30 Quadratmeter: Kleine Wohnung, großer Ausblick
Die Sonne senkt sich langsam über die Stadt. Ganz weit im Süden sind noch die Umrisse des Schneebergs erkennbar. Bernhard Brunner blickt zufrieden von seinem kleinen Balkon in die Ferne. Hier in Wien-Landstraße in einem der drei Türme des Triiiple-Ensembles hat er sein Wohnglück gefunden. Seit Dezember wohnt der dreifache Vater allein im 28. Stock auf insgesamt 30 Quadratmetern. „Echt winzig, aber dafür stehen mir 2.000 Quadratmeter Gemeinschaftsfläche zur Verfügung“, schwärmt der Wiener.
Viele Extras
Tatsächlich hat der Turm 3, in dem 670 Mikroapartments von YOUNIQ untergebracht sind, einiges zu bieten: Kino, Gemeinschaftsküche, Disco, Chillout-Lounge mit Tischfußballtisch und nicht zu vergessen zwei riesige Dachterrassen. Und in der Garage warten E-Autos darauf, von den Bewohnern gemietet werden. Die Wohnung selbst verfügt über ein hochwertiges Bad, voll ausgestattete Kitchenette, Bett mit Stauraum, Kasten, Schreibtisch sowie einen Balkon, der eine grandiose Aussicht über Wien ermöglicht.
Auch wenn hier alles wie in einem Hotel wirkt, putzen und waschen muss Bernhard Brunner selbst. In der hauseigenen Waschküche stehen neun Maschinen zur Verfügung. Eine eigene App meldet sich, wenn die Wäsche fertig ist. Den Staubsauger kann er sich ausborgen. Aber wie kommt man auf die Idee, sich wohnmäßig derart zur verkleinern? Schließlich hat er mit Familie davor in einem Haus am See gewohnt und zuletzt immerhin auf 55 Quadratmeter. „Ich habe dieses Projekt vom Spatenstich weg jede Woche vom Fitnesscenter gegenüber beobachtet. So entstand der Wunsch, in einem dieser Apartments möglichst weit oben zu wohnen.“ Billig ist diese Wohnform allerdings nicht, immerhin muss er 800 Euro jedes Monat Miete für sein kleines Reich bezahlen.
Vielfältiges Segment
Das Micro-Living-Segment, das gerne auch als „alternatives Wohnen“ bezeichnet wird, ist durchaus beliebt bei Entwicklern und Investoren. Es unterliegt ähnlichen Dynamiken wie das traditionelle Wohnsegment, ist aber deutlich vielseitiger, da es die verschiedensten Lebensphasen unserer Gesellschaft abdecken kann. Das Spektrum reicht von zeitgemäß ausgestatteten Studentenwohnheimen, die sich vorwiegend an eine internationale Kundschaft richten, über Co-Living-Wohnformen für junge Berufstätige, die für sechs bis 24 Monate eine temporäre Wohnung mit sozialen Anknüpfungspunkten suchen, bis hin zu Serviced Apartments für langfristig orientierte Geschäftsleute sowie Senior-Living-Einheiten, die ein maximal unabhängiges Leben bis ins hohe Alter ermöglichen.
Zahl der Mikrowohnungen sinkt
Aber die Coronakrise brachte auch hier Veränderungen mit sich. Die bedingungslose Rallye, immer noch kleinere Apartments zu errichten, ist definitiv vorbei. Gerade in Zeiten des Social Distancing gewinnt die Wohnung als Rückzugsort für die Bewohner wieder an Bedeutung. Das bestätigt auch Karina Schunker, Geschäftsführerin EHL Wohnen GmbH: „Die starke Tendenz zu Kleinstwohnungen und Mikroapartments ist zum Teil gebrochen, da im Mietbereich wieder deutlich mehr Drei- oder Vier-Zimmer-Wohnungen gesucht werden als in den Vorjahren. Ausschlaggebend dafür ist der allgemein wahrnehmbare Wunsch nach Wohnraumoptimierung und einem zusätzlichen Zimmer für Homeschooling oder Homeoffice, da nach wie vor deutlich mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbracht wird. Mit diesem erkennbaren Trend sinkt die Zahl der Ein-Zimmer-Wohnungen bei Neubauprojekten. Wohnungen mit 35-40 m² Wohnfläche werden – wenn möglich – mit einem Wohn- und einem abgetrennten Schlafzimmer geplant und ausgeführt.“
Andreas Holler, Geschäftsführer der BUWOG, sieht noch Potenzial für Mikrowohnungen: „Es gab immer beachtliche Nachfrage für sehr kleine Wohneinheiten, aber kaum Angebot. Dieser Nachholbedarf ist nun weitgehend gedeckt und jetzt geht dieser Teilmarkt in eine normale Phase über. Mikroapartments sind in einer Reihe unserer Projekte Teil des Nutzungsmixes und werden es auch in Zukunft bleiben. Es ist kein allzu großer Markt, aber es ist wichtig, dass es auch hier für Wohnungssuchende ein adäquates Angebot gibt.“
Aktuell entwickelt die Buwog als Teil ihres Wohnungsmixes Mikroapartments in den Projekten Rivus Vivere, Helio Tower, am Laaerberg bei Monte Laa, im „Deck 10“, am Nordbahnhof, in Schöneck13 und im kürzlich fertiggestellten Marina Tower. Das in unmittelbarer Nähe des Wiener Hauptbahnhofs entstehende „Deck 10“ bietet Ein-Zimmer-Wohnungen mit 37 Quadratmeter Wohnfläche und Balkon. Die Gemeinschaftsterrasse kann für Urban-Gardening oder BBQ-Feste genutzt werden. Mit einem eigenen Co-Working-Space kann Wohnen und Arbeiten gut verbunden werden.
Wer kauft?
Wer sind die Menschen, die Mikroapartments kaufen oder mieten? „Kleinwohnungen mit ca. 35 bis 40 Quadratmetern Wohnnutzfläche werden im Mietsegment von jüngeren Personen meist als Erst-, Studenten- oder Singlewohnung angefragt aber auch von Pendlern zur Zweitwohnsitznutzung oder Anlegern zum Kauf. Denn die Anlage in Wohnimmobilien ist nach wie vor stark nachgefragt, in Ermangelung guter Alternativen am Kapitalmarkt“, so Karina Schunker.
Das Projekt Triiiple in Erdberg, das Mikrowohnungen sowohl in Eigentum als auch Miete anbietet, ist ein Projekt der Are Development und Soravia. Soravia setzt weiterhin auf Projekte, die einen kleinen Anteil an Mikrowohnungen vorsehen, wie Christian Farnleitner, Geschäftsführer Soravia Projektentwicklung Österreich, bestätigt: „Die Nachfrage nach Mikrowohnungen ist nach wie vor sehr hoch. Sie sind vor allem für Investoren, die die Wohnung anschließend vermieten möchten, von Interesse. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Investoren lieber mehrere kleinere Apartments als ein großes erwerben. Zur Eigennutzung werden nach wie vor eher größere Apartments mit zumindest einem separaten Schlafzimmer nachgefragt.“
Küche inklusive
Eines dieser Projekte wird aktuell gemeinsam mit S+B in der Donaucity errichtet: Die Danube Flats werden mit 180 Metern Höhe und 48 Stockwerken ab 2024 der höchste Wohnturm Österreichs sein. „Die Mikrowohnungen der Danubeflats sind mit einer Küche ausgestattet, darüber hinaus wird es auch einen Vorschlag für eine komplette Möblierung der Apartments geben“, so Farnleitner.
Gefördert geht größer
Im geförderten Wohnbau sind Wohnungen bis 39 m² kein großes Thema. Laut Carina Weinstabl vom Wohnservice Wien erfreuen sich SMART-Wohnungen seit Einführung größter Beliebtheit, da sie aufgrund ihrer kompakten und flexiblen Grundrisse Kleinfamilien, Paaren und Singles hochwertigen Wohnraum bieten. Die durchschnittliche Größe der von der Wohnberatung Wien vergebenen SMART-Wohnungen im Jahr 2021 betrug allerdings 57 Quadratmeter. Eine hohe Alltagstauglichkeit bei gleichzeitig günstigen Eigenmitteln und Mieten steht im Vordergrund. Dank der gut durchdachten Grundrissplanung kann jeder Quadratmeter optimal genutzt werden. Die Wohnungen werden mit einer kompletten Basisausstattung (Sanitär, Elektro) umgesetzt.
Laut neuer Regelung (seit 2019) müssen im gefördertem Segment je Bauplatz mindestens 50 Prozent der Mietwohnungen als SMART-Wohnungen angeboten werden, wobei die Verteilung so zu wählen ist, dass die durchschnittliche Wohnnutzfläche maximal 65 Quadratmeter beträgt. Eine Ein-Zimmer-Wohnung darf maximal 40 m² groß sein und bewegt sich meist zwischen 35 und 40 Quadratmetern.
So klein wohnt Österreich
Laut Mikrozensus 2020, einer statistischen Erhebung, gibt es rund 132.000 Wohnungen in Österreich (3,3 Prozent) die kleiner als 35 m² sind. Am höchsten sind die Anteile in der privaten Miete (8,7 Prozent) und im Gemeindebau (9,4 Prozent). Im Gemeindebau vor allem in den alten Beständen.
Bei den gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV) liegt der Anteil bei 3,1 Prozent, also deutlich unter allen anderen Mietsegmenten. Steigende Tendenz sieht man keine, wenn man sich die Baualterjahre ansieht. Allerdings interessant: Im Neubau (seit 2011) gibt es praktisch keine GBV/Gemeindewohnungen, die kleiner als 35 m² sind – das ist auch oft wegen der Bauordnung nicht möglich. Aber bei der privaten Miete liegt auch der Anteil im Neubau bei fast sechs Prozent.
Ein Aspekt zur Größe muss laut Klaus Bichler, Sprecher des Österreichischen Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen, bedacht werden: Neu errichtete gemeinnützige Wohnungen sind um durchschnittlich 13 größer als jene von privaten Bauträgern.
Von gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV) neu errichtete Wohnungen (Zeitraum seit 2011) sind mit durchschnittlich 81 Quadratmetern deutlich größer als jene von privaten Bauträgern (68 m²). Dies ist auf den deutlichen Rückgang bei der Größe bei den privaten Mietwohnungen zurückzuführen. Während die GBV-Wohnungsgrößen seit 1991 nahezu gleich geblieben sind, schrumpften die privaten Mietwohnungen von durchschnittlich 81 auf 68 Quadratmeter.
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