Wenn der Sinn fehlt
Graebers Umfragen zufolge soll ein Drittel die eigene Arbeit als sinnlos einstufen – darunter primär Personen des mittleren Managements oder mit Bürotätigkeiten. „Das hat mich schockiert“, sagte er 2018 in einem Interview.
Ökonomen der Universitäten Cambridge und Birmingham hielten das für übertrieben – lediglich ein Viertel wäre tatsächlich betroffen, schrieben sie 2021 in einem Aufsatz. Kühmayer schätzt, dass die Wahrheit in der Mitte liegt. Denn der technische Fortschritt würde immer einfache Arbeit erzeugen, erklärt er. Ein Beispiel: Entwickelt man eine App für Essenslieferung, wird es jemanden geben müssen, der die Lieferung zustellt.
„Selbst, wenn der Zeitpunkt kommt, wo Automatisierung auch die Lieferung ersetzt, wird es wieder Neues geben“, so Kühmayer. Auf die große technologische Revolution zu warten, die allen Bullshit-Jobs den Garaus macht, sei also vergebens.
Handeln sollte man trotzdem, da sich einfache Arbeit auf das psychosoziale Umfeld auswirken würde, sagt er. „Hat man den Eindruck, dass die eigene Arbeit nicht sinnstiftend ist, entzieht das Energie. Und zwar nicht nur aus der Arbeitsleistung, sondern aus dem eigenen Engagement.“
Das Ergebnis? Belastungsphänomene (Burnout und Boreout) treten zutage und schaden letztlich dem Einzelnen, der Wirtschaft und dem Gesundheitssystem. Auch Holger Bonin, designierter Direktor des Instituts für Höhere Studien, sagte diesen Dienstag, dass es aufgrund des aktuellen Arbeitskräftemangels schwieriger geworden ist, Bullshit-Jobs zu besetzen und man Personal deshalb möglichst „produktiv machen“ sollte. Wie das geht?
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Wie der Sinn kommt
Der Faktor, um vermeintlich sinnlose Jobs in sinnstiftende umzuwandeln, sei die Autonomie, sagt Franz Kühmayer: „Wenn ich den eigenen Handlungsspiel raum ausschöpfe und erweitere, trägt es dazu bei, dass wir uns von Bullshit-Jobs weg entwickeln.“ Außerdem wären Unternehmen gut beraten, Berufsbilder in allen Ebenen aufzuwerten, komplexer und vielseitiger zu gestalten und den Fokus auf das zu legen, worin Menschen immer besser waren, als es Maschinen jemals sein könnten: in Innovation und Empathie.
„Wenn wir anspruchsvolle Arbeit nicht als permanente Überforderung sehen, kann es nicht genug davon geben“, fasst Kühmayer zusammen. „Unser Streben muss deshalb immer sein, möglichst viel einfache Arbeit durch Automatisierung zu ersetzen.“
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