"Ältere werden nicht eher arbeitslos"
KURIER: Ihre neue Studie besagt: Ältere sind nicht arbeitslos, weil sie zu teuer, sondern weil sie zu viele sind. Wie kommen Sie darauf?Helmut Hofer: Zuerst muss man sagen: Die Situation der Älteren, wie sie in der Presse dargestellt wird, würde anders aussehen, würde man auch die Beschäftigung miteinbeziehen. Das Senioritätsprinzip (Gehaltsvorrückungen aufgrund von Berufserfahrung, Anm.) unterscheidet sich nach Branchen. Bei Banken und Versicherungen, bei den Angestellten findet man es häufig, jedoch kaum bei den Arbeitern – die viel stärker von Altersarbeitslosigkeit betroffen sind.
Wenn Firmen Personal abbauen, dann doch eher Ältere, die nicht so flexibel sind und viel kosten.
Das kommt vor, wenn die Produktivität und die Löhne nicht mehr in Einklang stehen. Bei Banken und Versicherungen sind das meist Golden Handshakes in höheren Etagen. Im Bau, wo auch körperliche Fitness zählt, wird man eher Ältere entlassen. In anderen Jobs zählt wiederum die Erfahrung. Vielleicht gibt es einen minimalen Zusammenhang, aber das Senioritätsprinzip ist sicher nicht der Hauptgrund für Altersarbeitslosigkeit. Außerdem sind die Lohnsteigerungen in Kollektivverträgen längstens für 20 Jahre vorgesehen. So gesehen müsste die Altersarbeitslosigkeit ab 40 Jahren beginnen.
Die Zahl der Arbeitslosen bei den über 50-Jährigen stieg im Juni um 16 Prozent auf 85.648 – wirklich nur, weil die Gruppe der über 50-Jährigen größer wird?
Ja, es gibt einfach viel mehr Ältere. Die Beschäftigtenzahlen bei den Älteren sind ebenfalls extrem gestiegen. Doch: Die Arbeitslosenquote der 50plus ist heuer deutlich langsamer gestiegen als die allgemeine. Die Arbeitslosenquote steigt zwar mit dem Alter, wirklich hoch ist sie aber erst vor Antritt der Pension. Die 50- bis 54-Jährigen haben hin und wieder sogar eine geringere Arbeitslosenquote als die 25- bis 29-Jährigen. Das schwankt je nach Konjunktur.
Das Risiko der Arbeitslosigkeit ist bei Älteren aber doch höher.
Die Wahrscheinlichkeit, gekündigt zu werden, ist bei den Älteren unterdurchschnittlich. Aber: Sind sie bereits arbeitslos, haben sie eine deutlich geringere Chance, wieder in Beschäftigung zu kommen als andere Altersgruppen. Sie sind länger arbeitslos. Das war aber vor 20 Jahren in Österreich auch schon so. Heute haben wir viel mehr Ältere, dadurch fällt es mehr auf.
Laut IHS-Prognosen wird Beschäftigung zwar pro Jahr bis 2019 um ein Prozent wachsen, Sie prognostizieren aber weiterhin eine hohe nationale Arbeitslosenquote. Wie wird das Ältere betreffen?
Das Ganze ist eine optimistische Prognose, die vom Wirtschaftsaufschwung ausgeht. Wenn die Älteren immer mehr werden, betrifft die Arbeitslosigkeit auch immer mehr Personen. Aber die Arbeitslosenquote wird bei den 50plus eher sinken. Denn die Zahl der Älteren am Arbeitsmarkt wird in fünf Jahren nicht mehr so hoch sein, weil die Babyboomer in Pension gehen.
Werden sich die AMS-Fördermaßnahmen und die Beschäftigungsinitiative 50+ positiv auf die Lage der Älteren auswirken?
Das tun sie bereits, besonders die Lohnsubventionen zur Integration Älterer in den Arbeitsmarkt.
Die AK fordert ein Bonus-Malus-System, das Firmen mit älteren Beschäftigten belohnt und andere bestraft. Was halten Sie davon?
Ich bin skeptisch. Das hat schon bei den Menschen mit Behinderung nicht funktioniert. Die diskutierten finanziellen Anreize sind viel zu gering, um eine Wirkung zu haben. Die Betriebe würden eher Strafen zahlen als Ältere einstellen.
Was muss man tun, um die Situation der Älteren zu verbessern?
Man muss die Einstellung der Betroffenen und der Betriebe ändern – denn die Frage ist, was sind überhaupt Ältere. Man muss Präventionsmaßnahmen setzen, wie altersgerechte Arbeitsorganisation und Gesundheitsförderung. Und Lebenslanges Lernen braucht man halt.
Das sind langfristige Maßnahmen. Die Regierung will die Beschäftigung der Älteren bis 2018 steigern. Wie soll das so schnell gehen?
Mit einer guten Konjunktur. Zudem steigen die Beschäftigungsquoten Älterer seit 20 Jahren deutlich. Man hat Frühpensionen reduziert. Mit dem höheren Pensionsantrittsalter haben Arbeitgeber einen Anreiz, Ältere intern zu schulen.
Welche Folgen hätte ein Pensionsalter von 65 für Frauen für den Arbeitsmarkt? Mehr Arbeitslose?
Kurzfristig könnte es Friktionen geben. Aber: Aus demografischen Gründen gibt es immer weniger Arbeitskräfte, die Betriebe suchen Leute.
Wohl eher nicht 60-plus-Frauen?
Die weniger qualifizierten Frauen werden eher Probleme haben, andere könnten länger im Job bleiben. Was schon sein kann: Dass Leute mit der falschen Qualifikation da sind und andere gesucht werden. Arbeit ist eben nicht homogen.
Wäre Unternehmertum für Ältere eine Option? Ihre Bereitschaft dazu ist laut einer WU-Studie gering.
In Deutschland hat man das Gründen bei Älteren erfolgreich gefördert. Selbstständigkeit bietet Chancen, aber auch Risken. Mit 55 ist man vielleicht nicht mehr so risikofreudig.
Arbeitslose
Im Juni waren 85.648. Menschen über 50 in Österreich ohne Job – um 16,2 Prozent mehr als im Juni 2014. Insgesamt betrug die nationale Arbeitslosenquote 8,3 Prozent.
Beschäftigte
879.530 ältere Österreicher sind in Beschäftigung – so viele wie noch nie
Arbeitslosenquote
2014 betrug die Arbeitslosenquote allgemein etwas über acht Prozent. Bei den 55–59-Jährigen lag sie bei rund 10 und bei über 60-Jährigen bei rund 13 Prozent.
Ziele der Regierung
2018 soll die Beschäftigungsquotebei Männern ab 60 von 24 auf 35 Prozent steigen, bei Frauen ab 55 von 51,7 auf 62,9 Prozent. So will es die Regierung.
370 Millionen Euro
Diese Geldsumme hat die Regierung bis 2016 bereitgestellt, um die Jobchancen für Menschen über 50 mit Lohnzuschüssen und Weiterbildung zu verbessern.
Kommentare