Industrie verlangt mehr Klarheit zu "Notfallplan Gasversorgung"
Die Industrie kämpft mit vielen Unsicherheiten, auch wenn die Auftragsbücher noch voll sind. Man wisse aber nicht, wie lange noch, sagte der Obmann der Industrie-Bundessparte der WKÖ, Siegfried Menz am Dienstag. In erster Linie kämpfe die Branche mit dem stark gestiegenen Gaspreis und Unklarheiten beim "Notfallplan Gasversorgung". Dazu kommen etwa Inflation und KV-Verhandlungen mit weit entfernten Standpunkten. Daher gibt es ein ganzes Forderungspaket an die Regierung.
"Höchste Zeit"
Beim "Hauptthema Gas" - der Brennstoff ist aktuell um 466 Prozent teurer als vorigen April - geht es laut Menz und Wirtschaftskammer-Industriespartengeschäftsführer Andreas Mörk um viel mehr Klarheit im inzwischen aktivierten Notfallplan.
"Es ist höchste Zeit die Stufen zwei und drei vorzubereiten", forderten die Industrievertreter. Man wisse nur, dass in der Stufe drei zuerst Privathaushalte und Kritische Infrastruktur versorgt würden. Unternehmen mit hohem Gasverbrauch seien von der Regierung aufgefordert worden, sich auch selbst Vorräte anzulegen und kämen dem verstärkt auch nach, sagte Mörk.
Da der Staat in Stufe drei des Notfallplanes solche Gasreserven praktisch unentgeltlich beschlagnahmen könnte, fordern die Industrievertreter eine gesetzliche Regelung, in der für so einen Fall zumindest Entschädigungen vorgesehen sind.
"Die Industrie muss im Vorfeld wissen, was im Falle des Eintretens der Stufe drei passiert. Bis jetzt vermissen wir dahingehend klare Aussagen und Vorbereitungsmaßnahmen", kritisierte Menz. Zudem müssten endlich eine Strompreiskompensation wie in anderen EU-Ländern eingeführt und ein Fonds aus den ETS-Beiträgen der Betriebe geschaffen werden, um diese bei der Energiewende zu unterstützen.
Rote Linie
Sollten Gaslieferungen aus welchem Grund auch immer gestoppt werden, käme man in Österreich fünf bis sechs Wochen aus, sagte Menz. In der Stahl-, Glas- und chemischen Industrie drohten große Schäden bei einem Gasausfall. Mutmaßliche Kriegsverbrechen verurteilte Menz. Auf Journalistenfragen nach einer roten Linie, wann Energieeinfuhren aus Russland gestoppt werden sollten, ging er nicht konkret ein. Man sei schlicht abhängig von russischem Gas. Bei Abschaltungen werde durch Kurzarbeit und Co das Sozialbudget stark belastet werden.
Die Gas- und Energiespeicherstrategie müsse europäisiert werden. Dazu brauche es einen europäischen Masterplan für den gesamten Energiemarkt. Hierzulande müsse endlich fixiert werden, wo die notwendigen 6.000 Windräder, die großen Flächen für Photovoltaik und die in etwa 110 Wasserkraftwerke in der Größe des Freudenau-Kraftwerks errichtet werden, um die Energiewende zu heben.
Laut Angaben der Industriesparte der WKÖ sind in den kommenden zehn Jahren 43 Mrd. Euro notwendig. Bekräftigt wurde auch die Dauerforderung nach schnelleren UVP-Verfahren.
Höhere Belastungen
Großes Thema sind derzeit auch die KV-Verhandlungen. Gestern blieben beispielsweise die zweiten Runden in der Chemischen Industrie sowie der Elektro-/Elektronikindustrie ergebnislos. Die Arbeitnehmervertreter fordern 6 Prozent mehr Lohn und Gehalt. Das ist für die Arbeitgebervertreter utopisch, zu unsicher sei die Lage. Als Ausweg schlägt Menz, ähnlich wie in der Coronakrise, Einmalzahlungen vor, die brutto für netto fließen sollen.
Das könnten beispielsweise 3.000 Euro pro Mitarbeiterin oder Mitarbeiter sein. "So eine Prämie würde mehr Spielraum für die Gehaltsabschlüsse schaffen", argumentierte Menz. "Die Menschen könnten so die Belastungen im täglichen Leben und der Energiepreise besser tragen." Solche Prämienzahlungen könnten "auch längerfristig ins Gefüge" der Kollektivvertragsverhandlungen eingebaut werden, geht es nach den Arbeitgebern, die dabei auf Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hoffen.
Weitere Schwierigkeiten bzw. Unsicherheiten mit denen die Industrie kämpft sind der strukturelle Fachkräftemangel und auch die jüngsten Corona-Lockdowns in China. Auch wie sich der private Konsum weiterentwickelt, sei offen, so Menz. Offen sei auch, wann die Pandemie endet. Nicht zu vergessen sind Schwierigkeiten in den Lieferketten.
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