Chefs brauchen mehr als nur Fachwissen
Einiges, meint Elisabeth Proksch. Sie ist Führungskräfte-Coachin und beschäftigt sich seit über zwanzig Jahren mit deren Entwicklung. Was ihr besonders auffällt, ist die steigende Anzahl an „Accidental Managers“. „Oft passiert es einfach“, sagt sie. Weist ein Mitarbeiter die inhaltlichen und fachlichen Qualifikationen vor, scheint für viele Arbeitgeber der Chefsessel der nächste logische Schritt zu sein.
Ganz so einfach ist es aber nicht, warnt die Expertin. „Da gehört einiges dazu. Neben den operativen Aufgaben führt man immerhin auch ein Team. Genau diese Planungs- und Denkarbeit ist der größte und wichtigste Teil der Führungsaufgabe.“ Das stellt vor allem neue Führungskräfte vor große Herausforderungen. Rund 80 Prozent der neu aufgerückten Chefs sind unvorbereitet auf ihre Führungsrolle und würden innerhalb der ersten Jahre scheitern, berichtet Elisabeth Proksch.
Welche Voraussetzungen Chefs vorweisen müssen
Nicht jeder ist dieser Aufgabe gewachsen, weiß auch Jürgen Hürner, Geschäftsführer des Energieversorgungsunternehmens Stadtwerke Amstetten. „Und es ist völlig legitim, sich das einzugestehen.“ Er selbst habe öfter erlebt, dass neue Führungskräfte eine Kehrtwende machen, weil sie ihren eigenen Anforderungen nicht entsprechen. „Diese Selbstreflexion ist wichtig und zeigt eine gewisse Reife, die gute Chefs ausmacht“, meint Hürner. Genau deswegen sei es zumindest einen Versuch wert, etwas Zeit in der Führungsetage zu verbringen. Um zu erproben, ob sich in der Position vielleicht ungeahnte Talente wecken lassen. „Soziale Kompetenzen sind eine Grundvoraussetzung. Fast sogar mehr als Fachexpertise und strategisches Denken“, bestätigt der Experte aus der Praxis.
Die Zeiten, in denen die fachlich Besten aufrücken, seien schon lange vorbei. „Früher hat man durch diese Strategie Top-Mitarbeiter verloren und schlechte Chefs gewonnen. Füllt man den Posten mit jemandem, der mit Menschen umgehen kann, erspart man sich als Organisation sehr viel Energie.“
Neuer Position, neue Spielregeln
Damit der Einstieg in eine Führungsposition gelingt, brauchen Chef-Anfänger genügend Vorbereitungszeit, sagt Elisabeth Proksch. „Und den Mut, vorab kritische Fragen zu stellen.“ Man müsste wissen, worauf man sich einlässt und was die Erwartungshaltungen sind, sagt sie.
Die Erwartungshaltung ist übrigens auch mit sich selbst zu klären, so Proksch. „Man will Superheld sein, der beste Freund der Kollegen, was letztlich überfordernd wird. Man vergisst zu delegieren. Übernimmt Aufgaben, anstatt sie zu verteilen.“ Die erste Amtshandlung sollte deswegen die Erstellung von Spielregeln der Zusammenarbeit sein. Etwas, womit viele neue Chefs zu kämpfen haben. „Man übersieht gerne, dass man nicht mehr Teil des Mitarbeiterteams ist. Das muss man aber akzeptieren.“
Die Plusseite: Man gewinnt ein neues Team, nämlich die anderen Chefs dazu.
Kommentare