"Liebe brachte mich nach Wien"

Akakiko, Mi Ja Chon, Mi Ja Friedländer, Sushi, Lokale Innenstadt, asiatische Speisen
Mi-Ja F. Chon wurde in Südkorea geboren, kam mit 23 nach Wien und gründete Akakiko.

Mi-Ja F. Chon saß vor einem Tisch mit einem Haufen Geld. Wie eine Maschine zählte sie die Scheine.

Sie, damals Anfang 20, war drei Jahre lang Buchhalterin in Südkorea. Danach, 1979, ging sie nach Wien. Die Handbewegung sitzt noch immer: Im Akakiko in der Rotenturmstraße sitzend streichelt sie einen imaginären Geldpacken an der Oberkante.

Mi-Ja Chon war 1957 das neunte Kind, wuchs heran in einer Zeit, die vom Korea-Krieg (1950 bis 1953) gezeichnet war. Südkorea war damals, erinnert sie sich, ärmer als der Norden. Ohne Puppen und Klimbim wurde sie zum Schulkind, besuchte sechs Jahre die Grundschule, dann sechs Jahre die höhere Schule.

"Liebe brachte mich nach Wien"
Akakiko, Mi Ja Chon, Mi Ja Friedländer, Sushi, Lokale Innenstadt, asiatische Speisen

Die Eltern wollten Bildung, trotz enormer finanzieller Belastung, für alle neun Kinder. Dieses Bewusstsein, dass nur Bildung ein besseres Leben ermöglicht, trieb eine ganze Nation an und sollte die Bevölkerung in den kommenden Jahrzehnten zu einer der höchstgebildeten der Welt machen. Für Mi-Ja hatten die Eltern nach der Matura die Universität vorgesehen. Sie war durchaus ehrgeizig, doch Mi-Ja wollte Geld verdienen und begann als Buchhalterin zu arbeiten.

Seoul-Wien

"Die Liebe brachte mich nach Wien", stöhnt sie herzlich aus, verdreht dabei die Augen. Noch mehr Ausdruck verleiht der Geste die kreisende Kopfbewegung. Ein Gefühlsausbruch für eine Koreanerin.

Mi-Ja Chons erster Mann studierte in Wien. Um zu ihm nach Österreich kommen zu können, besuchte sie eine Krankenschwesternschule. Hier gelandet, arbeitete sie in einem Krankenhaus, bekam zwei Kinder und sammelte erste Erfahrungen in der Gastronomie. Eine intensive Zeit, nur die Liebe ließ nach. Sie trennten sich und Chon stand vor der schwierigsten Entscheidung ihres Lebens: Österreich oder Korea. Sie blieb, alleinerziehend, mit finanziellen Schwierigkeiten und einigen Stimmungstiefs.

Akakiko

1984 eröffnete Mi-Ja Chon ihr erstes Restaurant, "das Seoul", im 7. Bezirk. Sie lernte ihren zweiten Mann, den Wirtschaftsforscher Michael Friedländer kennen. Gemeinsam eröffneten sie 1994 das erste Akakiko-Restaurant in der Shopping City Süd. Vom ersten Tag an war das Konzept erfolgreich. „Wir haben gut zusammengepasst. Er war der Theoretiker, ich operativ tätig.“ Dass Sushi den Österreichern so gut munden würde, überraschte sie dennoch. Auch weil sie selber kein Fan von rohem Fisch war. 19 Jahre später zählt Akakiko 13 Lokale.

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KURIER: Essen Sie inzwischen gerne Sushi?

Mi-Ja F. Chon: Ich esse maximal ein Mal pro Woche Sushi. Ich esse lieber Lachs, kurz angebraten oder Misosuppe oder Sojasprossensalat und ich esse gerne Reiskuchen.

Ist Ihnen Geld wichtig?

Geld ist nicht wichtig. Außerdem: Wenn man daran denkt, dann kommt es nicht.

Was vermissen Sie an Südkorea?

In Korea ist alles schnell, man sagt „balli balli“. Hier ist alles sehr langsam. Wenn man sich in Korea Möbel bestellt, sind sie in drei Tagen da, hier dauert ein maßgefertigtes Bett sechs Monate. Dafür sind die Österreicher genauer. Das habe ich gelernt.

Bereiten Ihnen die Drohgebärden Nordkoreas Sorgen?

Ich mache mir schon Sorgen. Aber in Wirklichkeit kann Babyface (Anm.: Kim Jong Un) nichts machen – er ist gefangen.

Sie haben Familie in Südkorea. Hat sie Angst?

Ich habe mit meinen Brüdern darüber gesprochen: Nein.

Wie denken Sie über das Thema Überfischung?

Wir hatten vor drei Jahren Thunfisch aus nachhaltiger Fischerei. Es war wahnsinnig teuer und die Farbe war komisch. Die Kunden haben es nicht gegessen. Ich kann auch gut ohne Thunfisch leben.

Welche Werte sind Ihnen wichtig?

Empathie – meine Mitarbeiter kommen aus 14 verschiedenen Ländern. Meine Freundinnen sagen, dass ich konsequent bin. Ich bin geblieben.

Zur Person

Lebenslauf 1957 wurde Mi-Ja Chon in Chun-buk, in der Republik Korea als neuntes Kind geboren. Ihre Eltern hatten eine Pension mit einem Imbiss. Mi-Ja Chon war gut in der Schule, gab in der Oberstufe Nachhilfe in Mathematik, konnte so die enormen Schulkosten tilgen. 1975 bis 1978 arbeitete sie als Buchhalterin, 1979 kam sie nach Wien. 1984 gründete Mi-Ja Chon das koreanische RestaurantSeoul“. 1994 eröffnete sie mit ihrem Mann Michael Friedländer das erste Akakiko-Lokal in der Shopping City Süd. Sie engagiert sich zudem gesellschaftlich, ist Präsidentin des Koreakulturhauses und Vorstandsmitglied des Vereins Mi.A.

Akakiko in Zahlen13 Lokale zählt Akakiko, zwölf in Wien, eines in Linz. Den meisten Umsatz bringt das Lokal im Gerngross, gefolgt vom Linzer Standort. Rund 35 Prozent vom Umsatz werden mit dem Lieferservice gemacht.

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