Das befeuert die Debatte darüber, wann die Europäische Zentralbank (EZB) endlich eingreift und dem aktuellen Inflationsspuk mit einer Zinserhöhung ein Ende bereitet. In der Schlussphase des deutschen Bundestagswahlkampfes ist das ein größeres Thema. So stellt beispielsweise der bayerische Ministerpräsident Markus Söder eine „Inflationsbremse“ zur Debatte.
Doch EZB-Chefin Christine Lagarde hält an ihrer Nullzinspolitik weiter fest, denn ihre Experten gehen bisher davon aus, dass es sich um vorübergehende Preisanstiege im Corona-Rebound handelt und sich die Inflation bis Ende 2022 wieder normalisiert.
EZB-Chefökonom Philip Lane soll in privater Runde vor deutschen Experten – unerlaubterweise – sogar davon gesprochen haben, dass das EZB-Inflationsziel von zwei Prozent ohnehin erst 2025 erreicht sein wird (im Jahresdurchschnitt).
Außerdem, so das zweite zentrale Argument der EZB weiter zuzuwarten, würde eine Zinsanhebung oder auch ein zu rascher Ausstieg aus den Anleihe-Aufkaufprogrammen den Konjunkturaufschwung in Europa und insbesondere hoch verschuldete Staaten gefährden. „Eine Straffung der Geldpolitik würde den beginnenden Aufschwung abwürgen und das Erreichen unseres Inflationszieles erneut infrage stellen“, warnt etwa die deutsche EZB-Direktorin Isabel Schnabel.
Der langjährige WIFO-Chef und nunmehrige Präsident des Fiskalrates, Christoph Badelt, erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass es die EZB schon seit Jahren nicht geschafft hat, eine Inflation von zwei Prozent zu erreichen. Trotz der milliardenschweren Anleihen-Kaufprogramme und der Nullzinspolitik.
Badelt sagt diesbezüglich im KURIER-Gespräch: „Die Inflation ist ein komplexeres Phänomen. Ihre direkte oder indirekte Steuerbarkeit durch die EZB ist viel schwieriger als das in manchen Lehrbüchern dargestellt sein mag. Viele Faktoren, wie etwa die Erdölpreise, kann die EZB nicht beeinflussen. Sie hat die Inflation nicht in der Hand.“
Dennoch geht Badelt davon aus, dass die EZB am Ende des ersten Quartals 2022 damit beginnen wird, die Anleihen-Kaufprogramme, die in der Pandemie massiv ausgeweitet wurden, langsam zu beenden. Das würde die Geldmenge reduzieren und etwas Druck aus der Inflation nehmen. Auch das Zurückfahren der staatlichen Corona-Hilfen könnte etwas zur Entspannung an der Inflationsfront beitragen.
Hochspannend wird, ob und wie sich die gestiegene Inflation auf die Lohnverhandlungen auswirken wird. Experten sprechen von einer gefährlichen Lohn-Preisspirale, wenn sich Teuerung und Lohnerhöhungen gegenseitig aufschaukeln.
Derweil sagt EZB-Vizechef Luis de Guindos, dass die Inflation in der Eurozone höher ausfallen könnte als derzeit (2,2 Proeznt für 2021) prognostiziert. Dies gelte für den Fall, dass durch Lieferkettenprobleme ausgelöste Materialengpässe etwa bei Mikrochips und Halbleitern anhielten, sagte er der niederländischen Zeitung "Het Financielle Dagblad" am Freitag. Es seien dann auch Auswirkungen auf Energiepreise und Kosten im Verkehrswesen zu erwarten.
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