Corona geht, Homeoffice bleibt

Corona geht, Homeoffice bleibt
Das Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Was wir aus der  Ausnahmezeit für unsere zukünftige Arbeitsweise gelernt haben.

Es war wohl das größte ungeplante Experiment aller Zeiten: In den vergangenen Monaten haben hunderttausende Österreicher ihren Arbeitsplatz vom Büro in die eigenen vier Wände verlegt. Laut Arbeitsklima-Index der Arbeiterkammer saßen rund 40 Prozent der Arbeitnehmer im Homeoffice. Zum Vergleich: Vor der Krise waren es rund 25 Prozent.

Es funktioniert

Zu Beginn hat das für einigen Wirbel gesorgt, mittlerweile hat sich der Staub gelegt. Experten gehen davon aus: Auch, wenn das Corona-Virus geht – das Homeoffice könnte bleiben. Arbeitnehmer wie Arbeitgeber kamen für einige Wochen in den – teils erzwungenen – Genuss, diese Welt des Neuen Arbeitens zu testen.

Das Resümee: Sie funktioniert. Nicht überraschend also, dass viele die neu gewonnene Freiheit behalten möchten. So wollen rund zwei Drittel (Stepstone) sowie rund drei Viertel (Xing) der Befragten auch nach der Krise verstärkt im Homeoffice arbeiten. Die Frage ist, in welchem Ausmaß wird es bleiben?

Mix aus Büro und Homeoffice

„Der Weg zurück ist definitiv komplizierter“, sagt Martina Hartner-Tiefenthaler vom Institut für Managementwissenschaften der TU Wien. „In die Homeoffice-Situation hat uns ein Virus gebracht. Wie es danach weitergeht, muss nun neu ausverhandelt werden.“ Personalchefs zeigten sich in aktuellen Umfragen einer künftigen Homeoffice-Einführung gegenüber aber positiv eingestellt.

Christian Korunka, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Uni Wien sagt: „Schon vor Covid-19 gab es einen Trend in Richtung Homeoffice. Durch die Krise hat dieser nun einen Schub erfahren, es wird also weiter in die Richtung gehen.“ Homeoffice, da sind sich die Experten einig, wird nicht mehr verschwinden. Viele gehen davon aus, dass eine Hybrid-Form bleiben wird, sich fixe Bürotage mit frei einteilbaren Remote-Arbeitstagen abwechseln.

Mehr Autonomie, mehr Flexibilität

Die Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten, sieht die Mehrheit inzwischen als positiv. Es gibt weniger Ablenkung, man kann sich bei geistig fordernden Aufgaben besser konzentrieren, kann seinen eigenen Zeitplan erstellen und nach Belieben ändern, sowie Pausen selbst bestimmen.

Bei 49 Prozent der Stepstone-Befragten hat sich die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben im Homeoffice verbessert, 41 Prozent gaben an, produktiver zu sein und mehr Arbeit zu bewältigen als im Büro. Weiters berichteten Befragte von einer verbesserten Arbeitsmoral dank Homeoffice (28 Prozent). „Wäre alles wieder so wie vorher, ohne die Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten, würde das also für viele einen Verlust bedeuten“, sagt Hartner-Tiefenthaler.

„In die Homeoffice-Situation hat uns ein Virus gebracht. Wie es danach weitergeht, muss nun neu ausverhandelt werden.“

 

von Martina Hartner-Tiefenthaler

TU Wien

Es war zwar ein Sprung ins kalte Wasser. Aber selbst die schlimmsten Befürchtungen vieler skeptischer Arbeitgeber traten nicht ein. Ein Team lässt sich auch remote koordinieren, ein Jour fixe über Bildschirme abhalten und Aufgaben können relativ problemlos über digitale Plattformen verteilt werden. „Zudem haben Führungskräfte gelernt, ihren Mitarbeitern zu vertrauen“, so Arbeitspsychologe Korunka.

Weniger Berufsverkehr

Coronabedingt ging das Verkehrsaufkommen auf Autobahnen und Schnellstraßen im April und Mai mit bis zu minus 57 Prozent stark zurück, zeigen aktuelle Daten des Verkehrsclub Österreich (VCÖ).

Zurückzuführen ist der Rückgang zwar nicht nur auf die Homeoffice-Verordnung, sondern vielmehr auf den ausgebliebenen Freizeit- und Osterreiseverkehr, trotzdem könne ein Mehr an Homeoffice für weniger Staus und Frühverkehr sorgen, sowie öffentliche Verkehrsmittel entlasten:„Es kann gut sein, dass die Verkehrsspitze gekappt wird“, so Christian Gratzer vom VCÖ. Staus würden sich bereits bei 10 bis 15 Prozent weniger Autos reduzieren.

„Insgesamt erwarten wir, dass auch in Zukunft Homeoffice öfter eingesetzt wird“, sagt Gratzer „weil einerseits Beschäftigte gesehen haben, dass es durchaus eine Möglichkeit ist, von zu Hause zu arbeiten, ein oder zwei Tage die Woche.“ Zudem könnten Videokonferenzen den einen oder anderen geschäftlichen Flug ersetzen. „Für Firmen ist das auch die günstigere Variante.“

Mehrfachbelastungen und fließende Grenzen

Die schöne neue Arbeitswelt hat aber auch Schattenseiten: So geben 42 Prozent aller Umfrageteilnehmer an, mehr zu arbeiten, ein weiteres Drittel macht seltener Pausen. Für manche Befragten ist es im Homeoffice schwieriger, nach der Arbeit abzuschalten – Arbeit und Privatleben verschwimmen mehr. Und in nicht wenigen Haushalten setzte die wochenlange Heimarbeit vor allem Frauen unter Druck (siehe Abschnitt weiter unten).

„Nahezu jeder Vorteil geht gleichzeitig auch mit einem Nachteil einher“, sagt Christian Korunka. Man könne zwar ungestört arbeiten, aber vereinsamt dabei. Familie und Job lassen sich vereinbaren, Grenzen zwischen Arbeit- und Freizeit zu ziehen, falle aber vielen schwer. „Alles geht nahtlos ineinander über.“

Homeoffice ist ein spannendes Thema. Nahezu jeder Vorteil geht gleichzeitig auch mit einem Nachteil einher.“

 

von Christian Korunka

Uni Wien

Erhöhter Kommunikationsbedarf

„Auch die Team-Organisation ist für Führungskräfte herausfordernder. Sie müssen ständig aktiv mit Mitarbeitern in Kontakt treten, da der ganze informelle Austausch im Homeoffice wegfällt“, sagt Hartner-Tiefenthaler. Homeoffice zeige somit auch die Grenzen der digitalen Kommunikation auf: Nicht alles lasse sich über Videotelefonie besprechen.

„Wann und wie lang gearbeitet wird, in welcher Form die Leistungskontrolle geschieht, müsse alles besprochen, vereinbart und auf Distanz koordiniert werden. „Homeoffice-Arbeit ist meist ergebnisorientierter. Man zeigt nicht mehr durch Präsenz, dass man arbeitet, sondern durch Output“, so die Expertin.

Weniger Teamspirit

„Das hat den Nachteil, dass möglicherweise die Verantwortung für den Erfolg der Leistung auf die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen abgewälzt wird.“ Außerdem: Ab zweieinhalb Tagen pro Woche im Homeoffice, so zeigt es die Literatur, nimmt die Beziehungsqualität mit Arbeitskollegen ab. „Soziale Prozesse lassen sich nur bedingt ins Web verlagern.“

Auch der Zusammenhalt der Belegschaft an sich wird durch das sogenannte Team-Splitting auf die Probe gestellt. Dies sei zwar nur eine Sicherheitsmaßnahme, um im Falle einer Covid-19-Infektion nicht alle Mitarbeiter in Quarantäne schicken zu müssen. „Allerdings bilden sich bei solchen Einteilungen schnell Rivalitäten“, sagt Hartner-Tiefenthaler.

Büros bleiben wichtig

Wer Mitarbeiter vermehrt ins Homeoffice schickt, braucht über kurz oder lang weniger Bürofläche – für Unternehmen eine Kostenersparnis. Tatsächlich werfen Firmen bereits Pläne über Bord: Bei der Österreichischen Post etwa wird so manche Bürofläche für den IT-Bereich nun doch nicht angemietet. „Welche Auswirkungen eine Zunahme von Homeoffice-Arbeit auf den Büromarkt haben wird, kann man frühestens ab Herbst sagen“, meint Patrick Schild, Head of Agency bei CBRE Österreich.

„Mehr Homeoffice kann langfristig schon zu einer Flächenreduktion führen bzw. zu einem größeren Leerstand an Büroflächen, aber das steht noch in den Sternen und ist auch stark abhängig von der Berufssparte.“ Kurzfristig habe man aber auf dem Büromarkt einen leichten Rückgang an Quadratmetern bemerkt. „Um einen Trend herauszulesen ist es aber noch zu früh“, so Schild.

Homeoffice belastet Frauen mehrfach

Der Gleichberechtigung hat Corona nicht unbedingt gedient – Homeoffice war nur ein Teil der Arbeit, den Frauen während der Ausgangsbeschränkungen schultern mussten. Vor allem Alleinerziehende und Frauen in Partnerschaften haben laut einer neuen Studie der Wirtschaftsuni Wien mehr unbezahlte Arbeit geleistet, als vor Corona. Ein Team rund um die Wissenschaftlerin Katharina Mader untersuchte, wie sich das Homeoffice auf die Arbeitsverteilung in Haushalten auswirkte.  

Mehr unbezahlte Arbeit

Ergebnis: Die Arbeitszeit erhöhte sich durch Mehrfachbelastungen, an der Verteilung zwischen Paaren änderte sich nichts.  Im Krisenmodus mussten  Haushaltshilfen, Großeltern, Kindergarten – das ganze Netzwerk an Hilfen eben – ersetzt werden. Großteils wurde diese Arbeit von der Frau übernommen. 

Alleinerzieherinnen kommen mit knapp 15 Stunden auf die meisten Stunden pro Tag, davon sind rund neun Stunden unbezahlte Kinderbetreuung. Am meisten unbezahlt arbeiten Frauen in Paarhaushalten mit Kindern. Sie kommen auf neuneinhalb von insgesamt 14,5 Arbeitsstunden. Im Vergleich arbeiteten Väter täglich 30 Minuten weniger. Sie leisten rund sechseinhalb Stunden bezahlte und knappe sieben Stunden unbezahlte Arbeit.

Strukturelles Problem

Die Studie zeigt: es ist weniger eine individuelle Verhandlungssache, sondern vielmehr ein strukturelles Problem. Katharina Mader: „Unsere Daten zeigen deutlich, dass sich vor allem ab dem Zeitpunkt, wo Kinder im Haushalt leben, traditionelle Rollenbilder etablieren, aus deren Fahrwasser nach der Elternkarenz viele Frauen nicht mehr herauskommen. Es ist bis heute nach wie vor oft selbstverständlich, dass Frauen in Summe mehr Arbeit leisten.“

Wie viel Home im Office gut ist, wird sich in den nächsten Monaten, wenn wieder mehr Normalität in die Arbeitswelt einkehrt, zeigen. Sicher ist aber: Routinierte Arbeitsprozesse, sowie reine PC-Arbeit, können sehr gut von zu Hause erledigt werden. Sobald es aber um kreative Aufgaben geht, ein Team interagieren muss, ist Homeoffice keine effiziente Organisationsform. Denn dafür braucht es einen Ort, an dem sich alle treffen: ein gemeinsames Büro.

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