Es ist ruhig, als ich mit dem Auto vor dem schwarzen Tor stehen bleibe. In der Ferne ein leises Wiehern. Das Gut Fabricius in Lanzendorf ist der Ort, an dem ich mich unserem Job-Test stelle. Meine Führungsqualitäten werden, basierend auf Elisabeth Prokschs „Excalibur-Prinzip“, erprobt. Sie hat das Konzept gemeinsam mit ihrer Kollegin Irene Staringer entwickelt.
Warum ausgerechnet mit Pferden? Alles begann mit Black Beauty: „Ich war schon als Kind ganz fasziniert von Pferden und bin meinen Eltern damit auch die Nerven gegangen“, erzählt Proksch. Sie war eine Zeit lang sogar semiprofessionell im Turniersport. Beruflich zog es sie aber ins Management.
Auf die Idee, Management und Pferde zu kombinieren, kam sie über ein Seminar. So entstand Leading Alpha, ein Programm, das Führungsqualitäten mit Pferden trainiert. Von ihnen kann man lernen, denn: „Pferde sind in ihrer Kommunikation und Führung klar, wachsam und konsequent“, betont die Managementexpertin.
Das Konzept von Elisabeth Proksch stellt unterschiedlichste Prinzipien der Führung vor. Darunter der achtsame und klare Umgang mit den Grenzen anderer. Hier wird stark auf der Beziehungsebene gearbeitet: „Menschen und Pferde geben dann ihr Bestes, wenn eine Beziehung da ist. Was darunter verstanden wird, ist aber ganz individuell“, sagt Proksch.
Ein weiteres Prinzip dreht sich um männliche und weibliche Führungsqualitäten. Beide werden gebraucht. Die Idee geht auf die Dynamik einer Pferdeherde zurück, die sowohl von einer Leitstute als auch einem Leithengst geführt wird. Die Stute gibt den Weg vor. Der Hengst verteidigt die Herde.
Auf die Businesswelt umgelegt: „Bei weiblichen Führungsqualitäten steht das Wissen um Ressourcen, Gesundheit und das Einhalten von Regeln im Vordergrund. Männliche Führungsqualitäten hingegen setzen den Fokus auf Wirtschaftswachstum und Abwehr von Konkurrenz. Ein Unternehmen funktioniert dann gut, wenn beides im Gleichgewicht da ist“, so Proksch.
Rundum die grünen Bäume, saftige Wiesen und ein vierzigjähriges Pferd namens Pippi, die entspannt vorbei spaziert. „Sie hört und sieht nichts mehr und ist sehr freundlich“, versichert mir Proksch. Mein Begleiter für den bevorstehenden Vormittag soll aber Finn sein. Er ist Elisabeth Prokschs Pferd. Sie beschreibt ihn als aufgeweckt und kontaktfreudig.
Seit 20 Jahren bietet Proksch Führungsübungen mit Pferden an: „Es kommen teilweise Menschen, die noch nie mit Pferden zu tun hatten. Sie haben zum ersten Mal ein Pferd an der Hand. Man ist also in einer außergewöhnlichen Position“, sagt Proksch. So erfahre man besonders viel über eine Person.
Etwa: Wie sie Kontakt aufnimmt, wie sie kommuniziert, wie sie anweist, welche Botschaften sie verschickt und wie sie auf Störungen reagiert: „Ich sehe dann, was die Person schon kann und wo noch Potenziale sind“, fasst die Managementexpertin zusammen. Grundsätzlich ginge es darum, die Klaviatur der Handlungsoptionen der Führungskräfte zu erweitern. Dafür arbeitet sie manchmal sogar über Jahre mit Kunden zusammen.
Der Test
Es ist so weit. Ich stehe vor dem großen, anmutigen Lebewesen und strecke zögerlich meine Hand aus. Er kommt gleich zu mir und lässt mich ihn streicheln. Die Beziehungsebene haben wir geknackt. Jetzt geht es an die Übungen.
Elisabeth Proksch stellt drei Hütchen auf und überreicht mir das Seil mit Finn auf der anderen Seite. Meine erste Übung ist es, mit Finn langsam in Achter-Form um die Hütchen herum zu gehen. Also stelle ich mich neben Finn, suche kurz den Augenkontakt und bewege mich langsam vorwärts.
Zu meiner Überraschung folgt er mir. Wir spazieren perfekt eingespielt durch die Reithalle. Je nach Anweisung von Proksch einmal schneller, einmal langsamer. Nach einer Weile bekomme ich Feedback: „Man merkt, dass du viel Rücksicht auf andere nimmst. Du bist nicht gleich drauf losmarschiert, sondern hast zuerst versucht, an der Beziehungsebene zu arbeiten“, sagt Proksch.
Die ersten Hürden
Übung zwei ist weniger leicht: Die Übung bleibt die gleiche, nur müssen Finn und ich nun zwei Meter Abstand halten. Meine ersten Versuche scheitern. Ich strecke meine Hand aus, um zu signalisieren, dass er stehen bleiben soll. Klappt nicht. „War aber eine gute Idee!“, ruft Elisabeth Proksch zu. Ich probiere es erneut und gehe nun sogar rückwärts. Nichts hilft.
Die Kritik: „Die Anweisungen sind nicht klar genug. Finn war bereit, dir zu folgen und hat aufmerksam zugehört, er hat nur nicht verstanden, was du wolltest“, erklärt Proksch.
Außerdem müsse ich an meiner Grenzsetzung arbeiten. Pferde hätten klare Regeln und Strukturen, an die sich ausnahmslos halten. Diese sind berechenbar, müssen jedoch gut vermittelt und eingefordert werden. Das machen Pferde durch körperliche Signale und Berührungen.
Auf die Arbeitswelt umgemünzt, wären das etwa nachdrückliche Aufforderungen. „Das Wichtigste ist, dass nicht von oben herab einseitig diskutiert wird, sondern beide Seiten zusammen versuchen, den Konflikt wertschätzend zu lösen“, sagt Proksch. Für meinen Fehlversuch erhalte ich aber auch eine positive Rückmeldung: „Du bist sehr zugänglich und bereit dazu, den ersten Schritt zu machen. Und du lobst auch gerne. Das fördert die klare Kommunikation und die Mitarbeiterbindung.“
Nach dem Feedback habe ich die Chance, es mit meinem neuen Wissen nochmal zu versuchen. Diesmal mit Erfolg. Ich fordere den Abstand nun klarer ein und Finn versteht, was zu tun ist.
Nach diesem Erfolgsgefühl ist die Übungsstunde auch schon wieder vorbei. Finn begleiten wir zurück zu seinem Stall, den er nur widerwillig betritt: „Er möchte scheinbar noch bei uns bleiben“, lacht Proksch. Etwas traurig verabschiede ich mich.
Jeder kann Chef sein
Jeder kann führen – bei manchen brauche es nur mehr Zeit, um die Fähigkeiten zu erlernen: „Die gute Nachricht ist, dass man sich immer weiterentwickeln kann“, sagt Elisabeth Proksch. Ob ich jemals einen Chefsessel besetzen will, ist fraglich, aber es ist schön zu wissen, dass etwas Potenzial da wäre.
Was es war
Führungskräftetraining mit Pferden, geleitet von einer Management- und Pferdeexpertin
Was es bringt
Die Führungsskills analysieren und verbessern
Fazit
Daumen hoch: Man lernt praktische Skills und Neues über sich selbst
(kurier.at, RS)
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Aktualisiert am 17.06.2023, 08:08
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