Jeder dritte Lehrling muss Überstunden machen

Seit dem Start 2008 haben 9.300 Lehrlinge die Reifeprüfung absolviert
Lehrlingsmonitor: Leichte Verbesserungen gegenüber 2017. Gewerkschaft sieht Handlungsbedarf, Wirtschaftsvertreter gelassen.

Die gute Nachricht: 71 Prozent der heimischen Lehrlinge im letzten Ausbildungsjahr sind mit ihrer Ausbildung im Betrieb sehr zufrieden oder zufrieden. Das ist um ein Prozentpunkt mehr als vor zwei Jahren. 2015 waren es 65 Prozent. Die Daten erhob das Österreichische Institut für Berufsbildungsforschung (öibf) für den aktuellen Lehrlingsmonitor  im Auftrag der Gewerkschaft und Arbeiterkammer (AK). Befragt wurden dafür 5.200 Lehrlinge im letzten Lehrjahr in ganz Österreich.

Keine Veränderung gab es bei der Leistung von Überstunden. Weiterhin muss laut Umfrage ein Drittel der Lehrlinge Überstunden machen - und zwar unabhängig vom Alter. Überstunden für unter 18-Jährige sind eigentlich verboten. 23 Prozent der Befragten geben an, bezahlte Überstunden zu leisten, fünf Prozent leisten manchmal bezahlte Überstunden und fünf Prozent erhalten dafür nach eigenen Angaben kein Geld oder Zeitausgleich. Etwa ein Drittel der Befragten gibt auch an, immer oder häufig ausbildungsfremde Tätigkeiten leisten zu müssen.

"Keine Verbesserungen"

Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl sieht in der Situation der Lehrlinge "nicht wirklich eine Verbesserung" gegenüber der letzten Befragung. Der Druck durch das neue Arbeitszeitgesetzt - Stichwort 12-Stunden-Tag - sei auch bei den Lehrlingen angekommen. So würden immerhin 73 Prozent der Jugendlichen angeben, auch schon einmal krank in die Arbeit gegangen zu sein.

Weniger Hürden für Lehre mit Matura

Susanne Hofer, Vorsitzende der Gewerkschaftsjugend, fordert mehr Unterstützung für die Lehrabschlussprüfung und die Möglichkeit zur Lehre mit Matura. Die von Bildungsminister Fassmann zuletzt angekündigte Zulassungshürden (Motivationsschreiben, Anm.) seien unnötige Barrieren. "Das ist das Gegenteil von Attraktivierung", so Hofer, die stattdessen gerne einen "Rechtsanspruch auf Lehre mit Matura" hätte. Um die Lehre aufzuwerten, kann sie sich auch eine Gleichstellung der Lehrabschlussprüfung mit der Matura vorstellen. Diese sollte automatisch zum Studium an einer Fachhochschule berechtigen.

Fachkräftemilliarde

Um mehr Lehrlinge im Inland auszubilden, fordern Gewerkschaft und Arbeiterkammer (AK) einmal mehr eine "Fachkräftemilliarde". Dabei sollen Betriebe, die keine Lehrlinge ausbilden, ein Prozent der Bruttolohnsumme in einen Ausgleichsfonds einzahlen müssen. Das Geld kommt dann den Ausbildungsbetrieben zugute. Ein Modell, das es in Ansätzen in Vorarlberg schon gibt, von der Wirtschaftskammer (WKO) aber bisher abgelehnt wird.

"Nicht madig reden"

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck reagiert auf den Lehrlingsmonitor mit einem Verweis auf die zuletzt gestiegenen Lehrlingseinkommen. "Ich lasse mir unsere Lehrlingsausbildung und unsere engagierten Lehrlinge und Betriebe sicher nicht madig reden", so Schramböck in einer Aussendung. Eine Steigerung der Lehrlingseinkommen von bis zu 46 Prozent in einzelnen Branchen in den vergangenen zwei Jahren beweise, dass die enorme Bedeutung von Lehrlingen in den Betrieben angekommen sei.

Schramböck verweist auch auf die Verbesserungen beim Berufsausbildungsgesetz.  "Wenn wir der Lehre mehr Stellenwert beimessen und ihr Image aufwerten wollen, müssen wir auf politischer Ebene von einer Negativdebatte zu einer Chancendebatte kommen“, so die Ministerin. Einen eigenen Ausbildungsfonds lehnt sie ab, schon jetzt müssten die Unternehmen in den Insolvenzentgeltfonds einzahlen. Aus dem Topf wird zum Teil die Lehrlingsförderung gespeist.

Die Wirtschaftskammer (WKO) freut sich in einer Aussendung über die hohe Zufriedenheit und relativiert die Überstundenleistungen. Der Lehrlingsmonitor weise hier keine Altersgruppen aus. Tatsächlich sei der Durchschnitt der Lehranfänger bereits 17 Jahre alt. Es könnten daher keine allgemeinen Aussagen über Überstunden in der Altersgruppe der unter 18-Jährigen getroffen werden.

 

 

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