"Frauen sind genauso anfällig für Korruption wie Männer"

Susanne Mauthner-Weber und Michael Hufnagl im Interview mit Christine Bauer-Jelinek über ihr Buch "Der falsche Feind".
Frauen sind moralisch nicht die besseren Menschen, sagt Macht-Expertin Christine Bauer-Jelinek.

KURIER: In den zahlreichen Skandalen, die an die Öffentlichkeit geschwappt sind, spielen Frauen so gut wie keine Rolle. Sind Frauen weniger korrupt als Männer?
Christine Bauer-Jelinek: Nein. Frauen sind derzeit noch unter der kritischen Masse, sie sind noch nicht solange in Machtpositionen, dass sie solche Netzwerke aufbauen konnten. Es muss erst eine kritische Masse an Frauen in Machtpositionen gelangen, dann wird es auch einen gewissen Prozentsatz an Korruption geben.

Wie groß ist diese kritische Masse?
Wenn die Hälfte der Machtpositionen mit Frauen besetzt ist, werden wir auch korrupte Frauen erleben.

Viele ExpertInnen sind allerdings gegenteiliger Meinung. Frauen seien weniger anfällig für Korruption, weil sie anders sozialisiert sind.
Einer der großen Irrtümer, die zur Zeit herumgeistern, ist, dass Frauen auf Grund der Biologie und ihrer Sozialisierung das bessere Geschlecht wären. Nur Frauen, die das System kennen und bedienen können, kommen in Spitzenpositionen. Damit wird aber erst dann geprüft, ab ob man ethisch und moralisch integer ist, wenn man die Gelegenheit dazu hat. Solange man nicht verführt wird, kann man leicht gut sein. Reden wir weiter, wenn einem der Koffer mit Geld angeboten wird.

Aber Studien belegen doch, dass die Kriminalität in tief korrupten afrikanischen oder südamerikanischen Staaten zurück ging, als mehr Frauen in die Politik einbezogen wurden.
Das muss erst einmal bewiesen werden. Das gilt übrigens für viele Untersuchungen, die zum Frauentag präsentiert werden. Diese sollen die Hypothese beweisen, dass Frauen besser sind. Ich bezweifle sowohl die These als auch die Designs dieser Studien – ob tatsächlich dieser Inhalt ausgesagt wird und ob der Beobachtungs-Zeitraum der Studien lang genug ist. Ich glaube, dass die Spielregeln, wie korrupt eine Gesellschaft ist, viel stärker von der Politik und vom Gesellschaftssystem abhängen als vom Geschlecht.

Korruptionisten haben eine erhöhte Risikobereitschaft, das hat sich zum Beispiel im jüngsten Telekom-Prozess ganz klar klar gezeigt. Sind Frauen nicht weniger risikofreudig?
In der alten Sozialisiation schon. Aber das bezieht sich auf frühere Generationen und hört bei der Generation bis 35 weitgehend auf. Da sind die Rollenverhältnisse nicht mehr so stark ausgeprägt. In dieser Generation sind alle Rollenbilder gleichzeitig vorhanden.

Als da wären?
Es gibt Frauen, die wollen bei den Kindern zu Hause bleiben. Da wird als Backlash beklagt, ist aber keiner. Dann gibt es Frauen, die haben zwei Studien, sprechen vier Sprachen und wollen international Karriere machen. Männer gehen in Karenz und wollen sich um die Kinder kümmern. Die haben schon als Kinder mit Puppen gespielt. Und genauso gibt es Karriere-Männer, die mit 40 Jahren schon CEOs sind.

Aber bei der Moral, da legen Frauen doch strengere Maßstäbe an.
Es ist nicht leicht zu erkennen, aber die ständige Botschaft, Frauen wären moralischer als Männer, ist keine Hilfe, sondern eine zusätzliche Belastung für Frauen: Jetzt müssen sie nicht nur einfach Erfolg haben, sondern auch die besseren Menschen sein.

Hängt Korruption auch von der Gesellschaftsschicht ab? Ein Manager kann leichter in die Kasse greifen als der Portier.
Korruption ist schichtspezifisch, für Wirtschaftskriminalität im großen Stil muss man natürlich oben sein. Aber auch wer unten ist, kann etwas einstecken, die sogenannte Kleinkorruption. Wir müssen nur aufpassen, dass die politische Korrektheit nicht absurd wird.

Wenn etwa Müllmänner wegen Amtsmissbrauchs verurteilt werden, nur weil sie – ohne Geld zu kassieren – von zwei Gärtnern zusätzlichen Mist mitgenommen hatten?
Genau. Wenn es um solche Minischäden und Alltagsbanalitäten geht, wird es wieder so rigide, dass alles Menschliche weg fällt.

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