedulden.
Müssen offene Entgeltansprüche im Insolvenzfall selbst eingereicht werden?
Nein, hier unterstützen Arbeiterkammer und Gewerkschaften, je nachdem wo man Mitglied ist. Allerdings kann das Antragsformular auch selbst beim IEF elektronisch oder in Papierform ausgefüllt werden. Ist man auf der Suche nach dem Stichtag der Insolvenzeröffnung, findet man diesen in der Ediktsdatei der Republik Österreich.
Woher stammt das Geld aus dem Insolvenz-Entgelt-Fonds?
Der IEF ist eine staatliche (Garantie-)Einrichtung. Den größten Teil der Finanzen machen die Beiträge der Arbeitgeber aus. Dabei handelt es sich um einen prozentuellen Zuschlag zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag – den sogenannten Insolvenz-Entgeltsicherungsbeitrag. Die Höhe des Beitrages beträgt 0,1 Prozent.
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