Lehrer schwindeln bei Noten
Traumnoten: 97 Prozent der Schullehrer in Florida gelten als "effektiv oder sehr effektiv", in Michigan sogar 98 Prozent. Auch in Tennessee wurden im behördlichen Bewertungsverfahren zuletzt 98 Prozent der Lehrer als "den Erwartungen entsprechend" benotet. Was nach einer optimalen Lehrerausbildung und bis in die Haarspitze motivierten Pädagogen klingt, ist zumindest teilweise das Ergebnis eines manipulierbaren Evaluierungssystems, berichtet Spiegel Online. Denn selbst an Schulen in Chicago, wo Testergebnissen zufolge die Mehrheit der Viertklässler kaum lesen kann, gibt es gute Noten für die Lehrer.
Dabei sollte ein neuer Kriterienkatalog endlich differenziertere Ergebnisse bei der Lehrerbewertung liefern. 4,5 Milliarden Dollar stellte die Regierung den Bundesstaaten im Rahmen des "Race to the Top"-Förderprogramms dafür zur Verfügung. Es ist eine ewige Baustelle: In Florida etwa wurden diese Kriterien binnen sechs Jahren 21-mal geändert, die Verwaltung wollte die Hürden für Lehrer nicht zu hoch anlegen. Das dürfte in vielen Regionen auch auf den Einfluss von Lehrergewerkschaften zurückgehen, die bei der Einführung neuer Bewertungsverfahren beteiligt sind. Doch die neuen Testverfahren ändern wenig, die überwiegende Mehrheit der Lehrer schneidet weiterhin gut oder sehr gut ab.
Eine der gravierendsten Änderungen der Eignungsüberprüfung öffnet Tür und Tor für Manipulationen. So werden die Lehrer mittlerweile nicht nur anhand der Noten ihrer Vorgesetzten, sondern auch nach der Leistung ihrer Schüler bewertet. Wenn Schüler klasse Noten haben, so können ihre Lehrer nicht schlecht sein, könnte man meinen. Dass die Mehrheit der Lehrer auch bei den neuen Verfahren außerordentlich gut abschneidet, erklären Experten so: Das Benoten der Schüler in standardisierten Testverfahren ist keineswegs das objektive Kriterium für die Qualität von Lehrern, als das es die Reformer ausgegeben hatten. Denn eine strikte Koppelung der Lehrernoten an die ihrer Schüler schafft fatale Anreize. In Georgia ist ein besonders krasser Fall aufgedeckt worden, der die möglichen Konsequenzen solcher Beurteilungsverfahren aufzeigt: Dort sind 35 Lehrer des Betrugs angeklagt, weil sie Fehler in den Tests ihrer Schüler verbessert haben sollen, um bessere Noten vergeben zu können und dadurch selbst besser abzuschneiden.
Spitze des Eisbergs?
Bereits über Jahre sollen die Schulbediensteten die Zensuren bei schulübergreifenden Vergleichstests geschönt haben. Ziel war es, ihre Schulen und somit sich selbst als besonders erfolgreich erscheinen zu lassen – und Belohnungen dafür zu kassieren. Über mindestens vier Jahre – zwischen 2005 und 2009 – dürften Lehrer falsche Test-Antworten von Schülern korrigiert, sie durch richtige ersetzt oder einfach bessere Noten verteilt haben, als die Schüler verdient hätten. "Der Betrug dauerte so lange an, wir sahen ihn als Teil unseres Berufs an", sagte eine Lehrerin, nachdem der Skandal aufgeflogen war. Hauptangeklagte ist eine 2011 zurückgetretene Schulrätin, ohne die die Mogelei in einem derart großen Ausmaß nicht möglich gewesen sei, wie der zuständige Bezirksstaatsanwalt Paul Howard festhält: "Sie hat sich voll und ganz an dieser Verschwörung beteiligt." Wer von den Mogeleien berichtet habe, sei von ihr gefeuert worden. Umgekehrt seien besonders "erfolgreiche" Lehrer mit Boni belohnt worden, die Schulrätin selbst habe während ihrer Amtszeit 500.000 Dollar eingestrichen, berichtet die New York Times.
Im Falle eines Schuldspruchs drohen der Schulrätin bis zu 45 Jahre Gefängnis. Der Schulbezirk in Atlanta mit vielen Schülern aus armen und afroamerikanischen Familien habe dadurch so geglänzt, dass die Schulrätin 2009 von der US-Vereinigung für Schul-Verwaltungsbedienstete zur "Aufsichtsbeamtin des Jahres" gekürt und von Bildungsminister Arne Duncan sogar ins Weiße Haus eingeladen wurde. Die plötzliche und massive Verbesserung der Testergebnisse und verdächtig vieler Radiergummi-Spuren auf den Testbögen ließen die Behörden schließlich einen Betrug vermuten, doch Anklage erheben konnte die Staatsanwaltschaft erst, als sich eine Grundschullehrerin, die jahrelang Testergebnisse gefälscht hatte, zur Zusammenarbeit mit den Behörden bereit erklärte. Sie kam mit einem verborgenen Aufnahmegerät zu den Mogelsitzungen und ist jetzt Kronzeugin im anstehenden Verfahren.
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