22.500 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer waren im Vorjahr von einer Firmenpleite betroffen. Und die Pleitewelle rollt weiter – 15 Insolvenzen pro Tag sind es aktuell. Gefeit ist keine Branche mehr. Allein im Jänner meldeten bekannte Namen wie Roberto American Bar, das Taschen-Label Bree und die Möbelhaus-Kette Interio Insolvenz an. Für die Mitarbeiter ist das nicht automatisch die Kündigung. Und doch müssen sie aufmerksam sein, um im Fall des Falles keine Fehler zu machen.
Nur keine Panik
Das Allerwichtigste vorab: Ist eine Firma insolvent, hat das keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis. Oder wie Martin Müller vom Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) sagt: „Ein Insolvenzantrag bedeutet nicht, dass alles den Bach runtergeht.“ Manche Unternehmen können sich sanieren, andere gehen in Konkurs, werden aufgekauft und weitergeführt. Der Arbeitsvertrag bleibt währenddessen aufrecht.
Was sich für Angestellte ändert, ist der Vorgesetzte. Denn das ist dann der Insolvenzverwalter. Er kümmert sich um Urlaube und Krankenstände, kann Kündigungen aussprechen oder auch entgegennehmen. Und er zahlt die Gehälter, die ab diesem Zeitpunkt zur Gänze besichert sind. Daheimbleiben oder ungefragt den Arbeitgeber wechseln, ist somit nicht erlaubt. Untätig bleiben, darf man trotzdem nicht. Denn geht eine Firma pleite, ist der Tag der Insolvenzeröffnung für Mitarbeiter ein wichtiger Stichtag.
Warum? Weil alle Ansprüche, die der Arbeitgeber bis dahin schuldig geblieben ist, vom Arbeitnehmer aktiv eingefordert werden müssen – und das binnen weniger Wochen. „In den meisten Fällen ist es so, dass alle Mitarbeiter Gehaltsansprüche haben“, erklärt Kerstin Kirschner vom Insolvenz-Rechtsschutz der Arbeiterkammer (AK). Jedoch wüssten das nur wenige.
In den meisten Fällen ist es so, dass alle Mitarbeiter Gehaltsansprüche haben.
von Kerstin Kirschner, Insolvenz-Rechtsschutz der Arbeiterkammer
Offene Forderungen
„Wenn ein Unternehmen Zahlungsschwierigkeiten hat, merken das zuerst die Mitarbeiter“, sagt Gewerkschafter Müller. Löhne werden nicht mehr überwiesen, Weihnachtsgelder ausgesetzt. Doch nicht nur diese Zahlungen gilt es im Falle einer Insolvenz beim sogenannten Insolvenzentgelt einzufordern, sagt Kirschner und gibt ein Beispiel: Meldet eine Firma am 20. Jänner Insolvenz an, zahlt das Jänner-Gehalt bereits der Insolvenzverwalter.
Allerdings erst ab dem besagten Stichtag. Um die zwanzig bereits gearbeiteten Tage müsste man sich selbst kümmern. Selbiges gilt, wenn das Weihnachts- oder Urlaubsgeld bevorsteht und die plötzliche Pleite einen Strich durch die Rechnung macht. Auch dieses kann aliquot eingereicht werden. Finanzielle Abschläge gibt es, anders als bei herkömmlichen Gläubigern, keine, und das fehlende Geld zwei bis drei Monate später aufs Konto. Noch ein Vorteil: Den Papierkram erledigt die AK oder auch der ÖGB, wenn man Mitglied ist.
Schritt 1: Ruhe bewahren. Denn eine Insolvenz bedeutet nicht das Ende einer Firma und auch nicht direkt den Jobverlust
Schritt 2: Weiter arbeiten. Das Arbeitsverhältnis bleibt während des gesamten Insolvenzverfahrens aufrecht
Schritt 3: Sich beraten lassen. Am besten bei der Arbeiterkammer oder bei der Gewerkschaft. Diese erledigen den Papierkram, wie Einreichungen beim Insolvenzentgelt
Schritt 4: Fristen einhalten. Um keinen finanziellen Verlust zu erleiden, müssen Fristen eingehalten werden. Diese werden vom Richter oder der Richterin festgelegt und sind nur wenige Wochen lang
Schritt 5: Aktiv informieren. Alle wichtigen Details rund um die Insolvenz des Unternehmens finden sich hier in der Ediktsdatei. U. a. der Kontakt des Insolvenzverwalters, die festgelegten Fristen und im Falle des Falles auch der Gerichtsbeschluss zur Schließung
Anders läuft die Sache bei offenen Überstunden und Urlaubstagen. „Das ist ein Beendigungsanspruch und wird erst mit Ende des Dienstverhältnisses fällig“, sagt Kirschner. Heißt: Anspruch auf eine Auszahlung hat man nur, wenn das Arbeitsverhältnis wirklich aufgelöst wird und der Urlaub nicht verjährt ist. Schafft man es mit dem Unternehmen aus der Krise, bleiben Urlaubstage und Zeitguthaben bestehen.
Dennoch ist man nicht gezwungen, als Mitarbeiter jede Firmenpleite geduldig auszusitzen, weiß Karriereexpertin Diana Huber.
Persönliche Fragen
„Wenn man auf einem Schiff ist, das sinken wird, muss man nicht bleiben“, sagt Huber klar. Ausschlaggebend sei die eigene Geschichte im Unternehmen und das Verhältnis, das man zum Arbeitgeber pflegt. Handelt dieser offen und transparent, würde nichts dagegen sprechen, ihm die Treue zu halten. Ist er profitorientiert und die Gründe der Pleite ein fragwürdiges Finanzkonstrukt, könnte man eine berufliche Umorientierung in Betracht ziehen und „das Ganze als Chance sehen“, rät die HR-Expertin.
Wie das gelingt? Indem man „aus der Not eine Tugend macht“. Sich fragt, ob einem die Arbeit in den vergangenen Jahren wirklich Spaß gemacht hat und die Branche, in der man ist, eine Zukunft hat. „Man muss sich im Klaren sein, was man will und was nicht“, sagt Huber und plädiert dafür, das mit sich selbst auszumachen. Erst wenn eine grobe Idee vorhanden ist, würde es Sinn machen, Externe hinzuzuziehen. Sich von Anlaufstellen wie WIFI oder AMS beraten zu lassen und Bewerbungen auszuschicken. Sofern einem das insolvente Unternehmen nicht zuvorkommt.
Aus und vorbei
Denn manchmal tritt der Ernstfall ein. Das Gericht ordnet die Schließung an und Mitarbeitende werden unter Einhaltung der kollektivvertraglichen Frist gekündigt. Was dann folgt, ist das klassische Prozedere: Entweder hat man schon einen neuen Job in der Tasche oder es führt kein Weg am AMS vorbei.
Sich tatenlos dem Schicksal ergeben, muss man trotzdem nicht: Denn innerhalb der Monatsfrist haben Betroffene die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden. Und anderswo einen Neuanfang zu starten.
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