Am Gerstenboden groß geworden

Interview Christiane Wenckheim und Sigi Menz in der Brauerei Ottakring am 25.09.2012
Christiane Wenckheim ist um die Welt gereist, um in der Ottakringer Brauerei zu landen

Besucher erhalten an der Einfahrtsschranke zur Brauerei einen Orientierungsplan. Mit einem grünem Marker ist der Weg in das Büro von Christiane Wenckheim eingezeichnet. Offenbar kommt es im Paradies für Biertrinker manchmal zu Verirrungen.

Christiane Wenckheim aber kennt jede abgeschlagene Ecke in den Steinstufen, jeden Winkel in der Fabrik, sie eilt leichtfüßig durch die Gänge, vorbei an den Rohren und Behältern, die ihr Ottakringer Bier transportieren. Wenckheim kennt die Brauerei seit ihrer Kindheit. Sie hat schon ihrem Großvater gehört. Der Vater hatte neue Ideen gerne mit der Familie besprochen, an der Mutter ausprobiert, so sind die Kinder mit Bier aufgewachsen. Reichlich spät, erst mit 24 Jahren, hat Christiane Wenckheim ihr erstes Bier getrunken.

Nicht nur jeden Winkel kennt Wenckheim, auch jeden Mitarbeiter kennt sie persönlich. „Haben Sie eine Minute, Frau Wenckheim?“ „Christiane, ich muss dich etwas fragen“ – sobald die Brauerei-Chefin auftaucht, wird sie angesprochen, eingeweiht, nach ihrer Meinung befragt. Wenckheim nickt, hört zu, schaut den Herren in die Augen, gibt Antwort oder bittet, später nochmal zu kommen, wenn es ruhiger ist. Immer höflich, immer auf Augenhöhe. Sie ist geschickt in der Unterhaltung und geübt im Geschäfte machen.

An der Abwasch

Auf den Treppen liegende Papierschnitzel hebt sie auf, zerknüllt sie in der Hand und schmeißt sie in ihrem Büro im zweiten Stock in den Mülleimer. Zwei Fotos, ein Locher, Notizzettel, Maus, Tastatur, Bildschirm – mehr findet sich nicht auf ihrem Schreibtisch. Mit dem Alter würde sich die Ordnungsliebe zur Paranoia entwickeln, scherzt sie. Ihren Mann, ein Sammler, würde das narrisch machen. Und sie erzählt, dass Ordnung hilft, wenn man oft umzieht. So wie sie vor Jahren.

Zwölf Mal ist Christiane Wenckheim in acht Jahren umgezogen. Die Tochter aus gutem Haus, die in der Schweiz studiert und in Argentinien Praktika absolvierte, hat in den USA gearbeitet. Ihr erster Job war Abwäscherin. 16 Stunden und sechs Tage die Woche hat sie in einem Hotel auf Big Island in Hawaii gearbeitet. Allüren? „Ja genau. Das kommt wahnsinnig gut. Ich habe Hotelfach gelernt und habe immer überall mitgemacht. Wenn du das beherrschst, kannst du weiterkommen“, erklärt sie. Sie hat viel gelernt bei ihren Auslandsaufenthalten: Disziplin von den Schweizern, von den Südamerikanern das „Hang Loose“ und, dass ein Lächeln mehr bewegt als Druck. Von den Amis hat sie Unternehmensmethodik gelernt. Die ist bekannt dafür, Mitarbeiter einzubinden und zu motivieren mit Sprüchen wie „Dein Bier ist mein Bier.“

Als Wenckheim nach drei Jahren USA und Hawaii in die Heimat zurückkehrte, war am Arbeitsmarkt vorerst kein Platz für sie. Ihre Auslandsaufenthalte wurden nicht ernst genommen. Also entschied sie sich für die Selbstständigkeit. Grillte in ihrem Würstelstand Burger und zapfte Bier. „Es war der Anfang der Outdoor-Gastronomie. Richtig hemdsärmelig damals. Aber eine Riesengaudi“, erinnert sie sich. Das Geld, dass die damals 24-Jährige verdiente, hat sie in Kunst investiert. Kunst ist ihre große Leidenschaft bis zum heutigen Tage.

Mit ihrem Standln konnte sie zudem lernen, eine kleine Firma zu führen. In der Brauerei hatte sie durch ihre Erfahrungen einen leichteren Start. „Die Mitarbeiter hier wussten, dass ich anpacken kann.“

Christiane Wenckheim ist am 20. März 1965 in Wien geboren.
Seit 2010 ist Christiane Wenckheim Vorstand der Ottakringer Brauerei AG.
2000 Vorstandsmitglied der Ottakringer Brauerei AG.
1997 Marketingmanagerin der Ottakringer Brauerei,
Relaunch der Marken Ottakringer, Gold Fassl und Null Komma Josef.
1991–2000 Selbstständig im Gastro-Event-Bereich.
1988–1991 Managementposition im Food-&-Beverage-Bereich,
Ritz Carlton (USA).
1984–1988 Ausbildung zur diplomierten Hotelfachfrau,
Ecole Hoteliere de Lausanne (Schweiz).
1983 Geschäftsführer-Assistenz
auf einer
Ochsenfarm in Argentinien.
1971–1982 Französisches Lycée mit Maturaabschluss in Deutsch und in Französisch.
Wenckheim ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Vier Familien sind heute an der Ottakringer Brauerei beteiligt, darunter die Familie Wenckheim.

Als Kind wollte ich ...
... Hoteldirektorin werden.
Erfolg ist für mich ...
..., wenn ich meinen Ideen und Visionen Schritt für Schritt
näherkomme.
Die größte Herausforderung ...
..., wenn man zwei Kinder hat, muss man sich Hilfe leisten können.
Ein Fehler war/ist ...
... meine Leidenschaft für Schokolade.
Mein Führungsstil ...
... nicht sehr autoritär.
Mein Buch ...
... Masaru Emoto. Die Antwort des Wassers.
Mein Luxus ...
... ich sammle seit meinem
24. Lebensjahr Kunst.

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