Corona: Harte Zeiten für die Wiener City

Corona: Harte Zeiten für die Wiener City
Die Restaurants, Händler und Hoteliers im ersten Bezirk kämpfen mit den Folgen der Pandemie. Ein Rundgang durch 1010 Wien.

Über die Lage seiner Trafik kann sich Thomas Wessely eigentlich nicht beklagen – sie liegt wenige Schritte von der Kärtnerstraße entfernt in der Weihburggasse 3 – im Herzen der Wiener City. Doch vom Fußgängerstrom der Einkaufsstraße zweigen nur vereinzelt Menschen ab.

„Im vergangenen Sommer sind bis zu 600 Kunden pro Tag zu mir gekommen, heute sind es vielleicht 30“, sagt Wessely, der in seinem winzigen Laden neben Zigaretten hauptsächlich Zigarren verkauft.

Getrübte Stimmung

Zwar wird in Wiens teuerster Einkaufstraße seit der Wiedereröffnung der Geschäfte wieder flaniert, Touristen begutachten die Auslagen mit den schönen Sachen und machen Selfies vor dem Stephansdom. Trotzdem ist die Stimmung unter Händlern, Gastronomen und Hoteliers getrübt. Wer genauer hinschaut, sieht, warum: Die Geschäfte und Hotellobbys sind fast leer, in Restaurants nur einzelne Tische belegt.

Corona: Harte Zeiten für die Wiener City

Dass weniger Touristen in Wien sind, kann man an der Leere klar erkennen ganze Straßen verwaisen, die Tische in Restaurants auch

Die Touristen fehlen, heißt es von allen Seiten – vor allem die kaufkräftigen aus dem asiatischen Raum. Die Urlauber aus angrenzenden Ländern, viele aus Deutschland, füllen die Straßen, aber nicht die Kassen. „Sehen Sie doch, die tragen keine Taschen, die kaufen nichts ein, höchstens einen Magnet als Andenken“, sagt Wessely, der Trafikant.

Leere Büros

Im Börseviertel an der Ringstraße hingegen fehlen die Geschäftsleute. Die Angestellten der dort angesiedelten Kanzleien, Versicherungen und Banken sind eine wichtige Stammkundschaft für die umliegenden Restaurants. Sie sitzen aber vielfach noch im Homeoffice.

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Dass Firmen nach wie vor auf Homeoffice setzen,  spürt man auch im Restaurant Hansen im Börsengebäude. Die Auslastung der Tische ging um 30 Prozent zurück   

Leo Doppler, Besitzer des Restaurant Hansen, fällt damit das Mittagsgeschäft weg, sowie Geschäftsessen, Firmenfeiern und Weihnachtsfeste. „Wir müssen da jetzt durchtauchen.“

Kaum Leerstände

Solche Durststrecken kennt hier keiner. In den vergangenen Jahren wurde die City von steigenden Touristenzahlen verwöhnt. Vor Corona waren rund 52.000 Menschen am Tag allein auf der Kärtnerstraße unterwegs – laut Hochrechnungen der Wirtschaftskammer (WKO) generierte das im Jahr 2014 eine Wertschöpfung von rund 580 Millionen Euro im Jahr.

Der Leerstand in der City hielt sich mit drei Prozent, etwa 40 Geschäfte, in Grenzen, sagt Hannes Lindner von Standort und Markt. Heute stehen die Händler unter Druck.Corona machte der Saison 2020, von der ein Rekord erwartet wurde, einen Strich durch die Rechnung. Die Wirtschaft läuft auf Sparflamme, die gesunde Wiener City wird zum Patienten.

Weniger Passanten

Was die Umsätze betrifft, so seien die Rückmeldungen der Händler dramatisch, lässt Rainer Trefelik, Chef der Wiener Einkaufsstraßen mitteilen. Er geht von einem Rückgang von weit über 50 Prozent aus. Wie hoch die Verluste ausfallen, sei noch nicht berechnet worden, so die Wirtschaftskammer.

Corona: Harte Zeiten für die Wiener City

„Ich sitze auf vollen Lagern mit Frühjahrsmode. Am Tag kommen fünf, sechs Kunden ins Geschäft, um sich umzusehen.
Kostendeckend ist das nicht“, sagt Ramin Chegini, er bietet ein seinem Laden „No.18“ auch Herrenanzüge nach Maß an

Aufgrund von Frequenzmessungen wisse man aber, dass 18.000 Menschen pro Tag allein auf der Kärtnerstraße fehlen. Dass Wiens Tourismuszahlen aufgrund der Reisebeschränkungen in den Keller rasseln, spüren die Geschäfte im ersten Bezirk besonders stark.

Allein im Juni 2020 gingen die Nächtigungen um 88 Prozent auf 190.000 zurück , im Vorjahr waren es 17,6 Millionen. „Wien lebt vom Städtetourismus, man ist gewohnt am Tourismus mit zu verdienen“, erklärt Lindner. „Fällt er langfristig aus, bleibt hier kein Stein auf dem anderen.“

Weniger kaufkräftiges Klientel

„Die Krise hat uns sehr wehgetan, wir müssen einen großen Fehlbetrag verkraften. Viele unserer Luxusmarken im Taschen- und Schuhbereich werden von internationalen Gästen gekauft“, sagt Nico Heinemann, Geschäftsführer von Steffl The Department Store. „Erst seit Juni erleben wir wieder Wochenenden, an denen wir teilweise Umsätze auf Vorjahresniveau verzeichnen, manchmal auch übertreffen.“

Dem stationären Modehandel hat Corona keinen Gefallen getan. Der Wettbewerb um Kunden, die nicht völlig in die Onlineshops abgewandert sind, verschärft sich noch mehr. Sie in die Geschäfte zu locken, ihnen eine „Erlebniswelt zu bieten“, wie Heinemann sagt, wird wichtiger und herausfordernder denn je.

Planungsunsicherheit

Eine Verödung der Innenstadt, wie sie in deutschen Städten bereits vorhergesagt wird, sieht Lindner für Wien nicht kommen, die Auswirkungen der Pandemie sehe man frühestens 2021. Wann der Patient Wien City wieder gesundet, weiß niemand.

Die einzige Bekannte Größe unter vielen Unbekannten bleibt lediglich die „Unplanbarkeit“, so Lindner. „Es kann aber sein, dass es an tourismusgetriebenen Geschäftsstandorten zu einem Wandel kommen wird.“

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