Kärcher-Chef Jenner: "Die haben ja keine Ahnung von Wirtschaft"
Das traditionsreiche schwäbische Familienunternehmen Kärcher ist ein echter "Hidden Champion" bei Reinigungsgeräten. Der Erfinder der Hochdruckreinigung ist seit 60 Jahren in Österreich vertreten und beschäftigt hier 170 Mitarbeiter. Anlass, um mit dem langjährigen Vorstandsvorsitzenden Hartmut Jenner über aktuelle Themen zu sprechen.
Im ausführlichen Interview mit dem KURIER verrät Jenner, warum Wahlen das Geschäft beeinflussen, wieso er absolut gegen Zölle ist, Politikern heutzutage die Wirtschaftskompetenz fehlt und wieso das Kloputzen ein noch immer nicht gelöstes Reinigungsproblem ist.
KURIER: Ich höre, Sie probieren Kärcher-Geräte immer selbst aus. Wie viele haben Sie derzeit zu Hause?
Hartmut Jenner: Das sind inzwischen über 50. Vom kleinsten Bohrstaubfänger bis zur großen Kommunalkehrmaschine habe ich alles.
Welches Gerät nutzen Sie am häufigsten?
Den Hochdruckreiniger. Aber auch den Akkustaubsauger setze ich sehr oft ein.
Hochdruckreinigen ist noch immer Männersache. Wird Ihre Kundschaft weiblicher?
Es sind noch überwiegend Männer, aber tatsächlich nutzen es immer mehr Frauen, weil die Geräte handlicher und ergonomischer werden. Bei uns zu Hause nutzt meine Frau den Hochdruckreiniger öfter als ich.
Wie lief das erste Halbjahr bei Kärcher. Spüren Sie die Kaufzurückhaltung?
Das erste Halbjahr lief bei uns sehr ordentlich, aber es herrscht generell eine große Verunsicherung. Es fehlt der konjunkturelle Rückenwind und die politische Stabilität, vor allem in Großbritannien, Frankreich und Österreich, wo ja bald gewählt wird.
Wie wichtig ist Österreich für Kärcher?
Sehr wichtig, es war vor 60 Jahren unser zweiter Auslandsmarkt nach Frankreich, wir sind sehr verwurzelt und beschäftigen hier 170 Mitarbeiter. Was unser besonders freut: Der Begriff 'kärchern' kommt im österreichischen Wörterbuch vor.
Fast 90 Jahre alt
Das Unternehmen mit Sitz in Winnenden nahe Stuttgart wurde 1935 von Ingenieur und Tüftler Alfred Kärcher gegründet und ist bis heute in Familienbesitz.
1950 wurde die Hochdruckreinigung erfunden, 1984 kam der erste tragbare Hochdruckreiniger auf den Markt, seit 1964 ist Kärcher mit einer eigenen Österreich-Niederlassung vertreten. Es war der zweite Auslandsmarkt nach Frankreich
16.000 Mitarbeiter
Kärcher setzte im Vorjahr 3,3 Mrd. Euro um, wobei jeweils die Hälfte des Umsatzes auf Business- und Privatkunden entfällt. Das Unternehmen beschäftigt rund 16.000 Menschen in mehr als 80 Länder, davon 1.100 in der Forschung und Entwicklung. In Österreich gibt es 170 Beschäftigte.
Sortiment
Das Sortiment umfasst Hochdruckreiniger, Sauger, Luft- und Dampfreiniger, Kehr- und Scheuersaugmaschinen, Autowaschanlangen und Trockeneis-Strahlgeräte. Weltweit werden etwa 160 Bauwerke und Denkmäler restauratorisch gereinigt
Wie wirkt sich die angespannte geopolitische Lage, etwa der Zollstreit mit China, auf ihr Geschäft aus?
Die vielen Krisen wirken sich definitiv aus. Beispielsweise haben wir immer noch Probleme mit der Lieferkette durch die Blockaden im Suezkanal. Wir schiffen alle Fracht Richtung Asien über Kap Horn, weil sie nicht durch den Suezkanal fahren dürfen. Das dauert zwei Wochen länger und verursacht höhere Kosten.
Apropos Zölle. Halten Sie protektionistische Maßnahmen wie sie derzeit getroffen werden, für richtig?
Ich bin komplett dagegen. Am Ende sichert nur der freie Handel Wohlstand auf der Welt. Handelshemmnisse haben sich noch nie bewährt.
Wie sehr leiden Sie unter der Billigkonkurrenz aus China?
Plagiate gibt es immer, aber die Durchsetzung von Patenten ist in China deutlich besser geworden. Es gibt mehr Eigenentwicklung, man denke nur an die Akkutechnologie, wo China führend ist. Da haben sie viel patentiert. Aber natürlich ist der Wettbewerb nicht ganz fair, wenn der Staat die Firmen massiv unter die Arme greift.
Produziert Kärcher auch Geräte in China?
Ja, schon lange. Wir haben insgesamt 19 Produktionsstandorte, die meisten in Europa , aber auch eine in China und in Vietnam, Mexiko und USA.
Sind Ihre Standorte in Europa, speziell Deutschland, noch wettbewerbsfähig?
Wir haben in Europa zu viele Regelungen, die die Unternehmen einschränken. Ich nenne nur das Beispiel Lieferkettengesetz…
… ein Bürokratiemonster?
Ein wahres Monster, das nur uns Europäer, aber nicht die ausländische Konkurrenz trifft. Ich frage Sie: Wie kann man ein Gesetz erlassen, bei dem ich dafür verantwortlich bin, dass der Unter-Unter-Lieferant in Bangladesch einen Umweltschaden verursacht?
Wir haben bei Kärcher 26.000 Lieferanten, die wiederum zahlreiche Sub-Lieferanten haben. Das kann doch nicht ernst gemeint sein. Das Gesetz ist auch so gar nicht umsetzbar, das ist surreal. Ich finde generell, dass in Europa zuwenig Wirtschaftsdenken herrscht oder die Rolle der Wirtschaft schlicht unterschätzt wird.
Sie meinen, die Politik ist zu wirtschaftsfern?
Ja, es gibt faktisch keinen Verantwortlichen in der Regierung mehr, der eine Ahnung von der Wirtschaft hat. Ich kenne keinen mehr, Sie?
Österreich hat einen Wirtschafts- und Arbeitsminister…
Wir haben einen Philosophen. Die heutigen Politiker sind alle Berufspolitiker, die haben ja keine Ahnung von Wirtschaft. Ihnen fehlt es an Weitblick und sie verstehen Zusammenhänge oft nicht.
In Österreich gibt es eine Debatte über die Arbeitszeit. Müssen wir in Zukunft mehr oder weniger arbeiten?
Der Wettbewerb wird über die Arbeitskosten definiert. Wenn wir ob der demografischen Entwicklung nicht länger arbeiten, werden wir den Wohlstand so nicht halten können. Das ist reine Mathematik. Junge Menschen haben heute sicher einen anderen Anspruch an die Arbeit, aber das hat weniger mit der Zeit als mit dem Inhalt zu tun. Da geht es eher um Motivation und Flexibilität.
Stimmt es, dass Sie einen eigenen Kindergarten betreiben?
Stimmt. Wir wollten, dass unsere vier Buben in einen Waldkindergarten gehen. Es gab aber keine Plätze mehr und so haben wir selbst einen gemacht. Wir haben jetzt 40 Kinder dort. Ist ein Verein, mit dem wir kein Geld verdienen. Jedes Vereinsmitglied muss Arbeit verrichten, ich bin fürs Rasenmähen verantwortlich.
Kärcher brachte bereits vor 20 Jahren den ersten Reinigungsroboter auf den Markt. Ganz durchgesetzt hat er sich bis heute nicht. Warum?
Wir waren unsere Zeit voraus… Heute ist der Markt ganz anders. Im B2B-Bereich sind wir groß in der Robotik drinnen, da bewegen wir den Markt. Aber die Sache ist wegen der zerklüfteten Oberflächen relativ komplex. Der Roboter geht am ehesten auf der ebenen, großen Fläche entlang. Einen Heizkörper oder einen Schreibtisch zu reinigen ist schon viel komplexer, da braucht es noch einige technische Schritte.
Wird es irgendwann einen humanoiden Reinigungsroboter geben?
Ja, den wird es eines Tages sicher geben. Ich kann ihn mir etwa bei der Toilettenreinigung vorstellen, wobei er da aber nur einen feingliedrigen Arm zum Reinigen braucht und nicht wie ein Mensch ausschauen muss. Und sobald er zwei Füße hat, gibt es ja das Problem mit dem Gleichgewicht.
Gibt es beim Reinigen überhaupt noch Innovationspotenzial?
Natürlich. Ich halte etwa Kloputzen für ein noch nicht gelöstes Reinigungsproblem. Reinigen ist und bleibt unterinnoviert. Wir können immer noch Produkte erfinden, die das Reinigen schneller, ergonomischer und umweltfreundlicher machen. Wasser-Strom- und Zeitsparen sind zentrale Themen.
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