Investoren würden Mindeststeuern für Konzerne begrüßen

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Anstrengungen der Unternehmen zur Steuervermeidung widersprechen den ethischen Grundsätzen, denen sich Fonds verpflichtet haben.

Mit ihren Plänen für eine Mindestbesteuerung multinationaler Konzerne rennen die sieben größten Industrienationen (G7) bei einigen institutionellen Investoren offene Türen ein. Denn aus ihrer Sicht widersprechen die Anstrengungen der Firmen zur Steuervermeidung den ethischen Grundsätzen, denen sich die Fonds mit ihren finanziellen Engagements verpflichtet haben.

Richtige Menge

"Es geht nicht darum, mehr Steuern zu zahlen", sagt Analyst Kiran Aziz vom 80 Milliarden Dollar (66 Mrd. Euro) schweren norwegischen Pensionsfonds KLP. "Es geht darum, die richtige Menge Steuern zu zahlen. Wir wollen nicht, dass Firmen Praktiken und juristische Konstrukte nutzen, die zur Steuerverkürzung beitragen."

Das Ringen um weltweit einheitliche Unternehmenssteuern dürfte das G7-Finanzministertreffen am Freitag und Samstag in London dominieren. Der britische Finanzminister Rishi Sunak forderte die anderen G7-Länder am Freitag zu Fortschritten bei der geplanten weltweiten Steuerreform auf. "Wir können nicht mehr auf ein Steuersystem setzen, das zu großen Teilen aus den 1920er Jahren stammt", sagte Sunak zu Beginn des Treffens.

Unter dem Dach der Industriestaaten-Organisation OECD streben knapp 140 Länder eine Steuerreform mit zwei Säulen an, einer globalen Mindeststeuer und einer neuen Form der Besteuerung digitaler Dienstleistungen. Für die Mindeststeuer haben die USA mindestens 15 Prozent vorgeschlagen.

Geschickte Verlagerung

Großen Internet-Konzerne wie Amazon, die als Gewinner der Coronakrise gelten, wird vorgeworfen, durch geschickte Gewinnverlagerungen weniger Steuern zu zahlen als angemessen. Einer Studie der Stiftung ActionAid zufolge hätte eine "faire" Besteuerung der Gewinne von Amazon, Apple, Facebook, Microsoft und der Google-Mutter Alphabet den G20 für das vergangene Jahr zusätzliche Einnahmen von 32 Milliarden Dollar beschert. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2018 taxierte den weltweiten Einnahme-Ausfall durch Steuervermeidung großer Konzerne sogar auf 200 Milliarden Dollar jährlich.

Einer der Vorreiter bei Investitionen in Unternehmen, die sogenannte ESG-Standards für einhalten, ist der 1,3 Billionen Dollar schwere norwegische Staatsfonds. Dessen Chef hatte unlängst gegen "aggressive Steuerplanung" und Intransparenz in Steuerfragen gewettert. Er habe aus diesem Grund Anteile an sieben Unternehmen verkauft. Die Namen der Firmen nannte der Fonds nicht.

Aus ähnlichen Gründen hat sich auch Royal London Asset Management von Beteiligungen getrennt oder auf ein Investment verzichtet, so der Aktienchef des Unternehmens, Peter Rutter. Klienten bestünden verstärkt darauf, dass Unternehmen beim Thema Steuern das Richtige täten. Allerdings siedeln auch viele Vermögensverwalter ihre Fonds in Steueroasen an.

Bei der Beurteilung von Firmen unter den ESG-Gesichtspunkten Umweltschutz, Sozialverträglichkeit und gute Unternehmensführung spielen Steuerpraktiken bis jetzt nur eine untergeordnete Rolle. Die Anbieter von entsprechenden Ratings berücksichtigen bei ihren Benotungen vor allem die Einhaltung von Umweltschutzstandards und die Bezahlung gerechter Löhne.

Mögliche Risiken

Der Index-Anbieter MSCI hat bereits reagiert. Nach seinem neuen System kann sich eine ESG-Note verschlechtern, wenn die tatsächlich gezahlten Steuern erheblich von den Sätzen im Land mit dem operativen Geschäft abweichen. "Wir sagen nicht: 'Verkaufe sofort'", sagt MSCI-Geschäftsführerin Laura Nishikawa. Klienten müssten aber um mögliche Risiken wissen. KLP hat gemeinsam mit anderen skandinavischen Investoren rund 100 Firmen, darunter auch Technologie-Konzerne aus dem Silicon Valley, zu ihren Steuerpraktiken befragt. "Wir sind der Ansicht, dass Steuern dort gezahlt werden sollten, wo Werte geschaffen werden", sagt KLP-Experte Aziz. Viele Unternehmen verschieben dagegen Gewinne zu Töchterfirmen in Staaten mit niedrigen Steuersätzen.

Der 600 Milliarden Dollar schwere niederländische Vermögensverwalter APG stellt sogar neue Leute ein, um Firmen in dieser Frage genauer auf den Zahn fühlen zu können. Eine der Beteiligungen habe sein Haus unlängst sogar davon abbringen können, Steueroasen zu nutzen, sagt APG-Manager Alex Williams.

Für Vermögensverwalter jenseits des Atlantiks scheint das Thema Steuergerechtigkeit allerdings nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Der Manager eines großen US-Hauses sagt, Besteuerung sei kein Thema für Investoren, sondern für den Gesetzgeber. Sudhir Roc-Sennet, in den USA beheimateter Chef für ESG-Anlagen beim Vermögensverwalter Vontobel, ist zwar grundsätzlich für die Schließung von Steuer-Schlupflöchern, hält aber nichts davon, deren Nutzung zu verteufeln. "Sollten Unternehmen höhere Steuern zahlen, nur weil es ethisch ist? Ich glaube nicht." Die Firmen müssten schließlich innerhalb des gesetzlichen Rahmens im besten Interesse ihrer Aktionäre handeln.

Aus diesem Grund sei eine koordinierte Initiative zahlreicher Staaten notwendig, sagt Fred Kooj, Chef-Anleger des Vermögensverwalters Tribe. "Ohne Regulierung werden sich die Unternehmen nicht bewegen." Gänse kämen schließlich auch nicht freiwillig zum Weihnachtsessen.

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