Barbara van Melle: „In der Pension arbeiten, ist wie eine Strafexpedition"
Barbara van Melle war Journalistin und ist längst erfolgreiche Unternehmerin. Sie kritisiert das österreichische Versicherungssystem und verteidigt hohe Brotpreise.
Zu einem Zeitpunkt, wenn andere ans Aufhören denken, an die Pension, hat Barbara van Melle ihr eigenes Unternehmen gegründet. Die ehemalige ORF-Journalistin und Buchautorin war damals 58 Jahre alt. Jetzt, wo ihre Firma „Kruste & Krume“ richtig gut läuft, ist die 64-Jährige schon längst in Pension, aber eben weiterhin als Unternehmerin selbstständig tätig – eine Kombination, die sie „niemandem rät“, wie sie unverblümt im KURIER Business Gespräch erzählt.
Es sei trotz aller unternehmerischen Freuden „wie eine Strafexpedition“. Voll verdienen, während man Pensionistin ist, bedeute nämlich, die vollen Abgaben, also Sozialversicherung und damit sämtliche Beiträge zu zahlen. „Sogar der extrem hohe Pensionsbeitrag läuft weiter und man hat dabei das Gefühl, alles irgendwie doppelt zu bezahlen“, sagt van Melle. Sie kritisiert dabei vor allem, dass so „kein Mensch ermuntert wird, im Pensionsalter weiterzuarbeiten. Schon gar nicht als Unternehmerin.“
Seminare und Mehl
Der Ärger über das „unattraktive System, das Leistung in der Pension bestraft“, überdeckt aber nicht die Freude, die mit ihrem Geschäft kommt. „Kruste & Krume“ bietet alles rund ums Brotbacken, von speziellen Mehlen bis zu sämtlichen Utensilien, vor allem aber Backkurse, die auf Monate ausgebucht sind. Gegründet wurde die Firma kurz vor der Corona-Pandemie, was sämtliche Backkurse erst einmal verunmöglichte. Jedoch kam mit der Pandemie eine neue Lust der Menschen am Selbermachen und ein neues Bewusstsein für gute Lebensmittel.
„Die Menschen haben angefangen, wie verrückt Brot zu backen. Wir mussten zwar mit einem Schlag 700 Seminarplätze absagen, aber unser Onlineshop ist unglaublich angesprungen“, erzählt sie von der schwierigen Zeit damals. Als junges Unternehmen sei sie auch nicht in die Gunst irgendwelcher Corona-Hilfen gefallen. Das Thema Brot und Brotbacken ist allerdings mit der Pandemie (und eigentlich schon davor) gekommen, um zu bleiben.
Business Gespräch: Barbara van Melle
Das würde man auch an den vielen neuen Bäckern sehen, die sich gerade in der Hauptstadt in den vergangenen Jahren etabliert haben. Sie hätten einen Trend begründet, der sich auch auf die großen Bäckerei-Ketten übertragen würde – nämlich, dass man dem Handwerk und dem Produkt wieder mehr Aufmerksamkeit und vor allem Zeit schenkt.
Brotbacken ist ein komplexer Prozess. Man braucht gute Zutaten, muss das Handwerk beherrschen und braucht viel Logistik und Zeit.
von Barbara van Melle
Denn, so van Melle: „Die Zutaten und die Zeit machen ein gutes Brot aus.“ Mittlerweile haben auch die großen Bäckereien den Trend erkannt und machen hervorragendes Brot aus Sauerteig – zu vernünftigen Preisen.
Denn gutes Brot, auch das ist ein Faktum, ist teuer geworden. Warum eigentlich? „Brotbacken ist ein komplexer Prozess. Man braucht gute Zutaten, muss das Handwerk beherrschen und braucht viel Logistik und Zeit, damit der Teig sich entwickeln kann“, so die Expertin. Das koste Geld, das die sogenannten Boutique-Bäckereien auch verlangen.
Ihr Unternehmen „Kruste & Krume“ hat mittlerweile 14 Angestellte, auch ihre Tochter ist vor ein paar Jahren eingestiegen – „das macht uns zu einem echten Familienbetrieb“, sagt van Melle. Das Wachstum des Unternehmens sei irgendwie Segen und Fluch zugleich – denn mit den Mitarbeitern kommt immer mehr Bürokratie und Papierkram. „Das habe ich unterschätzt, wie mühevoll und anstrengend die gesamte Verwaltung ist. Ich bin naiv ins Unternehmertum gegangen, denn wenn ich gewusst hätte, was da auf mich zukommt ... – es war wohl besser, es nicht zu wissen“, schmunzelt sie heute.
Trotzdem sei es das Abenteuer wert, denn endlich könne sie umsetzen, was ihr selbst wichtig ist. „Es war für mich entscheidend, ein Team auf eine Art zu führen, wie ich es für mich selbst immer erhofft hatte. Als Journalistin hatte ich oft das Gefühl, dass der Umgang mit Mitarbeitern nicht gepasst hat. Ich möchte ein offenes Klima und Wertschätzung, gerade auch gegenüber Frauen und ihren vielen Verpflichtungen“, sagt Barbara van Melle.
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