Keine bittere Pleite: Die Geheimnisse der erfolgreichen Firmen
„Die Unternehmen kämpfen an zahlreichen Fronten und verlieren immer öfters diesen Kampf“, sind die ernüchternden Worte des Geschäftsführers von Creditreform Österreich, Gerhard Weinhofer. Auftragsbücher würden sich zunehmend leeren, die Kosten aber weiter ansteigen. Ganz zu schweigen von den bürokratischen Hürden. „Die anhaltende Wirtschaftsflaute schlägt negativ zu Buche“, ist Weinhofers Fazit.
Die Folge: eine „bittere Pleite“ nach der anderen. Endlos scheint die Liste an Unternehmen, die heuer Insolvenz angemeldet haben. Accedo Austria, Iris Fabiane, missMEDIA, Windhager – keine Branche bleibt verschont.
81 Pleiten pro Woche
Allein im ersten Halbjahr 2024 sind die Insolvenzen in Österreich um mehr als ein Viertel auf 3.363 gestiegen. Ein Plus von 26,4 Prozent laut Creditreform. Oder, drastischer formuliert: 81 Firmeninsolvenzen pro Woche. Viel positiver würde es sich auch im verbleibenden Jahr nicht entwickeln, heißt es weiter. Die Prognose für 2024: mehr als 7.200 Firmeninsolvenzen und damit ein neuer 15-Jahre-Rekord.
Ganz so drastisch will es Karl-Heinz Götze, Leiter des Kreditschutzverbands (KSV) von 1870, nicht sehen. Er bezieht sich auf den Insolvenzquotienten. Aktuell werden pro Jahr rund 1,4 Prozent der Unternehmen insolvent. „Um den Jahrtausendwechsel waren es pro Jahr etwa zwei Prozent“, so der Experte. „Und damals gab es viel weniger Unternehmen.“ Dennoch stimmt er der Aussage zu, dass die Insolvenzen im Moment eine beachtliche Dimension erreicht haben.
Selbst verschuldet?
Karl-Heinz Götze listet zunächst die offensichtlichen Faktoren auf, die für den rapiden Anstieg gesorgt haben. Pandemie, Krieg, Teuerungen. „Firmen verzeichnen durch die Krisen eine Absatzschwäche“, sagt er. Gleichzeitig sind auch die Kosten für die Firmen gestiegen, sowohl beim Material als auch bei Mitarbeitern. „Manche Branchen tun sich außerdem schwer, Personal zu finden. Und ohne Personal können keine Aufträge bearbeitet werden.“
Das sei jedoch erst die Spitze des Problem-Eisbergs. Hinter den Firmenpleiten steckt mehr, wie Götz dem KURIER ausführt. Erst vor Kurzem veröffentlichte die KSV1870 eine Liste mit den häufigsten Gründen für Firmeninsolvenzen. Operative Ursachen würden da immer sehr weit oben stehen, sagt der Experte. Und auch 2023 waren sie die häufigste Ursache für Pleiten. Finanzierung, Liquiditätsplanung und mangelndes Controlling fallen darunter. „Was uns im Zuge von Insolvenzen auch immer wieder auffällt, ist das Fehlen einer Soll-Ist-Planung. Damit ist es schwierig festzustellen, ob mit einem Produkt tatsächlich Geld verdient wird“, erzählt Götz. Zum Teil seien sie im Blindflug unterwegs und würden wegen des lückenhaften Wissens falsche Entscheidungen treffen. Hier knüpft auch der zweithäufigste Grund für eine Insolvenz an: Gründungsfehler. Gemeint sind hier fehlende Branchen-Kompetenzen. „Diese Unternehmer sind in ihrem speziellen Bereich gut, aber es fehlt ihnen mitunter an Erfahrung und Wissen rund um die Mitbewerber.“
Unverhoffter Neuanfang
Auch „Persönliches Verschulden“ schafft es auf die Liste. „Es ist Vernachlässigung seitens der Geschäftsführung“, so Götz. Wenn Unternehmen stark wachsen, würden Organisation und Führung nicht immer nachkommen. So komme es zu den Pleitewellen.
„Grundsätzlich ist eine Insolvenz etwas Fürchterliches“, so der Experte. „Es ist ein Scheitern. Man enttäuscht Investoren, Lieferanten, Mitarbeiter, Gläubiger.“ Er betont aber, dass es nicht unbedingt das Ende sein muss. „Das ist ein österreichweites Stigma. Insolvenz kann auch ein Neustart sein“, erklärt er. Und genauso nehmen es die meisten Unternehmer auch auf: „Sie geben nicht auf. Sie probieren es bis zum Schluss.“ Immerhin brauche es für den Erfolg neben Hausverstand, Risikofreude und finanzielle Absicherung letztlich auch viel Euphorie, „sonst würde man nie ins Unternehmertum starten.“
Was aber machen erfolgreiche Unternehmer? Wie schaffen sie es über Jahre, ihr Unternehmen positiv zu führen? Wir haben bei drei Unternehmen nachgefragt.
„Wir bleiben am Puls der Zeit“
Laura Tremmel, Leopoldinger Rockmanufaktur in Melk
„Ich bin in dem Familienunternehmen groß geworden“, erzählt Laura Tremmel, Geschäftsführerin der Leopoldinger Rockmanufaktur in Melk. Trotzdem war nie geplant, dass sie den Betrieb eines Tages übernehmen würde. „Ich bin in eine völlig andere Richtung gegangen. Nämlich ins Marketing“, sagt sie. „Ich wusste aber, dass meine Mutter bald in Pension gehen würde und es keine Nachfolger gibt“ – das gab ihr den letzten Ruck. „Manchmal sollte man nicht auf den Verstand, sondern aufs Bauchgefühl hören“, so ihre Erklärung.
Seit 1931 gibt es die Firma. Wie sie so lange bestehen konnten? „Wir waren positiv. Geht nicht, gibt‘s nicht“, sagt Tremmel. „Mein Urgroßvater hat das Geschäft zwischen den beiden Weltkriegen gegründet, also können auch wir jede Situation meistern.“ Man muss nur flexibel sein. „Das ist unser Erfolgsgeheimnis. Wir waren immer am Puls der Zeit, haben die Trends nach Melk geholt und sind auf die Bedürfnisse der Kunden eingegangen.“ Angefangen hat ihr Urgroßvater als Orthopädie-Schuhmacher für Kriegsverletzte. Ihr Großvater machte sich seinen Namen, indem er unter anderem Einlagen für bekannte Skifahrer, etwa Michaela Dorfmeister, anfertigte: „So kam der Sport zu uns.“
Tremmels Mutter übernahm Mitte der 90er-Jahre die Firma, als es in der Wachau zu großem Hochwasser kam. „Die Skiwerkstatt stand komplett unter Wasser und auch die Umsätze wurden sukzessiv weniger.“ Also ließ ihre Mutter den Sport hinter sich und holte die Mode ins Geschäft. Die Leopoldinger Rockmanufaktur war geboren: „Diese Kleider und Wickelröcke werden auch heute noch bei uns geschneidert.“
Laura Tremmel: „Es gibt viele Geschäfte, die so sind wie wir, mein Ziel ist es aber, dass unser Geschäft ein Ort der Begegnung wird. Zum Gustieren, Probieren und Plaudern“, lacht sie.
„Wir wollen Pioniere sein“
Roland Schmid, IMMOunited GmbH
Was als Einmannbetrieb angefangen hat, wurde nach rund zwanzig Jahren zu einem Unternehmen mit 100 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von zehn Millionen Euro. Roland Schmid, Geschäftsführer und Gründer von IMMOunited hat den Sprung ins Unternehmertum gemeistert. „Ich war Vertriebsleiter in einem Unternehmen, das Zugänge zu Bundesdatenbanken verkauft hat, und habe erkannt, wie kompliziert das Grundbuch technisch und inhaltlich aufgebaut ist“, erzählt er. So sei die Idee entstanden, eine einfache Grundbuchabfrage zu schaffen.
Kurzerhand stellte Schmid seine eigene Firma auf die Beine – mit etwas familiärer Unterstützung: „Mein Bruder hat damals das Telefon abgehoben, während ich mich um Marketing, Vertrieb und Support gekümmert habe.“ Ein klarer Vorteil, wie er heute merkt: „Dadurch hatte ich unmittelbaren Kontakt zu den Kunden und konnte schnell umsetzen, worum sie mich gebeten haben.“ Auch heute betreibt er noch intensive Kundenpflege und investiert in Forschung, „weil wir Pioniere sein wollen. Wir müssen wissen, was der Kunde künftig brauchen wird, damit wir auch die Ersten bleiben“, so sein Anspruch.
Was einen erfolgreichen Unternehmer ausmacht? „Zu Beginn muss man risikofreudig sein. Man gibt viel aus, damit das Unternehmen funktioniert.“ Erst nach den ersten Erfolgen sollte man abschätzen, wie riskant die Entscheidungen noch sein dürfen: „Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem man nicht mehr die Existenz gefährden darf.“ Was jedoch nicht bedeutet, dass man nichts mehr wagen sollte: „Das Schlimmste ist ein Chef, der keine Entscheidungen trifft. Das bedeutet Stillstand oder gar Rückschritt.“
Schlussendlich hängt der Erfolg einer Firma aber nicht nur von den Fähigkeiten der Geschäftsführung ab, meint Schmid: „Es müssen auch die gesamten Rahmenbedingungen stimmen. Man muss zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein.“ Und – ganz wichtig: „Ohne Team geht nichts.“
„Mutig und frech sein“
Katharina Gregori, Finkensteiner Teigwaren
Die Geschichte der Finkensteiner Teigwaren reicht bis ins Jahr 1882. „Uns gibt es seit 142 Jahren“, sagt Katharina Gregori stolz. Sie führt den Familienbetrieb in fünfter Generation. „Mein Ururgroßvater hat es gegründet – allerdings in Bozen, das war damals noch Österreich.“ Als junger Mann habe er Ziegen gehütet und Wein verkauft. Mit dem gesparten Geld baute er eine Nudelfabrik auf.
Abgesehen vom Standortwechsel nach Kärnten, bei Finkenstein (deswegen der Name) hätte sich im Betrieb nicht viel verändert. „Auch das Nudelgrundrezept ist ziemlich gleichgeblieben“, sagt Gregori. Schon als Kind war sie in der Fabrik eingebunden: „Man hat mir wenig über Strategie, Führung, Planung erzählt. Das bringt man sich selbst bei. Damals hieß es: Tu einfach“, erinnert sie sich. „Man musste sich schon immer durchkämpfen.“ Eine wichtige Lektion, die ihr hilft, mit anstehenden Herausforderungen umzugehen. Ob beim Umgang mit Mitarbeitern, steigenden Qualitätsforderungen oder neuen EU-Verordnungen. „Einfach ist es nicht. Einige Punkte sind in kleinen Unternehmen schwer umzusetzen. Größere haben da eigene Abteilungen dafür“, sagt sie. „Ich will aber nicht jammern. Man muss sich einfach damit beschäftigen, durcharbeiten und wenn nötig auf Urlaub verzichten.“
Was einen guten Unternehmer ausmacht? „Humor. Ganz viel Humor“, ist Gregoris erste Antwort. Und: „Mut, Kontakte zu knüpfen und manchmal auch etwas frech zu sein. Das lernt man aber erst später.“ Auch eine gute Ausbildung sei definitiv hilfreich: „Am besten man ist Jurist, Biologe, Chemiker, Steuerberater, Buchhalter und noch Doktor, falls sich jemand verletzt“, scherzt sie. „Aber Spaß beiseite. Als Unternehmerin muss man mit Herzblut dabei sein.“
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