Immofinanz-Chef: "Schlimm, wie dumm Europa agiert"

Eduard Zehetner: Nach der Sanierung der Immofinanz geht er Ende April in Pension.
Eduard Zehetner, demnächst in Pension, hält an Russland als wichtigem Wachstumsmarkt fest.

Eduard Zehetner, sechseinhalb Jahre lang Chef der Immofinanz, gilt als "beinharter Manager". Die Sanierung des Ende 2008 vor der Pleite stehenden Immo-Konzerns ist ihm trotz widrigster Umstände gelungen. Die Immofinanz ist jetzt ein begehrtes Übernahmeziel und Angreifer zugleich. Mit dem KURIER sprach Zehetner, der in einem Monat in Pension geht, über die "Schlachten der Immo-Konzerne", über Russland, Gier und Geld.

KURIER: Herr Zehetner. Sie verlassen die Immofinanz in der heißen Phase voller Übernahmefantasie. Sind sie wehmütig?

Eduard Zehetner: Ich habe keine Wehmut. Das ist vorbei. Das wollte ich so.

Die CA Immo will die Immofinanz. Die Immofinanz die CA Immo. Deutsche Wohnen will conwert. Warum sind Wiener Immo-Konzerne plötzlich so begehrt?

Immofinanz-Chef: "Schlimm, wie dumm Europa agiert"
Interview mit Eduard Zehetner, Vorstandsmitglied der Immofinanz. Wien, 24.03.2015.
Die deutschen Wohnungsmärkte sind aus dem Dornröschenschlaf erwacht, weil Anleger am Geldmarkt keine Zinsen mehr bekommen. Das hat schon 2013 begonnen, dann kam die Russland-Krise, die das ganze wieder einschlafen ließ. Trotzdem sind einige Cowboys unterwegs und versuchen in Osteuropa Portfolios zu sichern. Und es gibt auch die Ost-Cowboys, die das Geld, das in Zypern lag, in Immobilien anlegen. Das ist bei der CA Immo passiert (die russische O1 hat 26 Prozent erworben, Anm.).

Ist nicht eine Fusion von CA Immo und Immofinanz das Gescheiteste?

Nicht unbedingt, weil die CA Immo ein bisschen unglückliche Transaktionen abgewickelt hat im Hinblick auf die deutsche Grunderwerbssteuer. Eine rasche Fusion wäre ziemlich teuer. Das wäre Sponsoring des deutschen Staates.

Wenn es so viel Interesse an Immobilien gibt: Steigen die Preise für Wohnungskäufer weiter?

Der Immobilienboom in Westeuropa ist ungebrochen. Derzeit verkaufen wir in Österreich um 30 Prozent über unseren Schätzwerten und der Anstieg hört nicht auf. Immobilien gelten als sichere Anlage. Und dann kommen noch Emotionen dazu: Häuser kann ich anschauen und herzeigen, wie es Herr Benko mit seinen Immobilien perfekt spielt.

Müssen sich Mieter fürchten, dass es noch teurer wird?

Im Wohnbau haben wir einen geteilten Markt. In Wien sind 80 Prozent der Mietwohnungen entweder im Gemeindebau oder im geförderten und regulierten Bereich. Dort passiert gar nichts. In Wahrheit ist das unehrlich: Ich lasse den ganzen Druck auf die 20 Prozent im freien Markt. Wenn Frau Vassilakou ihren Ehrgeiz nicht darin sehen würde, die Mariahilfer Straße um 800 Euro pro Quadratmeter zu pflastern, sondern das Geld in die Wohnraumschaffung stecken würde, wäre das ein Hit. Da könnte ich Tausende Wohnungen bauen.

Immofinanz hat einen der Schwerpunkte in Russland. Viele Ost-Immobilien wurden verkauft, Russland nicht. Warum?

Wir hätten deutlich unter den Preisen verkaufen müssen, die die Immobilien wert sind und unter dem, was sie an Geld abgeworfen haben und auch jetzt in der Krise immer noch abwerfen. Die Dividenden der Immofinanz sind aus Russland gekommen.

Glauben Sie weiterhin an den russischen Markt?

Immofinanz-Chef: "Schlimm, wie dumm Europa agiert"
Interview mit Eduard Zehetner, Vorstandsmitglied der Immofinanz. Wien, 24.03.2015.
Ja. Aber wie lange die Krise noch dauern wird, wissen wir nicht. Das hängt von der Ukraine, vom Ölpreis, von der wirtschaftlichen Entwicklung und vom Verhältnis Europa-Russland ab.

Das schaut nicht nach rascher Erholung aus...

Russland wäre die Entwicklungsregion für Europa gewesen. Man hat es vor 25 Jahren nicht zusammengebracht. Man hat das Feld der Privatisierung und die Transition in den Kapitalismus den Chicago Boys, also den Amerikanern überlassen. Von denen haben die Russen rasch gelernt und die Oligarchie entwickelt. Die Europäer haben sich nicht gekümmert. Und lassen sich nach wie vor von den Amerikanern in die NATO-Spielereien hinein hetzen, um der US-Waffenindustrie Absatzmärkte zu sichern. Es ist so furchtbar schlimm, wie dumm Europa da agiert. Die USA haben null Interesse, dass Europa stärker wird.

Vor sechs Jahren, als Sie als Chef geholt wurden, stand die Immofinanz am Abgrund. Hatten Sie je daran gezweifelt, die Sanierung zu schaffen?

Als ich aufgewachsen bin, gab es Rechte und Pflichten. Pflichten – dieses Wort existiert heute nicht mehr. Wenn ich so eine Aufgabe übernehme, habe ich die Pflicht, alles zu versuchen, dass das funktioniert. Da verlassen sich viele Leute drauf, mehr als 70.000 Aktionäre damals. Es hätte auch schief gehen können. Wenn man schaut, was wir heute um diese unglückselige Bank in Kärnten herum diskutieren und die ganzen Blödheiten, die damals passiert sind – angefangen von der Verstaatlichung – man kann es natürlich auch falsch machen, man kann es auch nicht zusammenbringen.

Sind die Altlasten aus der Krise der Immofinanz beseitigt?

Wir haben noch zirka 1500 Anlegerklagen, rund die Hälfte von denen, die wir einmal hatten. Das muss man abarbeiten. Aber Spekulation auf Zeit gibt es nicht.

Haben Sie Verständnis für die Klagen?

Es sind damals von AWD, Immofinanz, Constantia Privatbank und anderen, die die Aktien vertrieben haben, Menschen zu Aktionären gemacht worden, die man besser nicht dazu gemacht hätte. Weil das eine Qualität an Investition ist, mit der viele Leute in der letzten Konsequenz nicht umgehen konnten. Das heißt: Das Geld kann man auch verlieren. Das war alles nicht ungesetzlich, aber moralisch falsch. Ich hätte so etwas nicht gemacht und würde es auch heute nicht machen. Die, die heute klagen, sind meist die, die eh ein bisserl mehr gewusst haben und auch von gierigen Anwälten aufgestachelt wurden, die das Geschäftsmodell in Amerika gelernt und nach Österreich gebracht haben.

Sie haben Gier erwähnt. Ist das einer der Hauptgründe für die Probleme, in die die Immofinanz geschlittert ist?

Immofinanz-Chef: "Schlimm, wie dumm Europa agiert"
Interview mit Eduard Zehetner, Vorstandsmitglied der Immofinanz. Wien, 24.03.2015.
Gier ist sicher ein Bestandteil. Aber das Thema ist, wie immer in diesen Wellenbewegungen in der Wirtschaft, das Nicht-Erkennen-Wollen von Zyklen, die sich drehen und eine Sturheit, in der Richtung weiter zu fahren nach dem Motto "Das ist zehn Jahre gut gegangen, warum soll das nicht weiter gehen?". Für mich ist es eine Gnade, dass ich die Gier nicht in mir habe. Ich habe viele schlechte Eigenschaften, aber ich bin nicht gierig.

Sie gehören zu den Top-Verdienern der Chefs von börsennotierten Unternehmen in Wien. Wie viel haben Sie im Vorjahr verdient?

Da muss ich nachrechnen. Es müssten ungefähr 2,2 Mio. € gewesen sein, das war weniger als 2013.

Was bedeutet Geld für Sie?

Privat: Sicherheit, mir das leisten zu können, was ich nie geglaubt habe, mir leisten zu können. Ich habe ein wunderschönes Haus am Traunsee, eine wunderschöne Wohnung in Wien, ich fahre mit dem Auto, das ich immer haben wollte, und ich kann mir den Urlaub leisten, den meine Frau für mich plant. So gesehen bin ich glücklich. In der Arbeit ist Geld ein Produktionsfaktor, Punkt. Es ist ein Maßstab für den Erfolg.

Wenn Sie in Pension gehen, was werden Sie machen?

Nichts. Ein bisserl Tennis spielen, ich lese gerne und ich habe ein paar Dinge, um die ich mich geschäftlich kümmern muss. Mir wird nicht fad und wenn, dann werde ich es genießen.

Karriere

Der gebürtige Niederösterreicher Zehetner (63) ist nach dem Studium an der Wirtschaftsuni rasch die Karriereleiter hochgeklettert: Er begann 1979 als Controller bei Steyr Daimler Puch und nahm in allen folgenden beruflichen Stationen ausnahmslos Chef- oder Vorstandspositionen ein: beginnend von SIS Datenverarbeitung, der Informatik Gmbh; Dana Türen, dem Telekom-Unternehmen Connect Austria, Jet2Web, RHI und seit Ende 2008 bei der Immofinanz. Beinahe aber wäre der Sohn eines Fleischhauers aus Pottenbrunn Wissenschaftler geworden. Nach Abschluss des Studiums arbeitete er von 1976 bis 1979 als wissenschaftlicher Assistent beim Institut für Höhere Studien (IHS).

Die beiden Immobilienunternehmen Immofinanz und CA Immo liefern sich einen – an der Wiener Börse äußerst selten vorkommenden – Übernahmekampf. Am 25. Februar dieses Jahres hatte die CA Immo mit ihrem 26-Prozent-Aktionär, der russischen O1-Gruppe überraschend bekannt gegeben, 15 Prozent an der Immofinanz übernehmen zu wollen.

2,80 Euro je Immofinanz-Aktie ist die CA-Immo bereit zu zahlen. 420 Millionen Euro würde sie dieser Einstieg kosten. Das Angebot läuft bis 15. April. Immofinanz-Chef Eduard Zehetner aber lässt sich so eine Übernahme nicht einfach gefallen. Der durchsetzungskräftige Manager schlug prompt mit einem Gegenangebot zurück: Die Immofinanz will bis zu 29 Prozent der CA Immo zu einem Preis von 18,50 Euro je Aktie kaufen, ließ er verlautbaren.

Und damit nicht genug. Um dem Konkurrenten den Einstieg bei der Immofinanz noch zu erschweren, hat Zehetner für 17. April eine außerordentliche Hauptversammlung der Immofinanz einberufen. Diese soll beschließen, die Kontrollschwelle von 30 Prozent auf 15 Prozent zu senken. Das heißt: Wer künftig mehr als 15 Prozent an der Immofinanz besitzt, muss laut Übernahmegesetz ein Angebot für die Gesamtübernahme legen. Das würde die Finanzkraft der CA Immo übersteigen.

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