IWF: Brexit-Sand im Getriebe der Weltwirtschaft

Obstfeld: "Brexit has thrown a spanner in the works"
Ausblick fällt trüber aus als zuvor geplant – Ökonom Heise: Brexit-Folgen wirken abschreckend.

Eigentlich wollte der Internationale Währungsfonds (IWF) die Prognose für die Weltwirtschaft anheben, weil sich Brasilien und Russland etwas erfangen hatten. Doch dann stimmten die Briten am 23. Juni für den EU-Austritt – und stellten alles auf den Kopf. Jetzt erwartet der IWF sogar weniger Wachstum als im April prognostiziert.

Die animierte Grafik zeigt, wie sich das Brexit-Votum auf das Wachstum der Weltwirtschaft auswirkt. Im schlimmsten Chaos-Szenario landet das globale Wachstum 2017 nur bei 2,8 Prozent statt bei ursprünglich erwarteten 3,6 Prozent.

"Der Brexit hat Sand ins Getriebe gestreut", sagte Chefökonom Maurice Obstfeld am Dienstag in Washington. Das Knirschen spüren freilich die Briten mit Abstand am stärksten: Der IWF-Ausblick für 2017 wurde für die britische Wirtschaft um 0,9 Prozentpunkte gesenkt. Zur Veranschaulichung: Das bedeutet eine um 22,5 Milliarden Euro geringere Wirtschaftsleistung allein in einem Jahr. Und das ist noch das moderate Szenario.

IWF: Brexit-Sand im Getriebe der Weltwirtschaft
Maurice Obstfeld, Economic Counsellor and Director of Research Department, IMF, speaks during the World Economic Outlook media briefing during the IMF and World Bank Group 2016 Spring Meetings on April 12, 2016 in Washington, DC. / AFP PHOTO / MOLLY RILEY

Brexit ohne Gewinner

"Gewinner gibt es aus dem Brexit keine. Die Hauptlast trägt die britische Wirtschaft, der Verlust in der Eurozone hält sich in Grenzen", sagte Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise in Wien. Er rechnet mit Einbußen für die Briten von 2 Prozentpunkten über zwei Jahre gerechnet. Österreichs Wirtschaft kostet der Brexit rund 0,2 Prozentpunkte Wachstum.

Schädlich ist vor allem die Unsicherheit. Auf lange Sicht werde die EU mit Großbritannien eine Lösung finden, die "sich nicht dramatisch von heute unterscheidet", glaubt Heise. Mit der Ironie, dass die Briten ihrer neu gewonnenen Freiheit zum Trotz viele EU-Regeln umsetzen müssten – ohne mitreden zu können.

Auf viele EU-Skeptiker wirkten die Folgen kurzfristig abschreckend. Laut Umfragen hat der Austrittswille nach dem Brexit-Votum in vielen Ländern nicht zu-, sondern abgenommen. Jetzt sei freilich nicht der Moment, die EU "auf Biegen und Brechen zu vertiefen". Die Union müsse Lösungen zur Zuwanderung und Bankenkrise finden und mehr gegen Arbeitslosigkeit tun, mahnte Heise. Die Menschen spürten sonst nur negative Globalisierungsfolgen wie Lohndruck und schrieben das der EU zu.

Türkei-Risiken

In der Türkei hätten viele Investoren nach dem Putschversuch Sorge, wie stabil die Lage bleibt, sagte Heise. Die Türkei müssen ihr riesiges Leistungsbilanz-Defizit über kurzfristigen Kapitalzustrom finanzieren. Wenn Portfolioinvestitionen ausbleiben und die Währung Lira abstürzt, könnten türkische Firmen Probleme haben, Auslandsschulden zu bedienen. Heise: "Im Moment gibt es keine Anzeichen, aber das Risiko müssen wir im Auge behalten."

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