Kein Mangel an Ärzten, sondern Verteilungsproblem

Kein Mangel an Ärzten, sondern Verteilungsproblem
Wissenschaftsminister Töchterle ist skeptisch, ob Oberösterreich eine Medizin-Fakultät braucht.

Oberösterreichs Politiker, allen voran ÖVP-Landeschef Josef Pühringer, fordern, dass man (neben Wien, Graz, Innsbruck) künftig in Linz Medizin studieren kann. Gibt es dafür Bedarf? Ist Geld dafür da? Der KURIER fragte Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP).

KURIER: Herr Minister, brauchen wir eine medizinische Fakultät in Linz? Experten sagen, wir haben keinen Ärztemangel, sondern eher ein Verteilungsproblem, weil Ärzte oft nicht aufs Land wollen.

Karlheinz Töchterle: Das ist richtig. Der tatsächliche Bedarf ist eine der beiden zentralen Fragen, die zu beantworten sind, bevor man zu einer Entscheidung kommt. Es muss geklärt werden, ob ein Bedarf für die medizinische Fakultät da ist. Die Vertreter Oberösterreichs sagen natürlich, sie brauchen sie. Aber Österreich hat eine der höchsten Ärztedichten in Europa und auch gewaltige Zuwachsraten. Oberösterreich hatte eine stärkere Zuwachsrate als die drei Bundesländer, in denen es medizinische Universitäten gibt. In Oberösterreich betrug der Zuwachs an Ärzten in den vergangenen zehn Jahren rund 40 Prozent. Das heißt, es gibt Befunde, die den Bedarf nicht eindeutig belegen.

Ich höre da viel Skepsis heraus.

Ich bin dafür verantwortlich, die Frage solide zu beantworten. Eine solche Entscheidung kann nie allein aufgrund des Wunsches eines Landes gefällt werden. Sie muss auf Basis solider Grundlagen, vor allem betreffend Bedarf und Finanzierung, erfolgen.

Rektorenchef Schmidinger sagt, aus dem bestehenden Uni-Budget wird die Finanzierung für Linz nicht machbar sein. Die Universitäten kommen schon jetzt kaum mit ihren Mitteln aus.

Heinrich Schmidinger hat recht. Die Unis kommen zwar schon mit ihrem Geld aus, aber wir wissen auch, dass sie das Geld notwendig brauchen. Das heißt, man kann aus dem Kuchen, der da ist, nicht noch weitere Stücke herausschneiden. Wenn wir in Linz eine medizinische Fakultät wollen, muss es eine zusätzliche Finanzierung geben.

Im ländlichen Raum ist es teils schwer, Ärzte zu finden. Gibt es andere Ansätze als die Errichtung einer Medizin-Fakultät, um dem Problem Herr zu werden? Experten bezweifeln ohnedies, dass es so zu lösen wäre.

Das ist primär eine Frage, die der Gesundheitsminister und wohl auch die Krankenkassen beantworten müssen, nicht der Wissenschaftsminister. Aber die Unis setzen auch diverse Initiativen, etwa in Graz oder Innsbruck, wo Studenten während ihrer Uni-Ausbildung in Landarztpraxen geschickt werden. Das ist etwas, das wir tun können.

Bis wann wird es eine Entscheidung zu Linz geben?

Es wird sicher noch dauern. Es kann sein, dass wir vor dem Sommer zu ersten Entscheidungen kommen.

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Statistiken, die bisher erarbeitet wurden, belegen eines: Es gibt in Österreich weniger einen Ärztemangel als eine schlechte Verteilung der Ärzte quer durchs Land.

Ein Ärztemangel könnte sich laut einer Studie von Juli 2012 (siehe Grafik) zwar einstellen, doch hängen tatsächliche Defizite von Faktoren ab, die nicht abgesehen werden können – etwa vom Pensionsantrittsalter der Ärzte oder Abwanderung.

Kein Mangel an Ärzten, sondern Verteilungsproblem
Faktum ist: Österreich hat mit 4,7 Ärzten pro 1000 Einwohner die höchste Ärztedichte Europas. Die Zahl der Ärzte ist zwischen 2000 und 2010 um 30 Prozent von rund 30.800 auf rund 40.100 gestiegen. Aber: „Das Verteilungsproblem ist evident. Es wird sich weiter verschärfen“, sagt Georg Ziniel, Geschäftsführer der Gesundheit Österreich GmbH. Und das in drei Punkten: Erstens, regional, abseits der Städte. Zweitens Fachrichtungen betreffend, weil die Zahl der Allgemeinmediziner zurückgeht; und drittens bei den Kassenstellen, weil die Ärzte mehr denn je als private Wahlärzte oder im Spital arbeiten wollen.

Drohenden Versorgungsengpässen – auch durch Pensionierungen – will das Gesundheitsministerium durch eine Reform und Verkürzung der Ärzteausbildung begegnen. Das Konzept sei zur Umsetzung bereit, heißt es. Demnach ist nach dem Studienabschluss mit Doktorat folgendes geplant:

Grundausbildung von neun Monaten im Spital, wo die Kompetenz für Notfälle erworben wird.

Variante 1 Danach Start der Facharztausbildung statt dem jetzigen 3-jährigen Turnus.

Variante 2 Danach Start der Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin. Am Ende der etwa 4-jährigen Ausbildung steht eine Lehrpraxis bei einem niedergelassenen Arzt steht.

Dass die Reform noch nicht realisiert wird, liegt laut Gesundheitsministerium an der Ärztekammer. Sie sei säumig, weil sie für gewisse Fächer noch keine Ausbildungscurricula geliefert habe.

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