Die Opposition erhöht die Schlagzahl gegen den ÖVP-nahen Alleinvorstand der milliardenschweren Staatsholding ÖBAG, Thomas Schmid. Chatprotokolle aus seiner Zeit als Generalsekretär im Finanzministerium im Dezember 2018 scheinen zu bestätigen, dass Schmid die Ausschreibung zum Großteil selbst verfasst habe, der KURIER berichtete. ÖBAG-Aufsichtsratspräsident Helmut Kern dementiert und Schmids Anwalt erklärte, sein Mandant habe nur vorbereitende Arbeiten geleistet.
Massive Kritik am Bewerbungsverfahren äußert nun eine der acht abgewiesenen Personen, die neben Schmid ins Rennen um den Chefjob für Österreichs größte Industrieholding gingen. Die ganze Bewerbung sei „eine Farce“ gewesen, man habe den Kreis der Kandidaten „ganz bewusst sehr eng halten wollen“, um Bewerber aus der Wirtschaft leicht aussondern zu können, sagte der Bewerber gegenüber dem KURIER.
"Blautürkise Wunder"
Der g’standene Manager eines börsenotierten österreichischen Großunternehmens mit internationaler Ausrichtung war über die Aussagen von Schmid kürzlich im U-Ausschuss derart verärgert, dass er einen Tag später dem Neos-Abgeordneten Helmut Brandstätter ein Mail schrieb, „wie unsachlich“ das Verfahren abgelaufen sei, er habe dabei „blautürkise Wunder erlebt“. Das Mail liegt dem KURIER vor.
Der Manager, der um Diskretion bei der Nennung seines Namens ersuchte, schildert, wie er seiner Meinung nach vom beauftragten Headhunter (Amrop Jenewein) ausgetrickst wurde. Zuerst sei der Personalberater an seinem Lebenslauf recht interessiert gewesen und habe ein Interview in Aussicht gestellt. Dann sei der Headhunter „offensichtlich zurückgepfiffen“ worden. In einem dreiminütigen Quick-Interview seien lediglich zwei Fragen gestellt worden, „die offenbar Knock-out-Kriterien waren“.
Das betraf die Erfahrung als Aufsichtsrat eines verstaatlichten Unternehmens. Dieser Passus wurde in den Chats besprochen und findet sich in der Ausschreibung. „Ich konnte ’nur’ mit Mandaten in der Privatwirtschaft dienen“, meint der kritische Bewerber.
Außerdem hätte der Kandidat laut eigenen Angaben bereits in ein bis zwei Wochen verfügbar sein müssen. Was nur dann möglich ist, wenn man keinen Job hat „oder im Finanzministerium sitzt“. Noch am selben Tag sei die Ernennung von Schmid (27. März 2019) bekannt gegeben worden.
Tage später habe ihm der Berater von Amrop Jenewein telefonisch abgesagt. “Mit der Begründung, andere Kandidaten hätten ein besseres Konzept gehabt und mehr betriebswirtschaftliche Kenntnisse“.
Er sei ja gar nicht dazu gekommen, sein Konzept vorzutragen. Und die Ablehnung wegen mangelnder betriebswirtschaftlicher Kenntnisse sei „ein Witz“. Aus den Bewerbungsunterlagen ist ein solches Manko keineswegs ersichtlich.
"Shortlist war völlig klar"
Der Nominierungsausschuss des Aufsichtsrates (Kern, OMV-Betriebsratschefin Christine Asperger sowie Wärmepumpenhersteller und Strache-Trauzeuge Karl Ochsner) sei gemeinsam mit dem Headhunter alle Bewerbungen durchgegangen, die Besetzung der Shortlist sei völlig klar gewesen, erklärt dazu Aufsichtsratschef Kern. Neben Schmid schafften es nur noch zwei Kandidaten ins Hearing vor dem Ausschuss. Alle anderen Kandidaten seien, beteuert Kern, „aus sachlichen Gründen, die gut dokumentiert sind und den Standards einer internationalen Ausschreibung entsprachen, nicht ins Hearing gekommen“.
Opposition: „Rücktrittsreif“
Die Opposition hat sich schon lange auf Schmid eingeschossen und fordert nach Bekanntwerden der Chatprotokolle erneut lautstark dessen Rücktritt. Die Neos hätten wiederholt kritisiert, dass die Ausschreibung unter Federführung von Schmid auf ihn maßgeschneidert gewesen sei und Erfahrung in der Privatwirtschaft nicht gefragt war, sagt Parteichefin Beate Meinl-Reisinger. „Schmid ist jetzt schon als ÖBAG-Alleinschef untragbar und muss abberufen werden“.
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch erklärte im ORF, Schmid sei als Alleinvorstand der ÖBAG „vollkommen deplatziert und muss sofort abberufen werden“. „Vollkommen rücktrittsreif“ sagte auch Christian Hafenecker, FPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss.
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